Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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an ihrem Ohre nach einer Pause.

      Da erhob sie den Kopf und sah scheu um sich.

      »Ich habe kein Geld – nur die Juwelen meiner Mutter–« begann sie, aber er sah sie so flammenden Blickes an, daß sie sogleich verstummte.

      »Weib«, sagte er heiser, »es gibt Dinge, die auch die Geliebte seines Herzens keinem Manne sagen darf! Bin ich Ihnen wirklich nur der Bravo, der die schmutzige Arbeit für Sie tun soll und dem Sie dafür Ihre elenden paar Juwelen hinwerfen? O still! Und hätten Sie die Schätze der Semiramis – ich würde Sie auch elend nennen! Doch nein – das war nicht Ihre Meinung, und Sie haben sich nur gescheut, das rechte Wort auszusprechen, mir den rechten Preis zu nennen, um dessentwillen ich Ihnen das Licht der Sonne oder die Finsternis des Grabes herbeischaffen würde – der Preis Ihrer Hand, Sigrid?«

      »Nein – nein – nein!« ächzte sie entsetzt und so laut, daß ein paar Beter im Schiff der Kirche sich verwundert umsahen. Spini richtete sich hoch auf und nahm seinen Hut von dem steinernen Sims herab.

      »Nein – dreimal nein!« zischte er ganz blaß und sprühenden Blickes auf sie herab. »Nun, so wünsche ich Ihnen Glück Contessina! Vielleicht – finden Sie noch ein zweifelhaftes Individuum, das Ihren Wunsch erfüllt – für Geld. Ich danke Ihnen für Ihre gute Meinung und wünsche Ihnen eine gesegnete Andacht. Buon giorno madama!«

      Und damit glitt er leise, wie er gekommen, aus der Kapellentür. Sigrid sprang auf und machte ein paar Schritte vorwärts, um ihn zurückzuhalten – dann sank sie aber kraftlos in die Knie.

      »Ich kann's nicht«, stöhnte sie. »Das wäre ja nur Rache, gemeine niedrige Rache! Ich will mich nicht rächen, was hätte ich davon? Hätt' ich Isoldens Liebestrank – doch nein, es war ein Todestrank, den sie ihm reichen wollte und den die weichherzige Brangäne mit dem Liebestranke tauschte – und neben Tristan stand keine Iris. Und Iris ist meine Schwester. Kann man seine Schwester hassen. O Gott, mein Gott, wohin verirre ich mich – hilf du mir in dieser Herzensnot, hilf mir vor mir selber, vor meinen Gedanken, vor meinen Wünschen – – kann sie dafür, daß sie sein Herz gewann und nicht ich? Hilf mir, mein Gott, hilf mir, daß der Böse nicht den Sieg gewinnt –«

      Und so betete, lästerte, weinte und flehte sie, bis endlich die tiefe Stille ringsum sie mahnte, daß es Zeit sei, heimzukehren. Sie nahm ihre ganze moralische Kraft zusammen, um ruhig zu scheinen, und es gelang ihr, denn sie war keine von denen, auf deren Antlitz man jede seelische Regung liest. Als sie dann durch die Kirche schritt, in der die Mittagsstille brütete, und hinaustrat auf die Straße, da sahen ihre regelmäßigen, immer etwas kalten Züge so kühl und ruhig aus, als hätte nie ein Sturm in ihrer Seele getobt und dieselbe aufgewühlt bis zum Grunde.

      Und doch, trotz aller äußeren Ruhe stürmte es weiter in ihr – kein Gewittersturm, der die Luft reinigt und erfrischt, kein Orkan, der biegend oder brechend über Land und Wasser braust, das war ein Sturm, der vernichten muß, sei es, was es sei.

      Als sie nach wenigen Minuten den Palazzo wieder betrat, flog Iris die Treppe herab ihr entgegen – strahlendes Glück in den süßen dunkeln Veilchenaugen, und den Widerschein ihrer inneren Seligkeit im liebreizenden Antlitz.

      »Sigrid, Sigrid! Wo bist du gewesen? Ich habe mich so sehr um dich geängstigt!« rief sie der Schwester entgegen.

      »Ich hatte Kopfweh und bin spazierengegangen«, erwiderte Sigrid herb, trotzdem sie zu lächeln versuchte.

      »Ach, du Arme!« sagte Iris und drückte ihre rosige Wange gegen die erbleichende ihrer Schwester. Und dann küßte sie zärtlich diese Wange und flüsterte: »Nicht wahr, Sigrid, es ist alles zwischen uns wie früher, wie noch vor wenig Tagen, wo du noch so viel Geduld, so viel Liebe für mich hattest! Ja?«

      Heiße Tränen schossen in Sigrids Augen bei diesen herzlichen Worten, und stumm küßte sie Iris' Stirn und drückte das blonde Köpfchen gegen ihre Brust.

      »Hab Nachsicht mit mir und Mitleid, du Gute, Sanfte«, bat sie leise. »Ich bin krank – krank, und weiß oft nicht, was ist rede – –«

      »Still, Sigrid, still! Ich mache dir ja keine Vorwürfe und will dich gewiß schonen und pflegen mit aller Liebe«, erwiderte Iris herzlich. Und wieder küßte Sigrid ihre reizende Schwester aus vollem Herzen – der Dämon war gewichen, und sie fühlte nur, daß sie Liebe fand und der Genossin ihres jungen Lebens Liebe spenden durfte. Doch die Gegenwart zerstörte mit dem nächsten Worte schon jede gute Regung, jedes weichere Gefühl.

      »So – jetzt bist du wieder meine liebe, alte Sigrid«, rief Iris fröhlich, »die Sigrid, deren Rat und Hilfe ich so nötig brauche. Komm« – und sie stieg, die Schwester umfassend mit dieser die Treppe hinan. »Denke dir, während du fort warst, sind wir, das heißt Papa, Marcell und ich, zu Madame Chrysopras gefahren, damit ich ihr als Schwägerin vorgestellt werde. Ist das nicht drollig, daß ›der süße Boris‹ und Sascha mich jetzt Tante nennen? Aber sie waren alle so reizend nett und herzlich zu mir – wirklich! Und nun denke dir, Madame Chrysopras – oder Olga, wie ich sie jetzt nennen muß – sie hielt eine lange, sehr drollige Rede über den Nachteil eines langen Brautstandes – das sei ein zweifelhafter Genuß für das Brautpaar und dessen Umgebung, und Marcell meinte, er hätte überhaupt keine Zeit zum Warten – – aber was ist dir, Sigrid? Bist du wieder krank?«

      »Nichts, nichts! Es ist schon wieder vorbei.«

      »Du Arme! Ja, und Papa fügte sich und erklärte sich überstimmt, und so wurde unsere Hochzeit auf den ersten Mai festgesetzt. Unsere Hochzeit, denke nur, Sigrid! Und Madame Chrysopras, Olga meine ich, wird meinen Trousseau besorgen – da ist sie ganz in ihrem Effeff – das heißt Leibwäsche und Toilette, alles andere ist ja auf Hochwald aufgespeichert, Marcell sagt, massenhaft. Nur einige Silbergeräte mit meinem Wappen bringe ich mit in den Silberschatz des Majorats, das ist so Sitte in der Familie – aber am ersten Mai, Sigrid! Wenige Wochen noch, und ich bin eine Frau, seine Frau! Mir ist's immer noch, als träumte ich und müßte erwachen und – – kann es denn wirklich sein, Sigrid, kann er, der reiche, herrliche Mann, der die Wahl hatte unter den Besten, Schönsten, kann er mich gewählt haben, deine arme kleine Iris mit ihren vielen, vielen Fehlern, ihren zahllosen Unvollkommenheiten? Ist's möglich, ist's wahr und kein Traum?«

      Sie waren während dieses Geplauders hinaufgelangt in ihre Mädchenzimmer, und dort stand Iris vor ihrer Schwester mit ihren vor innerer Bewegung feucht gewordenen Augen, mit gefalteten Händen und den demütigen Worten auf den Lippen – und wieder schmolz Sigrids Herz, und wieder drückte Sie einen Kuß auf Iris Wange.

      »Er hätte keine Bessere wählen können als dich«, sagte sie gerührt.

      Aber als Iris gegangen war, da wich auch der gute Geist wieder von ihr.

      »Judas! Judas!« stöhnte sie mit gerungenen Händen. »Ich habe mit einem dreifachen Kusse dreimal meine Schwester verraten! Nein, er konnte keine Bessere wählen als sie, und doch, und doch, nicht ihn kann ich hassen, nicht ihn –«

      Das waren nun bewegte, geschäftige Wochen, die der Verlobung des Fürsten Marcell Hochwald mit der Gräfin Iris Erlenstein folgten, bewegt und geschäftig, wie eben nur ein so kurzer Brautstand verlaufen kann, während man an tausend Dinge zu denken hat. Dies besorgte nun freilich Madame Chrysopras unter Sigrids Beihilfe allein – sie beriet, prüfte und wählte wie eine wirkliche Brautmutter nur kann – ja, sie reiste sogar selbst nach Hochwald, um dort alles zum Empfange der jungen Frau zu rüsten, denn weiter als bis in die Heimat sollte die Hochzeitsreise nicht gehen. Sehr befriedigt von dem Resultat ihrer Inspektion von Schloß, Silber-, Wäsche-, Porzellan- und Gläserkammern kehrte Madame Chrysopras nach Florenz zurück und nahm ihre dortige Tätigkeit wieder auf.

      Für das Brautpaar selbst verstrichen diese Florentiner Frühlingswochen wie ein schöner Traum. Der Aufenthalt in der schönen Fremde gab ihren Bewegungen weit mehr Freiheit, als wenn sie in Deutschland gewesen wären, und wenn sie in des Grafen oder Saschas Gesellschaft die Kunstschätze der Blumenstadt bewunderten oder die Gegend durchstreiften in ganzen Tagespartien, so waren dies Standen höchsten geistigen Genusses, Stunden reinen, ungetrübten Beisammenseins, wo Geist und Herz reiche Nahrung fanden und ihre Seelen auf ungezählten Brücken gemeinsamer