Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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freundlich. »Oh, da ist ja auch der Cavaliere! Ich habe Sie ja gar nicht hereinkommen sehen, Signore! Guten Abend! Nein, und warum hab' ich denn meine Rosen abgelegt?«

      »Die Nadel liegt hier«, meinte Sigrid, auf den Diamantpfeil deutend, und indem sie ging, den grünen Schleier der Lampe mit einem von zartrosa Farbe zu vertauschen, setzte sie hinzu »Du hast wohl Blumen von Marcell erwartet?«

      »Das muß ich aber rein im Traume getan haben«, lachte Iris, die Hand nach der Nadel ausstreckend. »Ich habe keinen Schimmer davon – ah!« unterbrach sie sich mit einem Freudenschrei, denn Ubaldo riß eben die Tür zum Korridor auf und schrie strahlenden Gesichtes mit Stentorstimme: »Sua Altezza il Principe Marcello« eine Manier des Anmeldens, die ihm kein Gott und kein Befehl abgewöhnen konnte. In der linken Hand die Rosen, die Rechte ausgestreckt zum Gruße, so eilte Iris ihrem Verlobten entgegen, ein glückseliges Lächeln auf den Lippen und in den Augen eine Welt von Liebe – Sigrid und Spini aber wechselten unwillkürlich einen Blick, denn Fürst Hochwald trug beim Eintreten in der Hand einen kleinen, als Brustbukett gebundenen Strauß weißer Orchideen – –

      Über diesen wunderbaren Beweis des Hellsehens im Hypnotismus vergaßen sie ganz, ihr Medium zu beobachten, denn Iris war die kurze Strecke bis zur Tür mit merkwürdig schwankenden Schritten gegangen, dort aber ergriff sie die Hand Hochwalds wie jemand, den schwindelt und der eine Stütze sucht – sie schloß die Augen und wäre zu Boden gefallen, hätten die starken Arme ihres Verlobten sie nicht umfaßt und aufgehalten.

      Sigrid holte, heftig erschrocken, eine Flasche Kölnisch Wasser, mit dem sie Iris' Schläfen, Stirn und Hände einrieb, und als sie dann noch das kräftige Aroma dieses köstlichen Erfrischungsmittels eingeatmet hatte, schien sie völlig wieder erholt und nahm nur widerstrebend wieder Platz.

      »Ich bin aber so munter wie ein Fisch im Wasser«, versicherte sie lachend. »Sigrid behauptet nämlich, ich hätte vorhin geschlafen, was natürlich eine Verleumdung ist! Aber meine Glieder waren mir so merkwürdig schwer, als hätte ich Gewichte daran hängen, und im Kopf war mir so – so dumm, wie dem guten alten Wagner im Faust, als ihm das berühmte Mühlrad darin herumging. Jetzt aber ist's wieder ganz klar bei mir im Oberstübchen.«

      Hochwald mußte unwillkürlich lächeln, aber er schüttelte doch noch mit dem Kopfe. Wie kam Iris, seine frische, jugendkräftige Iris zu solch einem Anfalle?

      Ohne weiter zu forschen, ergriff er den Orchideenstrauß, den er beiseite gelegt, und reichte ihn seiner Braut zum »Polterabend«, wie er scherzend meinte.

      »Oh, die wundervollen Blumen – wie weiße Schmetterlinge!« rief Iris entzückt, und dem Fürsten die Rosen reichend die sie immer noch in der Linken hielt, sagte sie mit ihrem süßesten Lächeln, ihrem innigsten Blick: »Nimm dafür meine weißen Rosen, Marcell – weiß ist heut abend und morgen auch deine Farbe!«

      Der Fürst beugte sich herab, die weißen Hände zu küssen, die die köstlichen Blüten reichten, und tiefer beugte er sich herab, als nötig war, um den Zug des Schmerzes zu verbergen, der sein offenes, männlich-schönes Gesicht dabei verzog. Er war kein abergläubischer Mensch, aber er kannte in großen Umrissen die Sage der weißen Rosen von Ravensberg, die einmal am Kamin zur Dämmerstunde erzählt worden war, und die verhängnisvollen Blumen in Iris' Händen am Vorabend ihrer Hochzeit zu sehen, zog ihm trotzdem und alledem das Herz zusammen.

      »Weiße Rosen sind eigentlich keine Brautgabe«, meinte Spini obendrein.

      »Aberglauben!« sagte Sigrid achselzuckend.

      »Natürlich«, bestätigte Iris. »Aber es ist wirklich merkwürdig, wie alle Welt– außer dir, Marcell – sich gegen meine Vorliebe für weiße Rosen verschworen hat. Mama durften nie welche vor die Augen kommen, ohne daß sie förmlich davor zurückbebte – Papa hat sie sich entschieden verbeten, und nun krächzt auch noch der Cavaliere seinen Text darüber her!«

      »Aber Iris, wenn dein Vater weiße Rosen nicht sehen mag«, sagte Hochwald mit leisem Vorwurf, »wäre es da nicht besser, wir täten diese beiseite?«

      »Nein, Marcell, und du glaubst wirklich, ich wollte meinen guten, lieben Vater heut noch mit etwas ärgern, was er nicht mag?« fragte Iris halb ernst, halb lachend. »Seht ihr denn nicht alle, daß es keine weißen Rosen sind? ›Maidenblush‹, nannte sie der Gärtner, und bei Tage ist ihr Kelch wirklich so rosig wie –«

      »Wie deine Wange«, vollendete Hochwald, eine der Rosen gegen das zarte Inkarnat auf dem Gesichte seiner Braut haltend. »Aber im Ernst, Iris, sie sehen weißen Rosen ähnlicher als gefärbten, und darum wollen wir sie vor deinem Vater lieber verbergen, wenn er sie doch nun einmal nicht mag, nicht wahr?«

      Iris protestierte zwar lebhaft gegen die hier herrschende Farbenblindheit, aber sie fügte sich damit doch der Bitte Hochwalds, der die Rosen in Seidenpapier verpackte und so für sich zum Mitnehmen beiseite legte.

      Gleich darauf erschien Graf Erlenstein, heiter und behaglich aussehend, und sehr bald nach ihm huschte es rätselhaft und geheimnisvoll durch den Korridor, die Türen zum Salon wurden geöffnet, und das Brautpaar ließ sich auf einer Art von Thron nieder, neben dem Madame Chrysopras schon Platz genommen hatte. Hierauf erschien Sascha im Kostüm als Italiens berühmte Pastellmalerin Rosalba Carriera und überreichte die Skizze zu ihrem Gemälde: Iris im Brautkranze. Dann kam Boris in russischer Nationaltracht, sich und die Seinen der allergnädigsten jungen Tante empfehlend und sein und der Generalin Hochzeitsgeschenk, einen massiv silbernen Samowar mit Teegläsern in kaukasischen, durchbrochenen Silberbechern, und eine silberne Teebüchse auf silberner Platte überreichend – alles in jenen reichen, byzantinischen Formen, die der russischen Silberschmiede ureigene Spezialität sind.

      Die nächste Figur, die nun eintrat, war niemand anders als Miß Fuxia Grant, geradezu blendend schön, wenn auch etwas gewagt als Fortuna kostümiert, mit einem goldenen Füllhorn voll der herrlichsten Blumen. Sie sagte halb englisch, halb deutsch ein launiges Gedicht und überreichte ihr Füllhorn, das an seinem gebogenen Ende ein ganz schlichtes aber höchst kostbares porte bonheur trug, dessen vier Reihen in den vier Edelsteinen

      Jaspis, Rubin, Jacinth und Smaragd das Akrostichon des Namens Iris bildeten – eine sinnige Gabe, die Fürst Hochwald, um die Geberin zu ehren, sogleich um das Handgelenk seiner Braut legte. – Und wieder ging die Tür auf, und die alte Fürstin Ukatschin erschien als Ahnfrau, der Braut die Fürstenkrone in Form einer kostbaren Brosche überreichend, und nochmals kam Sascha, diesmals als Hausgeist von Hochwald, und legte als solcher im Auftrage des Bräutigams der holden Braut einen Maroquinkasten zu Füßen, der in sechs fächerförmig sich öffnenden Etagen einen wahrhaft fürstlichen Schmuck von Diamanten als Morgengabe enthielt, einen bis ins Detail reichhaltigen Schmuck, in Diadem, Kollier, Korsage, Armbändern, Agraffen und Buketts bestehend, deren künstlerisch schöne Zeichnung das Symbol der Braut, die Lilienform der Iris, und das Heroldszeichen und Kleinod der Hochwald, den Eichenbruch, umschlungen von graziös bewegten Schleifen, wiederholte.

      Iris war wie geblendet von dieser königlichen Gabe, in deren Ausführung sie vor allem die liebende Hand des Gebers herausfühlte und damit diesem auch des Gebens rechte und echte Befriedigung gab. Es kommt ja auf das Verstandenwerden im Leben immer und vor allem an! Iris, die ihren strahlenden Schatz, an dem sie sich wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum freute, von allen gern bewundern ließ, schloß den Kasten fast beschämt, als Sigrid später davorstand und seinen Inhalt, wie es schien, fast verächtlich mit dem Blick überflog, in dem der sehr aufmerksame Cavaliere indes Zorn und Neid herausgelesen haben wollte. Jedenfalls hatte sie vorher der Schwester den Brautkranz auf dem weißen Atlaskissen mit so bewegten Worten überreicht, daß sie einen so schroffen Übergang fast undenkbar machten – aber wer ermißt die Tiefen eines Herzens, das mit den Bitternissen der Eifersucht gefüllt ist bis zum Rande?

      Der Abend verlief in dem kleinen Kreise heiter und angeregt; Madame Chrysopras ließ nach deutscher Sitte die Unverheirateten um den Brautkranz tanzen, das heißt mit verbundenen Augen um ein kleines, rasch aus Myrtenzweigen hergestelltes Kränzlein haschen, das von den drei Mädchen Miß Grant und von den drei Heiratskandidaten, zu denen Graf Erlenstein nolens volens gerechnet wurde, Boris Chrysopras erhielt – ein Zufall, der etwas nach dem deus ex machina schmeckte, von Miß Fuxia aber mit errötender