Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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wie sie zu Hunderten draußen im Walde und Feld wachsen –«

      »Das ist meine Sache,« entgegnete van der Lohe lächelnd, »ich möchte ja nur wissen, ob dieses wilde Heideröslein mich in der Heimat erwarten will.«

      Sie öffnete die Lippen, um zu sprechen, aber das Wort wollte nicht heraus vor innerer Bewegung. Sie nickte nur und reichte ihm ihre Hand, die er ergriff und fest drückte.

      »Ich danke Ihnen, Heideröslein,« flüsterte er, »sehen Sie, wie die Sonnenstrahlen mehr und mehr durch die Wolken brechen? Das soll mir eine gute Vorbedeutung sein. Zentifolien? Was sind sie gegen mein frisches, liebliches Röslein auf der Heide? Und wenn ich zurückkehre, dann gehen wir in Ihre Heimat, Rose, zum Grabe im Friedhof am Wald, und dort will ich mir das Heideröslein holen und es ins Haus van der Lohe verpflanzen.«

      In diesem Augenblick ging die Tür der Werkstatt auf, und als er sich umsah, fand er Olga von Willmer vor sich stehen. Ob sie es gesehen, wie er eben Roses Hand losgelassen?

      »Welch heilige Stille,« rief sie, »ich glaubte schon, es sei niemand hier. Es sieht fast aus, als hättet ihr gefürchtet, daß die Wände Ohren haben, und darum so leise gesprochen.«

      »Als ob man immer wie eine Elster schwatzen müßte,« erwiderte Carola lachend, »wir machten gerade eine Kunstpause. Jeder Gesprächsstoff erschöpft sich endlich, folglich auch Professor Körners Meinung über guten und schlechten Ton und Jos botanische Belehrungen.«

      Dabei schossen Carolas Augen einen so mutwilligen Blick nach dem Fenster, daß van der Lohe lachen mußte.

      »So?« machte Olga gedehnt.

      »Ich interessiere mich auch sehr für Botanik, – was war der Gegenstand deiner Belehrung?«

      »Das Versetzen von Rosen,« konnte sich Carola nicht enthalten zu antworten.

      »Sehr interessant,« meinte Olga mißtrauisch. »Oh, eh' ich's vergesse, – Fräulein Eckhardt, meine Tante fragte nach Ihnen.«

      Rose wandte sich sofort der Tür zu, wurde aber von Carola zurückgehalten.

      »Das ist nicht möglich,« behauptete sie. »Tante hat Heideröslein ausdrücklich beurlaubt, – aber so hören Sie doch,« rief sie der davoneilenden Rose nach, die froh war, sich entfernen zu können.

      Es hatte ganz aufgehört zu regnen; die Sonne hatte den Sieg davongetragen über die schweren grauen Regenwolken, nur im Grase und in den Blättern der Bäume glänzte es noch von Millionen demantfunkelnder Tropfen. Aber Rose sah nicht die Pracht, – sie wußte nur, daß die Welt schön, sie selbst aber unbeschreiblich glücklich war.

      Nachdem sie die Werkstatt verlassen, trat van der Lohe auf Körner zu.

      »Ich habe noch viel zu tun vor meiner Abreise,« sagte er, »ich muß mich also jetzt schon bei Ihnen beurlauben. Meine Mutter wird mich bei meinen anderen Gästen entschuldigen.«

      »Wie, ist deine Abreise schon so nahe bevorstehend?« rief Olga aufhorchend.

      »Ich reise in zwei Stunden.«

      »Uns das erst jetzt zu sagen!« schmollte sie.

      »Wenn du die Güte gehabt hättest, mich selbst eher davon zu unterrichten, so hätte ich's dir auch eher sagen können,« entgegnete er, wider Willen bis zur Unhöflichkeit gereizt.

      »Ich möchte wissen, ob du Fräulein Eckhardt ebenso bärbeißig antworten würdest,« gab sie unbedacht zurück.

      »Wahrscheinlich nicht,« entgegnete er aufrichtig.

      Auf Olgas weißer Stirn schwoll eine blaue Ader an – Carola pflegte diese Eigentümlichkeit »die Aufforderung zum Tanz« zu nennen. Aber Frau von Willmer konnte sich auch beherrschen, wenn es nötig war; hinter den Kulissen ihrer eigenen vier Wände hätte die Wange ihres Kammermädchens oder irgendein Buch, eins ihrer Nippes daran glauben müssen.

      »Wie aufrichtig!« lachte sie mit gut gespieltem Gleichmut.

      »Unter Verwandten die größte Tugend, Olga!« versicherte er schmunzelnd.

      »Leben Sie wohl, Körner!«

      »Glückliche Fahrt!« rief der Bildhauer mit herzlichem Händedruck.

      Van der Lohe verließ die Werkstatt, gefolgt von Olga, die sich mit kindlicher Vertraulichkeit an seinen Arm hängte.

      »Jo – mein lieber Jo!« flüsterte sie ihm zu.

      »Willst du was von mir?« fragte er prosaisch.

      »Jo, du brichst mir das Herz,« schluchzte sie und brachte es wirklich zuwege, ein paar Tränen über ihre Wangen fließen zu lassen.

      »Na, in der Naturgeschichte scheinst du gut bewandert zu sein,« sagte er nicht ohne Humor, »wenigstens zeugen diese Perlen, gemeinhin Krokodilstränen genannt, von tiefem Studium. Ich ahne nicht, wie man's macht.«

      Sie riß ihren Arm mit heftigem Ruck aus dem seinigen.

      »Jo – du bist abscheulich!« rief sie, blaß vor Wut, und da er keine Notiz davon nahm, so beherrschte sie sich noch einmal, strich sich mit der Hand über ihr schwarzes Haar, über die klassisch niedere Stirn und lachte neckisch.

      »Sind wir nicht sonderbare Menschenkinder?« rief sie. »Wir sagen einander Unhöflichkeiten, wie es eben nur Verwandte unter sich zuwege bringen. Nicht wahr, lieber, böser Lohengrin, es ist zum Lachen!«

      Van der Lohe blickte sie an, und wie er in ihre samtschwarzen, unergründlichen, sanften und doch so flammenden Augen sah, da ergriff ihn ein unüberwindlicher Ekel.

      »Ich bin kein Maurus Magyar!« sagte er hart.

      Olga zuckte zusammen wie unter einem Peitschenschlage; blaß bis an die Lippen, blieb sie wie angewurzelt stehen.

      Van der Lohe empfand im Augenblick etwas wie Reue, aber dieses Gefühl verschwand so schnell, wie es gekommen, und er sagte trocken: »Ich hoffe, es ist jetzt klar zwischen uns.«

      Olga nickte nur, – sie war noch jenseits ihrer sonst so bereiten Worte.

      »Es ist besser so,« fuhr er kalt fort, »denn je eher dein – sagen wir, Irrtum berichtigt wird, desto besser. Geschah dies in schroffer Weise, so bedenke, daß du mich dazu genötigt hast!«

      So gingen sie auseinander; sie blieb stehen, wo sie war, während er dem Hause zuging, vor dem ihm Rose begegnete.

      »Kann ich Sie noch einmal sprechen?« fragte er stehenbleibend.

      »Ich weiß nicht –« stammelte sie verwirrt.

      »Ich sage jetzt meiner Mutter Lebewohl und beabsichtige, den Weg zur Bahn zu Fuß zu gehen, durch den Wald! Sie kennen ihn ja. Ich habe Ihnen noch Wichtiges zu sagen, Rose, wollen Sie mich am Kreuzweg erwarten?«

      Sie sah zu ihm auf, sah in seine ehrlichen Augen und sagte leise »ja«.

      Dann schritt sie den breiten Kiesweg hinab zum See, an dem entlang der Fußweg zur Haltestelle ging und sich hinter der spiegelglatten Fläche im Walde verlor. Sie mußte an Frau von Willmer vorüber, die immer noch an derselben Stelle stand. Unentschlossen blieb sie vor ihr stehen, doch da Olga sie gar nicht zu beachten schien, ging sie weiter ihres Weges, beherrscht von dem einen Wunsche, keinem Menschen zu begegnen; nicht nur, weil sie fürchten mußte, dadurch ihre Verabredung nicht einhalten zu können, sondern auch, weil sie das Bedürfnis nach Einsamkeit hatte. Mit ihren Gedanken beschäftigt, hatte sie den Kreuzweg eher erreicht, als sie's gedacht. Hier setzte sie sich auf einen Stein und erwartete mit klopfendem Herzen die Ankunft van der Lohes.

      Nicht lange, dann hörte sie seine Schritte auf dem Waldwege, und ehe sie emporfahren konnte von ihrem Sitz, stand er schon vor ihr.

      »Rose, ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind,« sagte er herzlich, »ich möchte Sie nämlich bitten, unser Geheimnis zu bewahren, bis ich zurückkomme.«

      »Gewiß,« erwiderte Rose, »das versteht sich doch von selbst.«

      »Dann wollte