Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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Der für den Ausflug gewählte Punkt war eine große Waldblöße, an deren Rande, im Schatten gewaltiger Eichen, das Lager der Verbündeten, wie Sonnenberg es nannte, aufgeschlagen werden sollte.

      Nachdem endlich eins der boshaften Streichhölzer Feuer gefangen und seinen Dienst getan hatte, lehnte sich Baron Hahn bequemer zurück, blies einen kunstgerechten Ring in die Luft und fragte mit mäßigem Interesse: »Wer ist reizend?«

      »Sie!« rief Sonnenberg mit aufflammender Begeisterung.

      »Ich?« fragte Hahn zerstreut.

      Sonnenberg lachte. »Sie natürlich auch, wenn Sie wollen. Aber ich meinte eigentlich Fräulein Eckhardt. Finden Sie's nicht auch?«

      »Was?«

      »Nun, daß sie reizend ist.«

      »Oh – ja –!« erwiderte Hahn gedehnt.

      »Kalt wie 'ne Hundenase!« eiferte Sonnenberg, »aber natürlich, Sie bewundern ja dunkle Schönheiten nach Art der Murilloschen Madonna.«

      »Sonnenberg, Sie werden anzüglich!«

      »Ist Ihnen ganz gesund! Ich begreife nur nicht, wie man bei einer blonden Schönheit so gleichgültig sein kann.«

      »Geschmacksache! Welches Unheil müßte entstehen,

      wenn alle Welt über einen Rotkopf außer sich geraten und sich in ihn verschießen wollte.«

      Sonnenberg faltete entsetzt seine Hände.

      »Und das nennen Sie einen Rotkopf?« rief er entrüstet. »Sie sind ein Barbar, Hahn, dieses goldige, herrliche Haar rot zu nennen.«

      »Nun, so nennen Sie es meinetwegen blond; es kommt ganz auf eins heraus.«

      »Es ist Ihnen aber jedenfalls nicht gleich, ob ich die Haare der Frau von Willmer Rabenflügel oder Bärenzotteln nenne,« sagte Sonnenberg boshaft.

      »Ganz gleich ist's mir,« versicherte Hahn pomadig. Es war ihm wirklich jetzt ganz gleich, ob Frau von Willmer schwarze oder grüne Haare hatte, denn der Zweck seines Besuches auf Eichberg war verfehlt und die Sache damit für ihn erledigt.

      Sonnenberg aber war seiner Meinung nach ernstlich verliebt, und je mehr er an seinem »Unsterblichkeitswerke« malte, um so mehr verrannte er sich in seine Anbetung für Rose, der sein unausgesetztes Anstarren auf die Dauer lästig zu werden anfing.

      »Lassen Sie dem armen Menschen doch das kindliche Vergnügen,« redete Carola, der sie sich anvertraut hatte, zu. »Seine Jahre verlangen ihr Recht; die holde Zeit der Jugendeseleien geht so wie so nur zu rasch vorüber.«

      Sonnenberg hielt seine so heftig erwachte Leidenschaft aber ganz und gar nicht für eine Jugendeselei, trotzdem dieser Zustand chronisch bei ihm war. Denn ehe Rose »an der Bildfläche auftauchte«, wie er ihr Erscheinen in Eichberg technisch bezeichnete, hatte er für Frau von Willmer geschwärmt und all seinen Frauengestalten schwarze Perücken gemalt.

      »Nein, welches Idyll,« tönte jetzt eine spöttische Stimme vom Walde her.

      Die beiden Ruhenden fuhren aus ihrer bequemen Stellung empor, denn am Waldrande stand die erwartete Gesellschaft, gefolgt von dienstbaren Geistern, mit geheimnisvoll verdeckten Körben und leichten Feldstühlen beladen. Auch Frau van der Lohe hatte sich der Partie angeschlossen, hatte am Arm ihres Sohnes den schattigen Weg zu Fuß zurückgelegt und sank nun ermüdet auf einen Feldstuhl nieder. Die anderen tummelten sich, um den Dienern zu helfen, ein Tischtuch auszubreiten, darauf die mitgenommenen Vorräte aufzustellen und den Waldmeister zum Maitrank zu pflücken, bis der Kaffee aus dem Försterhause gebracht wurde.

      Rose hatte auf Carolas und des Professors Zureden ihr schwarzes Kleid der Sommerhitze wegen abgelegt, da sie zu den vernünftigen Menschen gehörte, die nicht an Äußerlichkeiten hängen, sondern die Trauer im Herzen tragen. Sie hatte ein einfaches, weißes Kleid und einen weißen Strohhut angelegt und sah darin viel reizender aus als Olga von Willmer, deren elegante fliederfarbene Mousselinschleppe auf dem Waldboden entschieden unangebracht war.

      Bald saß man um den gedeckten Tisch zur ebenen Erde in bunter Reihe herum, und unter heiteren Gesprächen tat man der Mahlzeit alle Ehre an.

      »Ja so, beinahe hätte ich es vergessen, – die Post brachte Briefe für Sie, Hahn,« rief van der Lohe, indem er die Schreiben hervorzog und dem Attaché überreichte, der mit einer um Erlaubnis bittenden Gebärde den einen davon gleich öffnete.

      »Hoffentlich sind es gute Nachrichten, lieber Baron,« meinte Frau van der Lohe liebenswürdig.

      »Leider nicht, gnädigste Frau,« erwiderte er ernst. »Man zeigt mir den Tod eines Oheims meiner seligen Mutter an; ich habe den alten Herrn nur als Kind einmal gesehen und bekenne daher offen, daß auch von Trauer keine Rede bei mir sein kann.«

      »Offenes Geständnis einer schönen Seele,« murmelte Carola, während Hahn den zweiten Brief öffnete. »Eine Kreppbinde werden Sie sich aus Anstand aber doch leisten müssen.«

      »Ich bin kein Heuchler,« erwiderte Hahn achselzuckend, indem er das Blatt entfaltete. Im nächsten Augenblick entschlüpfte ein leiser Ausruf seinen Lippen, und sein Auge überflog aufleuchtend den Kreis.

      »In diesem Schreiben,« sagte er mit unverhehlter Genugtuung, »meldet mir der Sachwalter des seligen Großonkels, daß der alte Herr mich zum alleinigen Erben seines beträchtlichen Vermögens eingesetzt hat.«

      »Es kommt darauf an, was der Sachwalter ein ›beträchtliches‹ Vermögen nennt,« meinte Carola nach der allgemeinen Beglückwünschung des lachenden Erben.

      »Zum Rotschild macht es mich nicht,« erwiderte Hahn, die Briefe einsteckend, »aber es ist ein hübsches Sümmchen, das mir erlauben würde, eine Frau ohne Vermögen zu heiraten, sollte sie auch ihre Ansprüche hoch schrauben.«

      Er sah Olga bei dieser Andeutung zwar nicht an, aber er wußte, daß sie die Farbe wechselte und die Augen niederschlug.

      »Hm! Unter diesen Umständen werden Sie natürlich die Kreppfabrikanten doch in Nahrung setzen, Baron?« konnte sich Carola nicht enthalten zu bemerken.

      Der junge Diplomat fand es für angemessen, die Frage des kleinen Fräuleins zu überhören. Er fühlte sich mit einemmal sehr gehoben und als einen Mann, der nun eine andere Sprache reden konnte als vorher der mittellose Attaché, der sich nach einer »guten Partie« umsehen mußte, um in seinem Berufe vorwärts zu kommen, und während er sich eine Zigarette anzündete, sah er sich schon als Gesandten, Botschafter, Minister – kurz, seine Luftschlösser stiegen zu schwindelnder Höhe empor.

      »Nein, mein verehrter Herr Krösus, jetzt wird nicht geraucht, sondern Erdbeeren gesucht,« rief Carola lachend. »Also nur keine Müdigkeit vorgeschützt! Heideröslein, wo sind die Körbchen?«

      Rose holte kleine Körbchen, die mitgebracht worden waren, herbei und legte sie sorgfältig mit grünen Blättern aus. Jeder der Anwesenden erhielt eins, und nun verteilte man sich in den Wald, Sonnenberg an Roses Fersen geheftet. Professor Körner empfand ein menschliches Rühren mit der armen Belästigten und rief den Maler an, was Rose benutzte, um schnell entgegengesetzt in den Wald zu schlüpfen. Sofort war aber hier Baron Hahn an ihrer Seite.

      »Gestatten Sie mir den Vorzug, Sie begleiten zu dürfen,« sagte er beflissen.

      »Ich habe hier nichts zu gestatten,« erwiderte Rose, »der Wald ist ja frei für jedermann.«

      »Stets kühl bis ans Herz hinan, Heideröslein,« lächelte er.

      »Herr Baron, ich erinnere mich nicht, Ihnen die Erlaubnis gegeben zu haben, mich so zu nennen,« sagte sie ernst.

      »Verzeihung, – Ihre reizende Persönlichkeit fordert den holden Namen geradezu heraus,« entgegnete er galant.

      »Auch zu groben Schmeicheleien?« gab sie scharf zurück.

      Der Attaché machte eine Bewegung der Ungeduld.

      »Sie machen dem Namen ›Heideröslein‹ alle Ehre, besonders in bezug auf die Dornen.«

      »Das