Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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er überrascht.

      »Wen ich meine? Wen anders als Olga, den lieben, sanften Engel?«

      »Olga!« wiederholte er.

      »Ja, aber mein Gott, Jo, wen denn sonst? Ich werde dir doch nicht zumuten, die Carola, das arme, verwachsene Ding, zu heiraten. Und sonst ist ja niemand im Hause.«

      Van der Lohe, der noch an dem Rosenstock herumschnitzelte, schnitt statt eines Parasiten einen gesunden, blühenden Zweig herunter und klappte sein Messer zu.

      »Nein – sonst ist niemand weiter hier,« wiederholte er mit einem sonderbaren Gemisch von Bitterkeit und – Mitleid im Ton.

      »Natürlich nicht,« spann die alte Dame ihr Thema weiter, »sieh, Jo, du bist eigentlich ein Barbar. Das süße Kind, Olga, liebt dich seit langem schon im stillen, und du siehst es nicht oder willst es nicht sehen. Bedenke nur, welch herrliche Eigenschaften Olga besitzt, sie ist so sanft, so hingebend, schön und klug, wirklich ein Engel.«

      »Ja, aber ein recht irdischer.«

      »Jo! Ich versichere dir, Olga wäre für dich eine passende Frau; du findest in ihr alle Vorzüge vereint, die ein weibliches Wesen zieren, und –«

      Hier wurde der Jubel- und Lobhymnus von Frau van der Lohe durch Sonnenberg unterbrochen, der wie ein Wahnsinniger vom See hergestürzt kam, gefolgt von Baron Hahn, der zwar auch etwas erschrocken, aber doch verhältnismäßig ruhig aussah.

      »Eine Bahre, einen Tragstuhl!« schrie der blonde Jünger des Apelles, »schnell, schnell, ehe es zu spät ist!«

      »Herr im Himmel – ist ein Unglück geschehen?« fragte Frau van der Lohe erschrocken.

      »Jawohl, gnädige Frau, ein Unglück, ein haarsträubendes!« entgegnete Sonnenberg weiterstürmend. In diesem Vorhaben wurde er durch van der Lohe aufgehalten, der ihm ruhig in den Weg trat.

      »Was ist passiert?« fragte er, »warum dieser Lärm?«

      »Herrgott, Lohengrin, Sie könnten einen zur Verzweiflung bringen,« schrie Sonnenberg im höchsten Diskant »als ob ich Zeit hätte, mich mit Erklärungen aufzuhalten wenn sie in Gefahr schwebt! Unmensch, lassen Sie mich vorüber!«

      Damit schoß der Entrüstete weiter, dem Hause zu. Van der Lohe hielt sich nun an den Baron, indem er ihn nach der Ursache von Sonnenbergs seltsamem Gebaren fragte.

      »Wir sollen einen Tragstuhl oder eine Bahre nach den Wald schicken,« erklärte dieser, »Fräulein Eckhardt trat beim Pflücken von Farnkräutern auf einen losen Stein und fiel einen kleinen Abhang hinab, an dem sie besinnungslos liegen blieb; Sie erlauben daher, daß ich Sonnenberg behilflich bin, da er ja doch unzurechnungsfähig ist.«

      Noch nie hatte Frau van der Lohe ihren Sohn so blaß werden sehen wie in diesem Augenblick.

      »Wo geschah es?« fragte er heiser.

      »Bei der Königsfichte,« rief der davoneilende Hahn zurück.

      »Jo, – ich –« stammelte Frau van der Lohe, entsetzt auf ihren Sohn blickend; dieser aber lief rasch der Richtung der Königsfichte zu, die am Rande eines kleinen Abhanges stand und ihren Namen nicht allein wegen ihrer seltenen Größe und Stärke trug, sondern weil der hochselige König bei seinem Besuche in Eichberg seinen Namenszug eigenhändig in die Rinde des Stammes eingeschnitten hatte.

      Nach einer Viertelstunde hatte van der Lohe sein Ziel erreicht. Er sah schon von fern die hellen Kleider Olgas und Carolas durch die Bäume leuchten, er sah auch Roses helles Haar auf dem dunklen Moose liegen und flog mehr als er ging der Stelle zu.

      Da lag sie, das liebliche Heideröslein, blaß und bewußtlos am Boden, gestützt von Professor Körner, während Carola ihr Taschentuch in die kleine, klare Quelle tauchte, um das rieselnde Blut an der linken Schläfe zu stillen. Olga von Willmer suchte kühlende, saftige Blätter zum Auflegen auf die Wunde.

      »Gottlob, Jo, daß du kommst,« rief ihm Carola entgegen, »was sollen wir hier machen – sie kommt gar nicht mehr zu sich.«

      Van der Lohe kniete wortlos neben der Bewußtlosen nieder und strich das goldige Haar von ihrer Stirn.

      »Sie ist nur schwer betäubt, die Wunde ist nicht bedeutend,« sagte Körner.

      »Aber das Blut ist nicht zu stillen,« rief Carola halb weinend.

      Van der Lohe untersuchte genau die verletzte Schläfe und drückte sein eigenes, trockenes Tuch auf das rieselnde Blut, dann löste er die starren Finger, die ein Bündel Farnkräuter fest umschlungen hielten.

      Nach kurzem Warten langten Sonnenberg und Hahn mit einem von zwei Dienern getragenen, bequemen Sessel an; Sonnenberg warf sich sofort vor Rose nieder und hielt ihr ein mit Riechsalz gefülltes Fläschchen unter die Nase. So plump dies auch bewerkstelligt wurde, so hatte es doch seine Wirkung. Der scharfe Geruch des Mittels drang belebend in Roses Hirn, und mit einem tiefen Atemzug öffnete sie die Augen.

      »Hurra, sie lebt,« schrie Sonnenberg, indem er einen wunderlichen Freudensprung machte.

      »Sie lebt,« wiederholte leise, kaum hörbar van der Lohe, und Carola sprach's ihm freudig nach.

      Rose ließ die Augen zunächst verständnislos über die Anwesenden gleiten, als kenne sie niemand.

      Da beugte sich van der Lohe zu ihr herab, als wolle er die Wunde näher betrachten, und dabei sagte er leise, ganz leise: »Heideröslein!«

      Rose heftete ihren matten, leblosen Blick auf den neben ihr Knienden, lange, – es glitt ein Lächeln über ihre blassen Lippen, dann schloß sie die Augen wieder.

      Van der Lohe und der Professor aber hoben nun das junge Mädchen auf den Tragstuhl, von Sonnenberg und Carola unterstützt, und so wurde sie nach dem Hause zurückgebracht.

      Baron Hahn reichte der etwas zurückgebliebenen Olga den Arm.

      »Gestatten Sie mir, Sie von dieser Stelle der Verwirrung heimzugeleiten, meine Gnädigste,« sagte er galant; »Es wäre allerdings an Herrn van der Lohe gewesen, dieser holden Pflicht zu genügen, indes müssen Sie mich schon als Lückenbüßer gnädigst annehmen.«

      »Wie meinen Sie das, Herr Baron?« fragte sie gereizt.

      »Aber meine Gnädigste, was bin ich denn weiter als ein Lückenbüßer? Und besonders in der Nähe dieses stolzen Patriziers? Laden Sie mich nicht zu Ihrer Hochzeit ein, Olga, das Herz würde mir brechen, denn ich muß ja doch entsagen. Wissen Sie, was es heißt, der Verschmähte zu sein und zu sehen, wie ein anderer neben einem bevorzugt und – schwerer befunden wird?«

      »Reden Sie kein dummes Zeug, Baron,« rief Olga aufgebracht.

      »Nun ja,« entgegnete er mit gekränkter Miene, »Sie empfinden das Gefühl des Sieges über mich und setzen mir den Fuß auf den Nacken. Warum haben Sie mir nicht gleich gesagt: hebe dich weg, armseliger Attaché; der reiche Vetter ist ein begehrenswerteres Ziel.«

      »Unverschämter!« stieß Olga tonlos hervor.

      »Damit schaffen Sie die Tatsache nicht aus der Welt,« versetzte Baron Hahn kaltblütig, und hohnvoll fuhr er fort: »Nun, es mag sein; Sie wissen, daß ich in Ihren Netzen gefangen bin und behandeln mich darum wie eine russische Fürstin ihren Leibeigenen. Die Knute in der Hand müßte Ihnen übrigens gut stehen. Was wohl der bevorzugte Vetter dazu sagen würde! Schade nur, daß er Sie ohne Ihre Engelsmiene jetzt nicht sehen kann, er, der Grausame, der Sie allein über diese Baumwurzeln stolpern läßt, indes er die Vorleserin seiner Mutter heimgeleitet wie eine Prinzessin.«

      Hahn wußte, daß er mit diesen Worten seinen Trumpf ausgespielt hatte. Über Olgas vordem zornblasse Wange flog nun eine glühende Röte – sie riß heftig ihren Arm aus dem des Barons und flog mehr, als sie ging, dem Hause zu. Dort angelangt, begab sie sich sofort zu ihrer Tante, die ihr mit dem Ausruf entgegenging: »Welch schreckliche Geschichte! Das Mädchen sieht blaß aus wie der Tod!«

      Auf Olgas Lippen drängte sich ein sehr unchristlicher Wunsch in betreff Roses, aber sie ließ ihn unausgesprochen. Sie