Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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an der vorläufigen Geheimhaltung unserer Verlobung gelegen, weil meine Erklärung Wünsche, die meine Mutter für mich hegt, umstoßen wird, und die Enttäuschung könnte sie ungerecht gegen Sie machen. Das aber will ich nicht. Auch Ihren Freunden in Hochfelden bitte ich Sie, vorläufig nichts zu schreiben, auch jedes andeutende Wort zu vermeiden, bis ich zurückkehre. Ich handle mit dieser Bitte aus guten Gründen, bitte, vertrauen Sie mir darin. Wollen und können Sie das?«

      »Ja,« erwiderte sie bereitwilligst.

      »Ich danke Ihnen, Heideröslein. Leben Sie wohl, meine süße Braut! Auf ein frohes Wiedersehen!«

      »Auf ein frohes Wiedersehen!« wiederholte sie leise und innig, während er einen Kuß auf ihre Stirn drückte.

      »Heideröslein, ist‹s denn wahr, daß Sie mich stillen, ernsten Mann lieben können?«

      »Über alles in der Welt.«

      »Gott segne Sie für dieses gute Wort! Auf Wiedersehen!«

      »Auf Wiedersehen –«

      Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht,

       Er fiel auf die zarten Blaublümelein,

       Sie sind verwelkt, verdorret.

       Volkslied

      Nach einem ruhelosen Tage, nach einer schlaflosen Nacht war Olga von Willmer zu einem Entschlusse gekommen. Es war ihr vieles durch den Kopf gegangen, denn wenn sie sich auch im Augenblick vom Jähzorn beherrschen ließ, sobald die Wallung verraucht war, vermochte sie wieder klar zu denken. Und so hatte sie auch in dieser schlaflosen Nacht gedacht und geplant, ruhig, ohne Herzklopfen, mit kühler Überlegung.

      Als der Morgen zu dämmern begann, schlief sie befriedigt ein; sie war überzeugt, daß der Plan, den sie gesponnen, fein und gut war, und daß sie ihn ebenso zur Ausführung bringen würde, verstand sich von selbst.

      »Nein, so ist kein Maurus Magyar,« murmelte sie im Einschlafen, »die van der Lohes haben deutsches, nüchternes Blut in den Adern, keine Spur von Einbildungskraft. Geldsäcke, einer wie der andere – weiter nichts.«

      Olga hatte sich schon ganz in den Gedanken eingelebt gehabt, einst als Herrin über diese »Geldsäcke« zu herrschen. Sie fand das alte Familienhaus in der Stadt so annehmbar wie das Landhaus in Eichberg, und wenn ihr die Bitte, ein wenig herumkramen zu dürfen in dem aufgespeicherten Leinen, Silber und anderen Schätzen, von Frau van der Lohe lächelnd gewährt wurde, so überlegte sie dabei gern, wie sie dieses und jenes Stück verwenden würde, wenn es ihr erst gehörte.

      Und nun hatten zwei Worte, der Name Maurus Magyar, ihre Hoffnungen auf ewig zerstört.

      Ihr erster Gedanke war »Abreisen« gewesen, aber sie verwarf ihn sofort wieder; nur nicht zeigen, wie hart es sie getroffen hatte!

      »Ich habe nicht das Zeug dazu, eine Julia Imperiali zu werden,« dachte sie, »ich werde mich nicht mit Gift und Dolch an ihm rächen! Abgeschmackter Gedanke – wir leben ja im zwanzigsten Jahrhundert. Das Klügste wäre, ich brächte es mit Hahn wieder in Ordnung, aber er ist scheu geworden, ich habe ihn zu schlecht behandelt – nun, wer konnte auch an eine Erbschaft denken, die ihn selbst überraschte. Wenn alle Stricke reißen, gehe ich nach Monako und versuche dort mein Glück!«

      Als sich am Tage nach van der Lohes Abreise die Gesellschaft zum Frühstück versammelte, sagte Olga zu ihrer Tante: »Bitte, schicke nachher die Eckhardt fort. Ich habe mit dir zu reden.«

      »Du mit mir? Hat es keine Zeit?«

      »Nein, es ist von größter Wichtigkeit.«

      »Hoffentlich nichts Unangenehmes!« seufzte die alte Dame, und als Rose ihr folgen wollte, winkte sie ihr, zu bleiben. »Später, liebes Kind! Ich werde Sie rufen lassen.«

      »Nun?« fragte sie gespannt, als sie mit ihrer Nichte allein war.

      »Ach, Tante, es ist eine ernste Angelegenheit, die ich mit dir besprechen möchte,« begann Olga zögernd. »Ich habe überlegt, ob ich überhaupt darüber reden soll, aber meine Liebe zu dir und Jo und meine wahrhaft herzliche Anhänglichkeit an alles, was dein Haus angeht, ließen mich zu dem Entschlusse kommen. Ich hoffe, du wirst mir nicht böse deshalb sein.«

      »Aber Olga, du erschreckst mich wirklich,« rief Frau van der Lohe, »ist es etwas, was meine Familie betrifft?«

      »Ja, Tante. Es betrifft Jo sowohl wie dich auch.«

      »Spanne mich nicht auf die Folter! Du mußt reden, besonders wenn es Jo betrifft, denn dich als seine Frau zu sehen, ist ja der größte Wunsch meines Lebens.«

      Frau von Willmer schüttelte mit bitterem Lächeln den Kopf. Sie ergriff die Hand der alten Dame und küßte sie zärtlich.

      »Meine gute, vortreffliche Tante, wie gütig du bist. Jo, dein einziges Kind, die Stütze deines Alters – er wird dir diesen Wunsch nicht erfüllen.«

      »Nicht?« schrie die alte Dame auf. »Olga! Habt ihr miteinander gesprochen?«

      »Nein, das war nicht nötig,« entgegnete Frau von Willmer traurig mit niedergeschlagenen Blicken und gesenktem Kopfe.

      Frau van der Lohe legte erstaunt ihre Hände zusammen.

      »Nicht nötig?« wiederholte sie, »Olga, du willst vielleicht nichts gehört haben. Du mit deiner Schüchternheit einer Sechzehnjährigen. Er kann ja an soviel Schönheit nicht ungerührt vorübergehen.«

      Olga kniete vor ihrer Tante nieder und verbarg ihr Antlitz in deren Schoß – um ihre Belustigung zu verbergen. Wenn van der Lohe ebenso blind gewesen wäre wie seine Mutter, so hätte sie längst Herrin hier sein können! Aber was half das? Wenn die Mutter sie auch für den Himmel reif erklärte, – der Sohn hatte darüber andere Ansichten, und er hatte sie darüber aufgeklärt.

      Frau van der Lohe strich liebkosend über das schwarze glänzende Haar ihrer Nichte und fragte dann zögernd: »Jo hat vielleicht bei deiner Zurückhaltung nicht gewagt, sich deutlicher auszusprechen.«

      Jetzt hätte Olga wirklich beinahe laut gelacht; als ob Jo der Mann dazu war, etwas nicht zu wagen! Als sie sich etwas gesammelt hatte, erhob sie das Haupt und sagte dann, Frau van der Lohe scharf ansehend: »Nein, Tante, Jo ist wirklich nicht so zaghaft, wie du meinst, im Gegen teil, er ist ein solcher Eisenkopf, wie je ein van der Lohe es war.«

      »Nun, ja, ja!« unterbrach sie die alte Dame, »Jo weiß, was er will. Das hat er von seinem Vater, bei dem ich auch nicht immer alles durchsetzen konnte. Ich meinte nur, daß Jo Damen gegenüber –«

      »Halt, Tante, das ist der Punkt. Du verkennst ihn ganz und gar, denn Jo will auch hierin seine eigenen Wege gehen, und diese führen nicht gerade zum Ruhme seines Hauses.«

      »Olga, bedenke, was du sprichst!« unterbrach sie Frau van der Lohe streng.

      »Ich habe es bedacht, Tante, und bleibe dabei. Jo hat sein Herz an ein Mädchen verloren, das – er liebt, oder zu lieben glaubt.«

      »Olga!« unterbrach sie die alte Dame aufgeregt. »Was fällt dir ein?«

      »Aber nein, Tantchen, ich bin meiner Sache ganz sicher,« widersprach Olga sanft. »Jo liebt deine bezahlte Gesellschafterin – Rose Eckhardt!«

      »Unsinn!« entgegnete die alte Dame aufatmend.

      »Ganz und gar nicht, es ist die reine Wahrheit,« beharrte Olga von Willmer.

      Frau van der Lohe lächelte.

      »Du siehst Gespenster! Ich habe nichts davon gemerkt – höchstens das Gegenteil, denn als ich Jo bei der Waldpartie bemerkte, daß die Schönheit des Mädchens zu viel Bewunderung herausfordere, da antwortete er mir sofort: ›So schicke sie nach Hause.«

      »Natürlich, Tante! Er wünscht sie nicht in einer dienenden Stellung.«

      Frau van der Lohe schüttelte ungläubig den Kopf.

      »Gut, Tante, wie du willst!« rief Olga, indem sie sich erhob. »Ich dachte dir einen Dienst zu erweisen, aber wenn du mir