Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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      »Ich denke, wir reiten, Iris!«

      »O charmant! Also auf Wiedersehen!«

      Und hinaus flog sie, die weiße, schlanke Lichtgestalt, und Hochwald hörte ihre helle Stimme noch durch die Halle trällern. – –

      »Also doch«, sagte er, am Schreibtisch stehend, verloren in tiefes Sinnen. »Also doch! Aber ich gebe nicht nach – ihr junges Leben soll und darf dieser Schatten nicht trüben und vergiften und es vielleicht in den Staub treten für immer. Und solange ich da bin, über ihr zu wachen, solange werde ich auch für ihre Ruhe und für den Frieden ihrer Seele kämpfen!«

      Kaum eine Woche nach jenem Julimorgen auf Hochwald, an einem schönen, sonnenlichtgetränkten Nachmittage, fuhren vor dem Schloßportale, in dem Marcell und Iris Hochwald zur Begrüßung standen, zwei Equipagen vor, in denen Madame Chrysopras mit Sascha und Sigrid, sowie der neugefürstete Boris mit seiner Gemahlin von der Bahnstation abgeholt worden waren. Das gab ein lautes, fröhliches Begrüßen, ein Umarmen, ein Fragen – denn die Familie Chrysopras war trotz aller Oberflächlichkeit doch warmherzig und voll Familiensinnes, Sascha strahlte förmlich vor Freude, bei den von ihr so sehr geliebten Menschen sein zu dürfen, und Boris versicherte im großartigsten Slang, den sein wahrhaft verblüffendes Reisekostüm lebhaft illustrierte, daß er sich »scheußlich« auf diesen Besuch gefreut habe. Fürstin Fuxia Ukatschin-Chrysopras geborene Miß Grant, die sich so leicht nicht von etwas imponieren ließ, kam aus ihren: »O, very splendid, very grand, indeed«, gar nicht heraus – die Arme hatte eben einen Jahrhunderte alten, in einer Familie gebliebenen Edelmannslandsitz noch nicht gesehen und hatte nun doch die vage Idee, daß solch ein ererbtes Heim mehr wert sei als alle modernen Millionärssitze in der Neuen Welt zusammen.

      Und Sigrid? Sigrid war lebhaft, lachte, scherzte, fragte, staunte über klein Siegfrieds rosige Fäustchen und blaue Augen – sie hatte Iris beim Ankommen auch umarmt und dem Fürsten mit einem Scherz die Hand gedrückt, aber Madame Chrysopras hatte recht in ihrem Briefe: sie war verändert. Sie, die Ruhige, Zurückhaltende, ergriff jetzt überall das Wort, nahm jedes Wortgefecht auf; – Iris hatte am ersten Abende ein gewisses Gefühl der Betäubung in Sigrid Gesellschaft – ein Gefühl der Betäubung, in das sich etwas wie Ärger mischte und schmerzlichste Enttäuschung. Was in aller Welt konnte Sigrid ihr so entfremdet haben? Aber sie würde sie gehörig ins Gebet nehmen, Sie mußte beichten – und dann, dann mußte der Schatten weichen.

      Während Iris mehr ihre Schwester beobachtete, betrachtete Marcell Hochwald das junge Ehepaar und verglich im Geiste seine eigenen mit diesen Flitterwochen. Er konnte sich beim besten Willen nicht zugestehen, daß er auch nur für eine Stunde lang solch ein Hampelmann in der Hand seiner Frau gewesen wäre wie der gute Boris, der sich in einer unausgesetzten Hetzjagd um die ausgesprochenen und unausgesprochenen Wünsche seiner Frau befand und wie ein Zinshahn zwischen ihr und den von ihr mit Blick und Wort begehrten Dingen herumsprang. Der Vergleich, den der Fürst zwischen Fuxia und Iris anstellte, fiel daher nicht sehr vorteilhaft für erstere aus.

      Madame Chrysopras fühlte sich von der Eisenbahnfahrt und der Hitze in den Coupés sehr angegriffen.

      »Macht, was ihr wollt, ich gehe schlafen«, erklärte sie nach dem Souper mit gewohnter Energie. »Morgen ist auch noch ein Tag. Apropos, wann kommt denn der Cavaliere?«

      »Übermorgen«, erwiderte Hochwald etwas kurz und konnte sich's nicht versagen, hinzuzusetzen: »Nachdem du ihn so höflich eingeladen, Olga!«

      Madame Chrysopras machte ihre halbschlafenden Augen noch einmal weit auf, sah erst nach der Gruppe am anderen Ende des Salons hinunter, in der Sascha sich befand, dann auf Sigrid, die in einem Kasten mit Photographien kramte, und zuletzt auf ihren Bruder.

      »Ja, ist dir denn sein Besuch nicht recht, Marcell?« fragte sie erstaunt.

      »Recht?« fragte er zurück. »Liebe Olga, wenn er dir auch als Schwiegersohn wünschenswert ist –« er brach ab.

      »So braucht er dir doch immer noch nicht als Gast wünschenswert zu sein«, vollendete Madame Chrysopras. »Das wolltest du doch sagen, wie? Ja, aber, liebes Herz, warum hast du denn das nicht gleich geschrieben? Wir haben ihn in Florenz als täglichen Gast!« sie zuckte mit den Achseln.

      »Aber Olga, du schreibst, daß die Einladung auf Sigrids Vorschlag geschehen«, erwiderte Hochwald lachend und ohne Schärfe. »Wär's da nicht eine maßlose Unhöflichkeit gegen den Mann gewesen, ihm nicht umgehend die Einladung zu schicken, auf die er nach deiner Angabe schon wartete?«

      »Natürlich!« gab Madame Chrysopras zu. »Es war mir eigentlich nie aufgefallen, daß Spini dir unangenehm war!«

      »Nein, das ist auch nicht der Fall, liebe Olga«, sagte der Fürst wie vorher, ohne Schärfe. »Aber offen gesagt – es lag mir nicht viel daran, ihn bei uns zu haben; man ist niemals unter sich, und Iris mag ihn, glaub' ich, auch nicht sonderlich gern. Er ist ein gewandter Mensch, vielseitig gebildet, das ist wahr, aber doch stark auf der Grenze des Abenteurertums. Frauen sehen darin nicht so tief wie wir Männer, weil wir mehr Gelegenheit haben, hinter die Kulissen zu blicken, und ich habe Spini leider etwas tief in die seinigen geschaut – unfreiwillig zwar, aber der Blick hat mir genügt. Doch es ist nun nicht mehr zu ändern, daß er kommt, also machen wir gute Miene zum bösen Spiel!«

      »Tun wir das«, erwiderte Madame Chrysopras. »Aber es tut mir leid, dir einen unwillkommenen Gast aufgedrängt zu haben, Marcell! Ich wäre auch wirklich nie auf diesen Gedanken verfallen, wenn Sigrid mir nicht so klargemacht hätte, daß dieser Besuch eine Chance für Sascha sei, wie sie sich nie wieder biete. Und da Sascha nun leider einmal äußerlich so sehr ihrem seligen Vater ähnlich ist – –«

      »Ja, Sigrid ist rührend in ihrer Freundschaft«, unterbrach Hochwald das alte Klagelied seiner Schwester über die Häßlichkeit des seligen Chrysopras so ironisch, als seine Herzensgüte es überhaupt erlaubte. Sigrid aber kramte weiter unter ihren Photographien, lächelnd und ohne sich in das dicht neben ihr stattfindende Gespräch zu mischen – sie ließ Madame Chrysopras sich erst zurückziehen, und als Hochwald dann in den Salon zurückkehrte, rief sie ihn mit einer Frage über eines der Bilder an ihre Seite.

      »Ich wollte Tante Olga vorhin nicht widersprechen«, sagte sie dann etwas unvermittelt, »aber du kennst sie ja besser als ich und weißt, wie sie ein halb im Scherz und halb ohne jede Bedeutung gesprochenes Wort oft gleich mit Energie und Enthusiasmus aufgreift. Das ist also meine ganze Schuld an der Einladung des Cavaliere.«

      »Oh, lassen wir doch dieses Thema – es ist erledigt, wirklich«, erwiderte Hochwald ohne Rückhalt. »Er kommt – und damit ist jede weitere Erörterung ohne Zweck und soll uns den Frieden nicht stören.«

      »Ja, aber wenn du so starke Gründe gegen ihn hast –«, meinte Sigrid, ihrem Schwager voll und prüfend ins Antlitz sehend.

      »Nun, vielleicht ist über diese auch zu streiten.«

      »Streiten wir«, sagte sie lachend. »Also heraus damit, Herr Schwager!«

      »Heraus? Womit?«

      »Nun, mit deinen Gründen gegen den Cavaliere – Pardon, den Marchese Spini.«

      Fürst Hochwald stand wieder von dem Sessel auf, in den er sich gesetzt.

      »Pardon, auch meinerseits, Sigrid«, sagte er, »ich habe das Geheimnis Spinis bisher respektiert und werde es jetzt nicht preisgeben, wo er als mein Gast unter mein Dach kommt! Du begreifst das, nicht wahr?«

      »Es kommt darauf an«, erwiderte sie, zurückgebogenen Kopfes, mit jener Dosis von Widerspruchsgeist, der hübsche junge Damen manchmal sehr pikant macht. »Es kommt immer auf das ›Wie‹ an, Marcell! Erstens, das Wort Geheimnis an und für sich ist schon so wundervoll provozierend –«

      »Warum?« unterbrach er sie. »Wenn du zum Beispiel falsche Zähne hast oder falsche Haare, ohne daß es ein Mensch merkt, so ist das dein Geheimnis, das aber für mich absolut nichts Provozierendes hat.«

      »Falsche Zähne und Haare sind aber auch nichts Ehrenrühriges, Düsteres oder Gemeingefährliches!« behauptete sie, Hochwald immer scharf ansehend.

      »Ja,