Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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Olga den Stand ihres Vaters durch Hochfeldens kannte; wenn sie also nicht sehr vergeßlich war, so mußte sie absichtlich so gefragt haben, um sie zu kränken.

      »Armes Heideröslein,« sagte Carola freundlich, »wie schwer muß Ihnen das Scheiden von der Heimat geworden sein! So jung noch und schon allein in der Welt!«

      »Ja, ganz allein,« entgegnete Rose, Carola dankbar ansehend, »aber ich habe doch für alle Fälle noch einen Zufluchtsort.«

      »Ah, wohl bei Ihrem Vormund?« fragte Frau van der Lohe.

      »Ja, gnädige Frau! Die lieben Hochfeldens ließen mich nur ungern fort. Aber ich bestand darauf, denn jung gewohnt, ist alt getan, heißt's im Sprichwort. Auf alle Fälle war das Glück mir gut gesinnt, denn es hat mich zu einer gütigen Fee geführt,« erklärte Rose, indem sie sich anmutig gegen Frau van der Lohe verbeugte.

      Diese lächelte geschmeichelt und sagte gütig: »Nun, eine andere gute Fee hat Ihnen aber auch die Eigenschaft in die Wiege gelegt, die Herzen zu gewinnen, liebes Kind!«

      »Es ist das Schlimmste nicht, den von Ihnen gewählten Beruf zu ergreifen, Fräulein Eckhardt,« sagte Olga boshaft. »Sie taten auf alle Fälle gut, Ihre Jugend als Empfehlung zu benutzen, Ihre goldenen Haare hätten später keine Goldfische mehr gefangen.«

      »Olga!« rief Carola empört.

      »Das verstehe ich nicht, gnädige Frau,« meinte Rose verwundert.

      »Sie liebe kleine Unschuld,« lachte Frau von Willmer. »Mit dem Goldfisch meine ich eine gute Heirat!«

      »Daran habe ich noch nicht gedacht,« rief Rose harmlos.

      »Na, wer das glaubt? Ich nehme es Ihnen nicht etwa übel, denn das Heiraten ist ja unsere Bestimmung, und daran wird Ihr Vormund ja auch gedacht haben, als er Sie fort ließ.«

      »Sicher nicht, gnädige Frau. Mein Vormund steht solchen Gedanken ebenso fern wie ich.«

      »Das machen Sie einem anderen weis – mir nicht,« rief Olga lachend.

      Jetzt wallte das Blut aber doch in Rose auf.

      »Gnädige Frau!« rief sie empört, setzte aber dann ruhiger hinzu: »Ich kann Sie natürlich nicht zwingen, anders zu denken; mein gutes Gewissen spricht mich von solch niederen Absichten am besten frei.«

      »Himmel, wie tragisch Sie das nehmen! Gesetzt aber, es träfe sich irgendwo ein reicher Sohn des Hauses, ein vornehmer Gast – so findet sich alles von selbst!«

      Jetzt begriff Rose, worauf es abgezielt war. Glühende Röte stieg ihr ins Gesicht, sie war unfähig zu antworten, aber Carola übernahm das, indem sie beißend rief: »Glauben Sie meiner Kusine aufs Wort, Heideröslein, denn sie spricht aus Erfahrung. Die ›reichen Söhne‹ des Hauses sind ein gewaltiger Anziehungspunkt auch für junge Witwen, die es nicht bleiben wollen.«

      Das kleine Fräulein hatte gut pariert, der Hieb saß fest, denn nun wurde Olga glühend rot. Ehe sie noch eine heftige Entgegnung fand, wandte Carola sich an ihre Tante, die ein unbehagliches Gesicht machte.

      »Nicht wahr, du trittst mir Heideröslein heute ab,« bat sie, »die Witterung in deinem Zimmer ist mir heute zu schlecht, Tante! Draußen regnet's nur, hier aber hagelt und donnerwettert's.«

      »Gewiß, gewiß,« rief Frau van der Lohe nervös, »Fräulein Eckhardt kann mit dir gehen.«

      »Schönen Dank,« rief Carola und zog Rose mit sich zur Tür hinaus.

      »Wohin gehen wir? In mein Zimmer? Nein, holen wir uns Regenschirme und gehen wir in die Künstlerwerkstatt, Freund Körner wird uns schon aufnehmen, Heideröslein! Machen Sie kein solches Gesicht – ich habe Sie ja glänzend gerächt.«

      Rose drückte ihrer »Rächerin« dankbar die Hand.

      »Ich begreife Frau von Willmer nicht!« konnte sie nicht umhin zu gestehen.

      Carola machte ein pfiffiges Gesicht.

      »Ich desto besser,« sagte sie lachend, »ich allein besitze die Trümpfe gegen dieses sanfte Murillosche Madonnenbild mit der Wespenzunge.«

      Olga war erregt aufgesprungen und ans Fenster getreten, als Carola mit Rose das Zimmer verließ, und sie sah gerade van der Lohe den Weg zur Künstlerwerkstatt einschlagen. Sein Anblick lenkte sie auf andere Gedanken: sie mußte Gewißheit haben, Beweise, Beweise für ihren Verdacht.

      »Diese Carola wird immer unerträglicher, Tante!« bemerkte sie endlich. »Wie kannst du ein solch bissiges Geschöpf um mich dulden?«

      Frau van der Lohe sah ruhig auf.

      »Hier ist von ›Dulden‹ nicht die Rede. Jo hat sie gern und ich auch. Sie ist sehr unterhaltend.«

      »Auf anderer Leute Unkosten,« sagte Olga bitter.

      »Wie die meisten Menschen. Der liebe Nächste ist immer der dankbarste Stoff zum Scharpiezupfen.«

      »Aber du hättest doch wohl die Macht, Carola im Zaum zu halten.«

      Frau van der Lohe antwortete nicht gleich, dann aber sagte sie mit ungewohnter Strenge: »Du hast Carolas Worte herausgefordert. Ich selbst fand es nicht freundlich, wie du meine Vorleserin ohne Not angriffst.«

      Olga lachte gezwungen. »Wahrscheinlich ist das schlechte Wetter schuld! Von den Herren zeigt sich niemand, da muß man fürlieb nehmen.«

      In diesem Augenblick verließen Carola und Rose das Haus und schlugen in schnell übergeworfenen Regenmänteln und mit Schirmen bewaffnet den Weg zur Künstlerwerkstatt ein.

      »Dieses trauliche Beisammensein im Musentempel werden wir hübsch unterbrechen,« dachte Olga grimmig und verabschiedete sich hastig von ihrer Tante.

      In der Vorhalle aber wurde sie von Hahn aufgehalten, der gerade dazu kam, wie sie einen Regenschirm vom Ständer nahm.

      »Sie wollen in dem Wetter doch nicht einen Spaziergang machen, meine Gnädigste?« fragte er erstaunt.

      »Ja – nein, das heißt, ich wollte nur einmal in die Künstlerwerkstatt schauen.«

      »Sie werden naß werden, es schüttet wie mit Mulden.«

      »Sehr verbunden für die Neuigkeit!«

      »Warum so gereizt, gnädige Frau? Wer hat das Unglück gehabt, Ihnen zu mißfallen?« erwiderte Hahn lachend.

      »Dieses Unglück könnte manchem zustoßen, besonders unberufenen Fragern,« gab sie spitz zurück.

      »Ah! Ich hätte freilich wissen können, daß Sie Fragen gern ausweichen, meine Gnädigste. Ich werde mich also hüten, mir ein zweites Mal den Mund zu verbrennen.«

      »Daran tun Sie recht,« gab sie gereizt zurück, »wer viel fragt, dem wird viel geantwortet.«

      »Ein altes Sprichwort, gnädige Frau.«

      »Müssen Sie immer das letzte Wort haben?« rief Olga, bebend vor Ungeduld. »Wann reisen Sie ab – ich meine in Ihren Erbschaftsangelegenheiten?«

      »Ah – jetzt fragen Sie! Nun, ich erwarte noch einen Bescheid. Interessiert Sie meine Erbschaft?«

      »Aber natürlich doch, bei unserer alten Freundschaft! Besonders, da Sie jedenfalls im Sinn haben, Ihren Reichtum mit mir zu teilen,« rief sie lachend.

      Hahn konnte sich nicht enthalten, eine zurückweichende Gebärde zu machen, denn der Wink im Gewande des Scherzes war deutlich.

      »Sie wissen, Ihr Wunsch ist mir immer Befehl, gnädige Frau,« sagte er schnell gefaßt, »aber – verzeihen Sie, daß ich wage, Sie daran zu erinnern – an meinem sogenannten Reichtum hängt ein unangenehmes Etwas – meine Hand. Und da Sie diese schon einmal zurückzuweisen beliebten, trage ich schon schwer genug an diesem einen Korb; für einen zweiten wäre meine Kraft zu schwach.«

      »Besonders, wenn man die anderen Körbe, die Sie sich sonst noch holten, dazu rechnet,« gab sie schlagfertig zurück.

      »Ah