Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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Mal um sie zu werben. Der Attaché seinerseits war bereits gestern noch mit sich dahin einig geworden, daß Olga von Willmer zwar eine Frau sei, die man gern heiratet, wenn sie selbst Vermögen besitzt, daß man im entgegengesetzten Falle aber eine andere nimmt.

      Er sprang nach dieser Begegnung elastisch die Treppen hinauf, indem er vergnügt trällerte:

      »Ja, Freund' woll'n wir sein –

       Aber's Nehmen, aber's Nehmen,

       Das fällt mir nit ein!«

      * * *

      Van der Lohe hatte den Professor in der Werkstatt vor seiner Gruppe getroffen.

      »Das Licht ist heute zu nichts nütze,« sagte er ärgerlich. »Ich hoffe, es wird um Mittag heller werden, denn meine Arbeit fängt nun gerade an, dringend zu werden.«

      »Ist das Modell nicht so gut wie fertig?«

      »Na, ich habe noch ein hübsches Stück Arbeit vor mir, Arbeit und Mühe, und alles das vielleicht nur, damit der nächste beste Kritikaster es in den Staub zieht! Künstlerlos!«

      »Freund, Sie haben sich Ihr Lebtag nicht um Rezensenten gekümmert. Sie werden nicht jetzt damit anfangen, da Ihr Ruhm unbestritten ist,« entgegnete van der Lohe.

      »Unbestritten?« wiederholte Körner. »Wessen Ruhm wäre das? Nehmen Sie einmal unsere Dichterfürsten, nehmen Sie Goethe! Ich halte es nämlich für ein Bestreiten seines Ruhmes, dieses sogenannte ›kritische Erläutern‹ seiner Werke.«

      »Na, die Leute nennen es seinen Ruhm verbreiten,« erwiderte van der Lohe.

      »Das müßte schon ein elender Dichter sein, der ›erläutert‹ werden muß,« brummte der Professor.

      »Ich bin ganz Ihrer Meinung,« sagte van der Lohe lachend. »Aber was wollen Sie? So was macht sich sehr gelehrt und imponiert dem Publikum, das die Erläuterungen ebensowenig versteht wie den Dichter selbst, – die ihn verstehen, brauchen's ohnedem nicht. Goethe wäre sehr erstaunt, wenn er wüßte, daß er ›erläutert‹ werden muß, da er sich aber nicht mehr dagegen wehren kann, so blüht dieser Literaturzweig fröhlich weiter.«

      »Wahr, mein lieber Freund. Es wäre ein Danaidenarbeit, dem Unfug zu steuern,« rief der Professor. »Wollen wir das Kind beim rechten Namen nennen, so müssen wir einfach sagen, daß diese Herren nichts anderes beabsichtigen, als mit ihrem Wissen zu prunken. Sie befolgen nur das Gegenteil des Grundsatzes der Kunstkritiker, die da meinen, wenn sie alles tadeln, so sagt die große Menge in heiliger Scheu: ›Was muß der Mann verstehen, wie tief muß der blicken, wenn er tadelt, was uns Laien gefällt!« »

      »Haben Sie darin auch schon Erfahrungen gemacht, Körner?«

      »O ja. Ich gehöre aber nicht zu denen, welchen ein abfälliges Urteil auf acht Tage Schlaf und Lebenslust raubt. Ich habe bis jetzt immer richtig herausgefühlt, wessen Worte meiner Künstlerehre zu nahe treten, wessen Geschreibsel mich lachen machen kann, und wessen Feder vorurteilsfrei und sachlich schreibt!«

      »Dann sind Sie glücklicher als die meisten Künstler,« entgegnete van der Lohe. »Wie viele richtet der Ärger und die Aufregung zugrunde.«

      »Was mir viel näher geht als Kritiken, das ist der Neid und die kollegiale Mißgunst. Wir Künstler sollten einander schätzen und nicht untereinander anfeinden!« sagte der Professor mit Nachdruck.

      »Es wäre ideal, wenn alle Künstler so dächten wie Sie, Körner!«

      »'s ist ehrlich gemeint, denn wenn ich mich noch so sorgfältig prüfe, so kann ich doch nichts anderes sagen, als daß ich stets Freude empfunden habe bei dem Anblick eines guten Kunstwerkes, das ein anderer geschaffen! Und es kann mich heftig ärgern, wenn ich sehe, daß das echte Talent herabgesetzt wird und den Schmarotzern der Kunst Platz machen muß, diesen Burschen, die kriechen und schmeicheln, die ihre Werke aus den Brosamen anderer zusammenkneten und flicken und dann noch über den grünen Klee gelobt werden. Zum Glück ist solch künstlich aufgepuffter Ruhm nicht langlebig, sondern nur Modesache.«

      Van der Lohe schwieg; er kannte seinen Freund und wußte, daß es ihm wohltat, sich aussprechen zu können. Nach einer Pause sagte er: »Ich kannte noch einen Mann, der dieselbe Künstlernatur besaß wie Sie, Freund – Maurus Magyar.«

      »Ah, der Geigerkönig. Armer Kerl! Ja, er war zwar nur in einem Zigeunerzelt geboren, aber ein wahrhaft vornehmer Mensch. Man sagte, er sei einer großen Leidenschaft erlegen. Starb er nicht im Hause des Fürsten R. ..?«

      »Sie fanden ihn tot im Park.«

      »Schade um sein Talent. Ich erinnere mich, die Geschichte wurde damals viel besprochen. Ich glaube, die Ursache seiner plötzlichen geistigen Störung war eine Frau, doch habe ich ihren Namen nie erfahren können. Lebt sie noch?«

      »O ja, sehr!« rief van der Lohe bitter. »Sie begann mit dem gewissenlosen Spiel mit Maurus Magyars Herzen, dann verbitterte sie ihrem Gatten durch fünf Jahre das Leben, und als ihn der Tod endlich befreite, wurde sie fromm und eine Beschützerin der Muse. Jetzt angelt sie nach Goldfischen.«

      In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und Carola guckte herein.

      »Ist's erlaubt?« fragte sie, und ohne die Antwort abzuwarten, trat sie näher, von Rose gefolgt.

      »Willkommen, willkommen,« rief Körner erfreut. »Bis jetzt war's so düster hier und grau, Sie bringen aber den Sonnenschein mit, Fräulein Eckhardt.«

      »Ich?« rief Rose lachend, »ich wollte, Frau Sonne gehorchte meinem Wink.«

      »Nun, es scheint fast, als täte sie's wirklich,« meinte van der Lohe, indem er auf einen feinen Sonnenstrahl deutete, der sich soeben durch das graue Gewölk schmuggelte.

      »Wahrhaftig,« rief Rose, »wie wunderbar das aussieht! Sie müssen nämlich wissen, daß ich eine ausgemachte Sonnenanbeterin bin.«

      »Wundert mich gar nicht, – keine Blume ohne Sonne,« meinte der Professor.

      »Und nebenbei tragen Sie alle leuchtenden Strahlen des Tagesgestirns mit sich herum, Heideröslein,« sagte Carola, indem sie bewundernd über Roses Haar strich, »echtes, flüssiges Gold.«

      Rose lachte.

      »Das sagen Sie nur,« rief sie, »andere Leute nennen es Rot.«

      »Ketzerei,« entgegnete Carola.

      »Oder Neid,« warf der Professor ein.

      »Farbenblindheit,« vollendete van der Lohe.

      Rose lachte nun hell auf.

      »Ein Streit um des Kaisers Bart,« rief sie belustigt. »Mein Vater nannte mich mitunter auch ›Rotkopf'.«

      »Dann hat er bei der Wahl des Namens ›Heideröslein‹ mehr Geschmack bewiesen,« meinte Johann van der Lohe, indem er neben sie in die Fensternische trat.

      Der Professor und Carola hatten einen interessanten Gesprächsstoff entdeckt, – vor ihnen hätte es draußen Steine hageln können, sie hätten es nicht bemerkt; das Paar am Fenster war also so gut wie allein.

      »Rose,« sagte van der Lohe leise, aber deutlich, »erinnern Sie sich noch, was wir gestern im Walde sprachen?«

      »Gewiß,« erwiderte sie ohne Zögern.

      »Raten Sie mir heute noch zu dem Sinnbild der Rose? Ist es beständig? Ist es treu?«

      Aus Roses Gesicht wich die Farbe, aber sie erwiderte zuversichtlich mit einem festen »Ja«.

      Van der Lohe tat einen tiefen Atemzug. »Rose – Heideröslein, so darf ich also das Sinnbild der Rose als eine süße Hoffnung mitnehmen?«

      »Es ist wohl zu gering dazu,« sagte sie abgewandt, »das Haus van der Lohe kann sich kostbarere Dinge aussuchen als Rosen.«

      »Das Haus van der Lohe,« entgegnete er heiter, »hat sich schon so oft mit schwerem Golde und zerbrochenen alten Wappenbildern geschmückt, daß es sich auch einmal eine frische Rose gönnen