Doch nun von etwas anderem. Vor acht Tagen hat also, wie Du weißt, in der russischen Kapelle der Villa Demidoff die Vermählung von Boris mit Fuxia Grant stattgefunden. Alles verlief sehr prächtig und würdevoll. Als Vertreter der Familie der Braut war niemand da, da sie Gott sei Dank ja leider Waise und ein einziges Kind ist, aber sie hatte ein paar hier anwesende, resp. auf der Durchreise begriffene amerikanische Freundinnen als bridesmaids, die in weißen Spitzen und rosa Atlas erschienen mit Riesen-Gainsborough-Hüten, was fremdartig, aber hübsch aussah. Fuxia sah wundervoll aus, ihre Toilette war einer Kaiserbraut würdig an Kostbarkeit. Die Kronen wurden während der Trauung von zwei jungen vornehmen Russen, Boris' Freunden, über den Köpfen des Brautpaares gehalten. Kurz, die Hochzeit war ein unbestreitbarer Erfolg! Nach dem Frühstück reiste das junge Paar nach Rom ab, wo Fuxia dem Corps diplomatique und bei Hofe vorgestellt werden soll – ich aber erhole mich von den Strapazen, denn wenn auch Tatiana Ukatschin Brautmutter spielte, so lag doch alles auf mir, alles! Zwar ihren Trousseau hat Fuxia in Paris machen lassen – die Zaritza kann ihrer Tochter keinen reicheren, kostbareren bestellen und schenken. Aber es war doch recht anstrengend, Fuxia bei aller Welt einzuführen und vorzustellen – enfin, ihr ein wenig europäisches savoir vivre nach dem Kodex der upper ten thousand beizubringen. Sie ist manchmal so schrecklich taktlos und – ungewöhnlich, weißt Du! Jetzt gilt's ja noch für originell, aber später – nun, ich hoffe, es schleift sich ab, und Boris' guter Einfluß wird ihr die Yankee-Manieren schon abgewöhnen. Doch was ich eigentlich sagen wollte – Boris wollte Euch seine junge Frau gern vorstellen und wird mit ihr, mit Eurer Erlaubnis, gleichzeitig mit uns in Hochwald eintreffen. Die Reise zu Euch wollen sie als ihren weddingtrip betrachten – was sie dann für Pläne haben, hängt davon ab, ob Boris nach Petersburg zurückberufen wird oder in Rom bleibt.
Und nun noch eine Neuigkeit: Der Cavaliere Spini hat richtig sein Marquisat geerbt in der Maremma! Aber ich glaube, das ist ein Titel ohne Mittel, doch ist er gestern nach Rom gereist, da die Regierung das Land ankaufen will. Man sagt, viel wird er für den elenden Malariasumpf nicht bekommen, aber er will wenigstens den an der Besitzung hängenden Titel herausbekommen bei dem Verkauf. Weißt Du was Marcell? Du könntest ihn eigentlich auch nach Hochwald einladen! Die arme Sascha hat nun einmal diese stille Neigung – über den Geschmack läßt sich nicht streiten – und am Ende hält er doch noch um sie an. Den Titel wird er schon noch herausschlagen, und wenn er auch sonst nicht viel hat, mit Saschas Vermögen können Sie sehr bequem leben, und dann – häßliche Mädchen haben nun einmal wenig Chancen, und die arme Sascha gleicht ja leider nur zu sehr dem guten, seligen Chrysopras! Die Idee mit Spinis Einladung stammt übrigens nicht von mir – Sigrid hat mir die Sache plausibel gemacht und ich finde, sie hat recht. Also wirst Du ihn einladen, Marcell? Ja? Es wäre reizend von Dir, und um die Wahrheit zu gestehen, ich habe Spini schon in Deinem Namen eingeladen, aber diese Italiener sind stolzer als ein spanischer Hidalgo, selbst wenn sie arm sind wie die Kirchenmäuse, und ohne eine spezielle Einladung von Dir selbst käme er nicht – Also Bitte! – –
Doch nun zum Schluß, der kurz sein soll. Mit vielen Grüßen von Sigrid und Sascha an Iris und Dich, verbleibe ich toujours Deine treue Schwester
Olga Chrysopras.
PS. Einen Kuß á son Altesse le Prince héréditaire.
PS. Nr.2 Iris schreibt vielleicht an Fuxia eine Zeile wegen ihres Hinkommens nach Hochwald, ja?
PS. Nr.3 Spinis Adresse ist: Marchese Spini della Pescaja nella Maremma, Rom, Albergo Costanzi.
PS. Nr.4 Fuxias Adresse ist: A Madame la Princesse d'Ukatschin-Chrysopras, Rome Hôtel de l'Europe, Piazza di Spagna.
Iris ließ nach Verlesung des letzten Postskriptums die veilchengeschmückten, juchtenduftenden Bogen mit der langgezogenen, eleganten Schrift in den Schoß sinken und sah ihren Gatten an.
»Es ist merkwürdig, welches Talent Olga hat, Unruhe zu stiften«, sagte er nach einer Weile seufzend. »Ich fühle mich jetzt schon gehetzt. Doch es ist nicht zu ändern – schreiben wir ein ›Willkommen« nach Florenz. Du übernimmst doch die ›Fürstin Fuxia«, Iris? Und ich den Cavaliere – oh, Olga, warum hast du mir den noch angetan! Wir werden die Ahnenbilder verhängen müssen, Schatz, sonst erleben wir Unerhörtes, wenn sie sehen, wie in diesem feudalen Dynastensitz das amerikanische und italienische Abenteurertum einzieht!«
»Oh, Marcell!«
»Nein, Iris, ich weiß, du kennst mich, und du weißt auch, daß ich den Menschen nach seiner Bildung und nicht nach seiner Geburt schätze. Aber neben der Bildung des Geistes muß auch die des Herzens Hand in Hand gehen, denn was nützt mir ein nach außen gefirnißter Mensch, dessen Charakter nicht ganz tadellos ist. Und das fürcht' ich sehr bei diesen beiden uns aufgenötigten Gästen. Doch du siehst so nachdenklich drein, mein Liebling!«
»Der Brief hier gibt mir zu denken, Marcell«, erwiderte Iris. »Da ist zunächst der Satz über Sigrid, über ihr verändertes Wesen!«
»Sigrid ist – doch nein«, unterbrach sich der Fürst. »Du weißt, Sigrid ist mir nicht sympathisch, aber das darf mich nicht verleiten, ungerecht gegen sie zu sein.«
»Aber sie ist mir ein Rätsel, Marcell«, rief Iris kopfschüttelnd. »Denke dir ein Wesen, das bis zu dem Moment wo du in unser Leben tratest, nur Liebe, Fürsorge und Gedanken hatte für Papa und mich, das mich verhätschelte, verwöhnte und verzog. Und nun plötzlich dieser Umschwung. Wie soll ich das verstehen?«
»Vielleicht löst sie uns selbst noch einmal dieses Rätsel«, erwiderte Hochwald, der von der Lösung wohl nicht weit entfernt war, seine Ideen darüber Iris aber nicht mitteilen mochte. »Der Mensch ist Wandlungen so leicht zugänglich und muß eine Sturm- und Drangperiode seines Lebens wohl einmal durchkämpfen. Vielleicht ist Sigrid gerade in dieser Epoche, die oft einen Wendepunkt bezeichnet. Viele überwinden es rasch oder toben es aus – andere brauchen Zeit, um mit sich selbst fertig zu werden und die Gärung in ihrer Seele zu klären. Es ist wohl am besten, man überläßt Charaktere wie Sigrid sich selbst, bis sie das Bedürfnis fühlen in ihre alten Kreise zurückzutreten. Was nun Olgas Brief betrifft, so gibt er allerdings zu denken – nächst Sigrid über den Fall Boris-Fuxia.«
»Ja«, sagte Iris lebhaft. »Olgas Worte über ihre Schwiegertochter klingen gereizt, findest du nicht auch?«
»Zweifellos, Kleine!« gab der Fürst zu. »Nun, wir werden ja sehen, was faul ist in diesem Staate Dänemark. Hoffentlich etwas, was sich in Ordnung bringen läßt – es täte mir sonst leid um Boris, dem eine recht energische, aber liebevolle Frau not tut. Was die Energie anbelangt, nun, an der fehlt es der ›Miß I reckon aus N'York‹ nicht. Sie hat mit löblicher Konsequenz ihren Willen durchgesetzt. Eine Fürstin zu werden war ja von vornherein ihre Absicht, wie sie einst die Gnade hatte, mir auseinanderzusetzen.«
Iris nickte und nahm den Brief wieder auf. »Es ist noch ein dritter Punkt hier, der mir zu denken