Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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tief in die Maibowle geguckt hatte:

      »Der Wein löst die Zunge,

       Den Kopf macht er schwer,

       Und wenn man dann 'reinschaut,

       Da ist er doch leer.«

      »Hoho!« machte Sonnenberg, während die anderen lachten. Er schüttelte seine blonde Mähne und sang auf die nämliche Melodie den bekannten hübschen Reim:

      »Du flachshaarets Deandel,

       I han di so gern,

       I könnt wegen deine Flachshaarln

       Gleich a Spinnradel wer'n.«

      Da er dabei seine Augen schwärmerisch auf Rose richtete, so blieb für niemand ein Zweifel, was ihn zu dem sonst unbegründeten Wunsch, ein »Spinnradel« zu werden, veranlaßte, Rose selbst nur ausgenommen, denn sie freute sich wie ein Kind über die Reimzeilen.

      Aus Sonnenbergs Hand ging die Mandoline in die des Professors über, der nach kurzem Nachdenken im tiefsten Baß sang:

      »Die Musik grauer Zukunft

       Macht ein' Lärm, der nicht schlecht,

       Und wenn einmal 'was rein klingt,

       Dann war's sicher nicht recht!«

      »Erlauben Sie, Professor,« biß Leßwitz sofort an, »Sie sind ganz falsch beraten! Die Zukunftsmusik ist sozusagen –«

      Jedermann wußte, daß der Pianist sobald nicht aufhörte, wenn er sein Lieblingthema anschlug. Mit einem deutlich gemurmelten: »Gott bewahre – das hatte gerade noch gefehlt,« ergriff Frau von Willmer die Mandoline und ließ ein paar kräftige Akkorde erschallen, dann warf sie van der Lohe einen ihrer Taubenblicke zu und sprach mehr, als sie sang:

      »'s geht gar mancher des Weges,

       Schaut die Ros', wie sie glüht,

       Und gewahrt nicht das Veilchen,

       Das allein für ihn blüht.«

      Van der Lohe lachte gerade heraus, und die anderen sahen Olga erstaunt an. Das Gleichnis mit der Rose war von ihr nicht mit Bezug gewählt worden, sondern nur des gehörigen Gegensatzes wegen, davon aber hätte sie die »Wissenden« schwerlich überzeugen können. Hahn lächelte daher auch recht boshaft und sagte wie für sich, aber hörbar: »Na, das war deutlich!«

      Frau von Willmer tat, als ob sie nichts gehört hätte, und van der Lohe das Instrument reichend, rief sie mit einem Blick auf die Runde: »Die Reihe ist an dir! Ich bin begierig, was der Einsiedler von Eichberg hören lassen wird!«

      »Dös Einsiedlerleben,

       Dös steht mir net ein,

       I möcht' schon viel leaber

       A Zwoasiedler sein,«

      sang van der Lohe, ohne sich zu besinnen.

      Seine Mutter warf Olga einen Blick zu, der Bände sprach. Sie kannte ihren Sohn nicht wieder! Das Wunder, den stets Ernsten, in sich Zurückgezogenen so heiter zu sehen, konnten nur diese schwarzen Augen zuwege gebracht haben.

      Baron Hahn, an dem jetzt die Reihe war, meinte erst geziert, er wüßte nichts Derartiges, dann sang er aber doch mit dem unschuldigsten Gesicht von der Welt:

      »Und nix ist so traurig

       Und nix so betrübt,

       Als wenn sich a Kohlkopf

       In a Rosel verliebt.«

      Dieser bekannte harmlose Vers hatte indes eine sehr drastische Wirkung, denn kaum war das letzte Wort verklungen, als Sonnenberg rot vor Zorn aufsprang und mehr schrie als rief: »Herr, wie können Sie sich unterstehen, mich einen Kohlkopf zu nennen.«

      Hahn sah den blonden Künstler mit gut gespieltem Erstaunen an, die anderen aber brachen in lautes Lachen aus, das sich noch steigerte, als Sonnenberg plötzlich sehr verblüfft aussah. In der Tat dämmerte dem Guten die Ahnung auf, daß er eine große Dummheit begangen und sich unsterblich lächerlich gemacht hatte.

      »Ich werde Ihnen das Buch der oberbayerischen Schnadahüpfel schenken, Freund und Gönner,« sagte Hahn, meisterhaft den Gekränkten spielend, »da können Sie den Vers vom Kohlkopf und der Rose selbst nachlesen.«

      Sonnenberg setzte sich wieder und brummte etwas vor sich hin, was jedenfalls für das große Publikum nicht bestimmt war.

      Inzwischen war es Abend geworden, und die Gesellschaft auf der Waldblöße trat den Heimweg an; bis sie in Eichberg wieder anlangte, war der Mond schon aufgegangen.

      In der Nacht, die dem Ausfluge folgte, träumte Olga von Willmer, daß die Schneiderin sie mit dem Brautkleide im Stiche ließ und ihr statt dessen eine Rechnung von der Länge eines Kilometers überreichte.

      Im Gegensatz zu diesem unangenehmen Traume zeigte Gott Morpheus Baron Hahn lauter quittierte Rechnungen, während Sonnenberg ein ganzes Regiment großer Kohlköpfe grinsend umtanzte. Er tröstete sich beim Erwachen damit, daß ihn nur der Alp gedrückt und schob, jedenfalls sehr mit Recht, diesen beängstigenden Zustand auf den Hummersalat, mit dem er beim Abendessen sein Tagewerk allzu reichlich beschlossen hatte.

      Mir ist, als sollt‹ ich Flügel dehnen

       Durchs klar vertiefte Blau dahin,

       Das Auge schwillt von heißen Tränen,

       Und doch nach Freude steht mein Sinn.

       Geibel

      Der nächste Tag brachte Witterungswechsel, der die Gesellschaft auf Eichberg ans Haus fesselte.

      Van der Lohe hatte gestern abend seine Reise betreffende Briefe vorgefunden und mußte nun ernstlich daran denken, aber, wie er sich selbst sagte, mit schwerem Herzen.

      Die Ursache war Rose. Er hätte sie so gern geborgen gewußt, unabhängig, bis er das entscheidende Wort gesprochen. Nicht, daß er sie in seinem Hause nicht wohl aufgehoben wußte, aber er fürchtete für sie Hahns und Olgas Nähe. Wie sollte sich ein abhängiges junges Mädchen gegen die Zudringlichkeiten eines an seine Siege bei Frauen gewöhnten Mannes wehren, wie gegen die verletzenden Worte eines eifersüchtigen Weibes? Denn er ahnte mehr, als er wußte, daß Olgas durch eigene Interessen geschärfter Blick erriet, was in ihm vorging, nachdem seine deutliche Abweisung ihr die Gewißheit gegeben haben mußte, daß sie ihr Spiel verloren hatte und er durchaus nicht jenes »Entgegenkommens« bedurfte, dessen ihn seine Mutter für bedürftig hielt. Olga argwöhnte schon, daß Rose der Gegenstand des Anstoßes sei, aber sie war nicht die Person, das ruhig hingehen zu lassen.

      Während es draußen regnete, saßen die vier Damen in dem Zimmer von Frau van der Lohe. Die alte Dame schnitt ein Buch auf, Carola neckte den Papagei, Olga saß, die Hände in den Schoß gelegt, und Rose wartete, eine Arbeit in der Hand, bis ihre Dienste als Vorleserin gebraucht würden.

      »Welch garstiges Wetter,« sagte die Dame des Hauses mit einem Blick aufs Fenster, gegen das der Regen schlug.

      »Es verspricht, ein Landregen zu werden.«

      »Ein graues Nachspiel zu unserer gestrigen Waldpartie,« meinte Carola, »ich glaube, wir sind noch alle müde davon. Wie ist's damit, Heideröslein?«

      Rose sah lachend auf.

      »Ich und müde,« wiederholte sie. »Erstens war der Weg doch nicht weit, und dann kann ich wie ein Hase laufen, behauptete mein Vater.«

      Olga gähnte.

      »Ihr Vater war Jäger?« fragte sie herablassend.

      »Ein waschechter, gnädige Frau,« erwiderte Rose mit leuchtenden Augen, »ein Weidmann von altem Schrot und Korn, sein Jägerlatein war einfach kostbar. Ja, es war eine schöne Zeit, als er noch lebte,« setzte sie mit einem Seufzer hinzu.

      »Bei wem diente er?« warf Olga hin.

      Rose sah erstaunt auf.

      »Er diente dem König,« sagte sie mit Stolz.

      »Ah – also Leibjäger,«