Und es waren Augenblicke reinster Seligkeit für diese Herzen, die sich so schnell, so allgewaltig gefunden durch jenes süße Muß, durch die Wunderkraft jener Liebe, die stärker ist als der Tod.
Wie Blitz und Schlag, so war's über Iris und den Fürsten Hochwald gekommen – letzterem bewußt und klar wie das Sonnenlicht vom ersten Moment an, für Iris unbewußt, wie ein süßes Rätsel, dessen Lösung sie nicht fand. Erst Sigrids rauhe Hand hatte ihr in letzter Nacht den Schleier von der Seele gerissen mit der Frage: »Liebst du ihn?« Und in den stillen, einsamen Stunden der Nacht war es ihr klargeworden, was sie seit vierundzwanzig Stunden nur mit einem so seltenen, wunderbaren Glücksgefühl erfüllte.
Und nun war's Wirklichkeit geworden – sie war seine Braut! Es schwindelte ihr, daß sie die Augen schließen mußte, so überwältigend war ihr die Gewißheit, daß er sie liebte, und enger umschloß sie seinen Arm, als fürchtete sie, ihn entschwinden zu sehen, wie einen schönen Traum von Glück und Liebe – oder als müsse sie es halten und schirmen, dieses neue, junge Glück. –
Ein helles Gelächter unter den Fenstern schreckte beide aus ihrer kurzen Seligkeit empor – es war ihre Gesellschaft, die sich unten versammelte zum Rundgang durch die Villa.
»Laß uns heut noch Fremde scheinen, mein Liebling«, sagte der Fürst, die Elfengestalt seiner Braut freigebend. »Morgen komme ich, mir die Braut von deinem Vater zu erbitten. Fühlst du dich ruhig genug, um den anderen unbefangen zu begegnen?«
Sie lächelte mit ganz verklärtem Gesicht zu ihm empor. »Oh, es ist so ruhig, so friedlich in mir«, sagte sie innig. »Das macht, weil ich so unendlich glücklich geworden bin durch dich.«
Da küßte er ihre reine Stirn mit einer Ehrfurcht, als berührten seine Lippen eine Reliquie. Dann aber trat er rasch an eines der Fenster und beugte sich hinaus.
»Wenn die Herrschaften auf Gräfin Iris und mich warten sollten – wir sind schon oben!« rief er herab.
»Das ist gegen die Verabredung!« lachte Miß Fuxia. »Separieren gilt nicht!«
»Gut, wir nehmen's zurück«, erwiderte Hochwald, »und versprechen als Buße, all unsre im voraus errungenen Kenntnisse im Dienste der Herrschaften zu verwerten!«
Sigrid war bei den ersten Worten des Fürsten wie gestochen zurückgefahren, und sie war auch nun die erste, die beim Öffnen des Portals die Villa betrat und nach oben eilte, ohne auf den Führer zu warten. Sie fand Iris mit dem Fürsten vor dem Fresko des Franciabigio und stahl sich leise hinter beide, so leise, daß man ihren Schritt auf dem Estrich nicht hörte.
»Der Cicero ist in der Tat das Porträt Cosimos. Es war damals Sitte unter den Mächtigen dieser Welt, sich im Vergleich auf die Antike huldigen zu lassen« – war alles, was sie den Fürsten sagen hörte, und schon wandte sich Iris um – ruhig, heiter und mit wunderbar verklärten Augen.
»War das nicht ein guter Gedanke, statt Miß Fuxias Weisheit zu hören, die Villa recht con amore zu sehen?« fragte sie freundlich.
»Ein sehr guter Gedanke«, erwiderte Sigrid forschend. »Wer hat ihn zuerst gehabt?«
»Eigentlich Gräfin Iris, die mir aus der Seele sprach, indem sie klagte, diese historische Stätte mit interesselosen Menschen durchhetzen zu müssen«, erklärte der Fürst, »und da dies, wie gesagt, ganz meine Ansicht war, so schlug ich eine rasche Flucht vor, und dieser Gedanke hat sich uns köstlich belohnt. Wir haben die ganze Villa gesehen.«
Sigrid nickte mechanisch – oh, wäre sie zur Stelle gewesen! Aber Iris war so ruhig, schien so unbewegt – das törichte Kind würde sich sicher verraten, wenn etwas vorgefallen wäre –! Denn davon ahnte Sigrid Erlenstein nichts, daß Glück auch Ruhe und Sicherheit verleiht.
Die anderen kamen jetzt nach, und nun begann einer jener Gesellschafts-Rundgänge durch die Villa, unter Schwatzen und flüchtigem Besehen, wie er einem geradezu zur Folter werden kann, wenn man gern die besuchte Stätte mit Interesse betrachten will. Nur wenn in alten Schlössern der umgehende Geist an die Reihe kommt, wird die Aufmerksamkeit etwas allgemeiner, um dann den verschiedenen Skeptikern zu Witzeleien Anlaß zu bieten. Der vordem vom Fürsten verbetene Cicerone hatte sich's, in der Hoffnung auf mehr Trinkgeld, nicht nehmen lassen, in der Gesellschaft zu erscheinen. Er berichtete mit einer behaglichen Breite von den rastlos wandernden Geistern des Großherzogs Francesco I. und der Bianca Capello, die den Weg von dem kleinen Speisesaal bis in ihr Schlafgemach Nacht für Nacht zurücklege und von vielen Augenzeugen gesehen und nach ihrem Bilde von Broncinos« Meisterhand erkannt worden sei mit ihrem rotgoldnen Haar, ihrem weißen Gesicht mit dem kleinen Munde und den Grübchen in den Wangen, und ihren großen, braunen Augen – eine gefährliche, unselige, verderbliche Schönheit!
»Wenn unsereins doch mal so 'n schönes Gespenst sehen könnte«, meinte Boris Chrysopras.
»Diese Sehnsucht nach schönen weiblichen Geistern ist ja etwas ganz Neues an Ihnen«, neckte Miß Fuxia kokett.
»Seit wann genügt Ihnen die Schönheit in sterblicher Hülle nicht mehr?«
»Ich möchte wissen, wo bei Bianca Capello die Wahrheit aufhört und die Dichtung anfängt«, warf Sascha ein. »War sie wirklich eine Verbrecherin oder nur eine Ehrgeizige?«
»Sie war beides, gnädiges Fräulein«, erwiderte Spini. »Inwieweit sie schuldig ist am Tode ihrer Nebenbuhlerin, der Großherzogin Giovanna d'Austria und deren Sohn, entzieht sich dem Forscher – daß sie den unglücklichen Bonaventuri beseitigte, dem Großherzoge einen Sohn untergeschoben und Ihrem Todfeinde, dem Kardinal, der sie durchschaute, hier in Poggio jene vergiftete Orange reichte, die der eigene Gatte verzehrte – das scheinen doch historisch erhärtete Tatsachen zu sein. Wenn Sie wünschen, bringe ich Ihnen einmal das Resultat meiner archivarischen Forschungen über die Großherzogin Bianca Capello – sie sind hochinteressant!«
»Wollen Sie eine Geschichte der Venetianerin schreiben, Cavaliere?« fragte Graf Erlenstein mit Interesse.
»Ja und nein, Herr Graf«, entgegnete der Cavaliere. »Ich sammle nämlich Material zu einem Werke: ›Der Dämon im Weib‹ – ein Vorwurf, der mich sehr fesselt und ständig beschäftigt. Zur Illustration meiner Betrachtungen sammle ich Beispiele, berühmte und unberühmte Verbrecherinnen aller Länder, und habe dazu eingehende Archiv- und Aktenstudien gemacht. Ich hoffe, mein Werk wird einst einen wichtigen Beitrag liefern zu den Studien der Psychologie.«
»Hu, welch grausiges Thema«, sagte Iris zusammenschauernd wie vor einem eisigen Winde. »Und diese unheimlichen Forschungen in den Untiefen des Herzens und der Seele machen Ihnen wirklich Freude?«
»Die Tiefen und Ebenen des menschlichen Herzens sind es, woraus man Weisheit schöpft, Gräfin«, erwiderte Spini ernst.
Sigrid zuckte mit den Achseln.
»Es muß auch solche Käuze geben«, murmelte sie.
»Ja, es ist zweifellos, daß das Unheimliche gerade die größte Anziehungskraft ausübt«, meinte Graf Erlenstein seufzend.
»Die Beispiele aus Ihrer schönen Heimat, der bella Italia, werden Ihnen allein mehrere Bände füllen«, rief Sigrid. »Die Liste dieser weiblichen Ungeheuer, Ihrer Landsmänninnen, hat Ihnen wohl die Idee zu diesem Werke gegeben?«
»Höchst wahrscheinlich«, entgegnete Spini sehr ruhig auf diesen kleinen Ausfall – einer von den vielen, mit welchen Sigrid ihn reizen oder ärgern wollte.
»Oder war's Lucrezia Borgia allein, der Sie die Anregung verdanken?« fragte sie etwas spöttisch und ihrerseits durch seine Ruhe gereizt weiter.
»Lucrezia Borgia war, als sie in Rom lebte, eine große Sünderin – eine Verbrecherin war sie nie«, sagte der Cavaliere. »Das wertvolle Werk Ihres Landsmannes Gregorovius hat das aktenmäßig festgestellt. Leider hat aber Victor Hugos Schauerdrama und Donizettis Oper mehr Gläubige gemacht als das Werk des großen deutschen Gelehrten.«
»Und werden Sie uns Deutsche auch mit Beispielen in Ihrem