Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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      »So?« sagte er sehr ruhig. »Nun, dann hast du entweder mehr herausgehört, als ich gesagt habe, oder ich habe mich sehr unvorsichtig ausgedrückt. Das ist zwar in solchen Angelegenheiten, die eines Menschen heikle Seite berühren, sonst nicht mein Fehler, aber mir eine Warnung zur Vorsicht –«

      »Ja, ja!« rief Sigrid, hell auflachend. »Wie singt Basilio im Barbier von Sevilla? Die Verleumdung, sie ist ein Lüftchen –«

      »Das Zitat stimmt nicht, Sigrid«, unterbrach sie der Fürst der die Geduld zu verlieren begann. »Ich habe Spini durchaus nicht verleumdet – das ist ein Geschäft, das ich bisher immer neidlos den Klatschbasen überlassen habe. Außerdem habe ich gar kein Interesse daran, ihm zu schaden!«

      »Das tust du aber, wenn du nicht sagst, um was es sich handelt!« rief Sigrid mit Halsstarrigkeit.

      »In wessen Augen? In den deinen?« fragte er scharf. »Oder in denen meiner Schwester? Bei letzterer habe ich wohl das Recht, sie aufmerksam zu machen, aber da dir der Cavaliere seine Anbetung zu Füßen legt und nicht meiner Nichte, so ist wohl das offene Wort, daß mir ein anderer Schwager lieber wäre, auch kaum müßig angewendet!«

      »Ah«, sagte Sigrid, ernst werdend, »jetzt tritt unser Gespräch in eine ganz andere Phase. Gesetzt also, ich wollte Spini meine Hand reichen –«

      »So würde ich kraft meines Amtes als dein Vormund die dir zugedachte Ehre ablehnen«, vollendete Hochwald. »Aber du wirst nächstes Jahr mündig und bist dann deine eigene Herrin.«

      »Ja, die Wartezeit würde keine lange sein«, meinte Sigrid ironisch, aber durchaus ruhig. »Meinst du aber nicht, daß ich erfahren müßte, warum Signore Spini dir nicht als Schwager, oder präziser ausgedrückt, mir als Gatte nicht annehmbar ist?!«

      Hochwald antwortete nicht gleich. »Sprichst du pro domo oder nur gesetzten Falles?« fragte er dann.

      »Chi lo sa?« machte sie lächelnd.

      »So! Wenn du also damit ausdrücken willst, daß der Cavaliere in der Tat unter dem Vorwande der armen Sascha von dir hierhergebracht worden ist, um sich mit dir zu verloben, so schreibst du ihm besser morgen, daß die Luft hier ungesund ist. Die Posttasche wird um zehn Uhr geholt.«

      Nun lachte Sigrid hell auf – sehr lustig, aber ein kundigeres Ohr hätte es doch als ein Theaterlachen erkannt, so sehr es auch »erster Klasse« war.

      »Wenn ich mich mit dem Cavaliere hätte verheiraten wollen, so hätte ich das schon vor zwei Jahren in Rom haben können«, sagte sie höchst belustigt.

      »Deines Vaters Einwilligung vorausgesetzt«, war Hochwalds trockene Antwort, über die sie nur noch ärger lachte.

      »Vielleicht hat Papa das Geheimnis des Cavaliere nicht gekannt«, meinte sie neckend, doch der Fürst zuckte hierzu nur mit den Achseln; da die anderen jetzt herantraten, hatte das Gespräch sowieso ein Ende.

      Man trennte sich bald darauf auch für die Nacht; da es aber noch nicht spät war, so begleitete Iris ihre Schwester auf deren Zimmer, das sie mit jenen tausend Dingen ausgestattet hatte, an die eben nur die Liebe denkt zur Freude und Bequemlichkeit des Gastes.

      »Komm, Schatz, heut bürste ich wieder einmal dein Haar wie in den alten Zeiten«, sagte sie herzlich, und bald saß Sigrid im weißen Pudermantel vor dem Spiegel, das goldene Haar lang aufgelöst, hinter sich Iris mit der Elfenbeinbürste.

      »Wer mir das an meiner Wiege gesungen hätte, daß eine Fürstin dereinst Kammerjungferndienste bei mir versehen würde«, sagte sie lachend, aber Iris hörte doch das Herbe im Scherze heraus.

      Sie schlang ihre beiden Arme um den Hals der Schwester und küßte leis deren zarte Wange.

      »Nicht wahr, Sigrid, jetzt steht nichts mehr zwischen dir und mir?« fragte sie herzlich.

      »Was sollte denn zwischen uns stehen?« erwiderte Sigrid nachlässig, aber ihren Kopf aus den weichen Armen befreiend.

      »Wenn ich das wüßte – ein namenloses Etwas, das mich oft recht elend gemacht hat«, antwortete die junge Frau. »Ich habe mich oft gefragt, ob ich's verschuldet haben könnte, aber ich weiß nicht darauf zu antworten –«

      »Du sprichst in Rätseln, Iris«, unterbrach sie Sigrid ohne Lachen, aber auch ohne Herzlichkeit im Ton.

      »Nun, wir wollen das Vergangene ruhen lassen«, sagte die Fürstin warm. »Aber sei versichert, ich habe mir nichts vorzuwerfen. Daß ich dich nicht in meine Gefühle für Marcell gleich einweihte? Sigrid, das hättest du im gleichen Falle auch nicht über die Lippen gebracht.«

      »Rätsel, Iris, Rätsel!« rief Sigrid mit forcierter Lustigkeit. »Sag mir lieber, was du und Marcell gegen Spini habt?«

      »Oh – wohl nichts Besonderes«, meinte Iris zerstreut.

      »Doch – Marcell tat aber, als wenn's etwas Besonderes wäre«, verfolgte Sigrid ihr Thema.

      »Dann wird Marcell auch seine Gründe haben, Sigrid. Ich kenne sie nicht!«

      »Ach, bitte, dann frag ihn und erzähle mir's, ja? Bitte, Bitte! Ich möchte zu gern eine Kandare für meinen Courmacher haben, weißt du – das gäbe einen famosen Ulk!«

      »Pfui, Sigrid! Wie kannst du einen Menschen, der es offenbar ernstlich mit seiner Zuneigung meint, so grausam quälen, da es dir doch nicht einfällt, ihn zu heiraten«, sagte Iris mit sanftem Vorwurf.

      »Da er Sascha heiraten soll, bleibt's ja in der Familie«, war die frivole Erwiderung. Iris stieg das Blut höher in die Wangen, aber sie schwieg und bürstete sorgsam das lange, goldene Haar, das mit seinen Spitzen fast den Boden berührte. Nach einer Weile begann sie wieder, mit der alten Herzlichkeit zu reden.

      »Ich bin nämlich mit meinen Vorwürfen noch nicht fertig«, sagte sie, »obgleich ›Vorwürfe‹ wohl nicht das rechte Wort ist.

      »Ich meine, deine Verstimmung gegen mich muß doch sehr, sehr tief gewesen sein, daß du mir nicht einmal geschrieben hast in dieser ganzen langen Zeit!«

      »Nicht geschrieben?« rief Sigrid entsetzt. »Ich habe dir zum Geburtstag, zu Neujahr und zum Baby gratuliert! Das ist mehr, als ich in meiner Schreibfaulheit von mir selbst erwartet habe.«

      »Oh, Sigrid«, sagte Iris sanft, »nennst du die paar konventionellen Phrasen, die ich von dir erhalten habe, Briefe? Aber ich habe mich nicht davon abschrecken lassen, sondern geglaubt, durch doppelten, eigenen Eifer dich zu besiegen. Es war umsonst.«

      Sigrid, die bisher geradeaus in den Spiegel geblickt, schlug jetzt die Augen nieder.

      »Ich kann keine Briefe schreiben«, sagte sie unsicher. »Alles, was dabei über den gewöhnlichen Bericht hinausgeht, alles, was das eigene Empfinden berührt, sieht auf dem Papiere so schrecklich steif und gedrechselt und lächerlich aus. Ich bringe es nicht über mich.«

      Iris schwieg. Sie legte die Bürste auf den Toilettentisch, flocht das schimmernde Goldhaar der Schwester ein und strich noch einmal leicht mit der Hand darüber. Dann sagte sie: »Wir wollen auch darüber nicht rechten, Sigrid. Ich hatte nur gemeint, es müßte dir wohltun, mit mir, wenn auch nur durch die Feder, von dem lieben Toten reden zu können, der uns so plötzlich entrissen wurde – von unserem Vater. Ich zweifle nicht an Olgas und Saschas Teilnahme für uns, aber sie haben ihn doch nicht so gekannt wie wir, sie können die Tiefe unsere Trauer um ihn nicht ermessen. Ich meine, dieses Thema hätte dich beredt machen müssen.«

      Sigrid stand auf und reichte Iris die Hand – sie schien bewegt.

      »Ich bin keine der Aussprache bedürftige Natur, du weißt es. Ich verarbeite alles allein in mir – Trauer, Schmerz und Freude. Das habe ich von unserer Mutter, nur, daß diese Verschlossenheit bei ihr niemand verletzte, sondern wie eine zarte Rücksicht auf andere wirkte. Ich bin eben anders geschaffen – herb, hart. Und doch hab' ich auch ein Herz, aber ein Herz, das nach Rache schreit, wenn es getreten wird –.« Sie hielt ein, erschrocken darüber, daß sie schon so viel gesagt, was ihr Inneres verraten konnte. Sie senkte das Auge vor Iris' klarem Blick und fuhr dann fort: »Ich habe