Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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war die sehr sichere Antwort. »Im vorigen Jahrhundert – und aus diesem soll der Fächer doch stammen, gleichviel, ob er Original oder Kopie ist – im vorigen Jahrhundert also wob man anders als heute. Das läßt sich ja natürlich nur durch einen Vergleich mit einem Stück französischer Seidenweberei aus dem 18. Jahrhundert klar feststellen – ich bin meiner Sache aber doch sehr sicher.«

      »Und dann – die Sache mit der Seide zugegeben – was ist dann noch Ihre Meinung?« sagte Spini kopfschüttelnd.

      »Dann die Malerei selbst. Ich kenne die Zeichnung von Boucher, die für diesen Fall als Vorlage gedient hat – aber dies nur nebenbei. Zeichnung, Farbengebung und Technik sind ja auf diesem Fächer meisterhaft, entzückend sogar. Die Farben selbst sind so diskret und »verblichen« wie möglich angewendet, um den Eindruck einer jahrhundertealten Malerei zu machen, was auch vorzüglich gelungen ist. Aber des Teufels Fuß ist die Gouachefarbe. Sie war notwendig, ich gebe das zu, um die vorher künstlich mit Stockflecken präparierte Seide ohne Schaden für die Malerei zu verwerten, aber sie ist der Vogel, der die Geschicht' verrät – sehr Eingeweihten natürlich nur. Die Farbe ist nämlich noch zu frisch für hundertzwanzig Jahre. Die durchsichtige Aquarellfarbe hätte hier bessere Dienste geleistet, die Täuschung selbst für Kenner vollständig zu machen – von der Seide abgesehen!«

      »Sie sind ein gewiegter Altertumskenner, Fürst«, entgegnete Spini, den Fächer nochmals betrachtend. »Da hilft wohl nichts, als die Segel zu streichen, wenn auch nicht ohne leise Zweifel und Bedenken –«

      »Die sind Ihnen unbenommen, Cavaliere. Ich gebe ja auch nur meine Ansicht zum besten.«

      »Oh, da lohnte sich schon eine genauere Untersuchung«, meinte Graf Erlenstein. Er verließ das Zimmer und kam bald darauf mit einer Lupe und einem Stück bestickten Seidenstoffes zurück. »Das ist ein Teil von dem Brautkleide meiner Urgroßmutter«, erklärte er, »und seit mehr als hundertzwanzig Jahren in der Familie. Lassen Sie uns also die Textur vergleichen, denn der Stoff stammt, laut einer Eintragung in dem Ausgabenbuch des Bräutigams, der nach damaliger Sitte das Brautkleid zu schenken hatte, aus Frankreich.«

      Das Resultat der Untersuchung war schlagend, denn die Lupe zeigte deutlich den Unterschied der Textur der Handweberei und des mechanischen Webestuhls, der erst nach Bouchers Tode erfunden wurde.

      »Was kümmert's mich?« rief Iris vergnügt. »Der Fächer ist eine schöne und künstlerische Bereicherung meiner Sammlung, in deren Katalog er als Kopie nach Boucher stehen soll – meinetwegen auch als ›Fälschung nach Boucher‹.«

      »Herr von Chrysopras sieht aber so aus, als ob er den Antiquitätenhändler, der ihm diese künstliche Antike aufgeschwatzt hat, direkt auf dem Municipio anzeigen wollte«, meinte Sigrid spöttisch.

      »Ja, das könnte mir gerade fehlen«, erwiderte Boris entsetzt. »Laufereien, Termine, was weiß ich, und dann kriegt der Kerl doch recht, denn daß der die Beweise seiner Unschuld nicht haarklein in der Tasche haben sollte, darauf kann einer Gift nehmen. Aber ich schlage vor, wir lassen endlich den vermaledeiten Fächer und reden von was anderem! Zum Beispiel von einer Partie in die Umgebung. Wollen wir nicht einen Ausflug machen?« »Wir sind dabei«, erklärte Graf Erlenstein. »Nur für heut möchte es dazu zu spät sein, wenigstens für eine größere Entfernung.«

      »Ich möchte so gern die Villa Poggio a Cajano sehen, wo Bianca Capello mit ihrem Gemahl an dem höllischen Gastmahl starb, das sie dem Kardinal, ihrem Schwager, bereitete!« rief Iris bittend.

      »Ah – bei Prato«, meinte Spini. »Es gehen dahin mehrere Züge.«

      »Heut nicht – lassen Sie uns morgen fahren«, fiel der Graf ein. »Ich habe heut nachmittag zu schreiben.«

      »Aber dann erlauben Sie doch, daß Sascha kommt, die Komtessen zum Spaziergang abzuholen«, sagte Boris, bei dem seine eben erlittene Niederlage schon zu verblassen begann. »Und ich darf mich wohl anschließen – so als – als – gewissermaßen als dame d'honneur, denn Mama kann nicht mit, sie muß heut zu Tante Ukatschin.«

      Man lachte, denn Boris brachte seine Rede drollig genug vor.

      »Mein Nachmittag ist auch frei«, fiel Fürst Hochwald ein, mit einem Blick auf Iris, in deren Augen es wie Freude aufblitzte. »Vielleicht könnte ich dann das Ehrenamt des Onkels übernehmen –«

      »Famos, Onkel!« rief Boris entzückt. Das schien ihm ja eine Gelegenheit wie keine, Sigrid mit vollen Segeln die Cour zu machen!

      Fürst Hochwald lächelte, denn er begriff den Enthusiasmus seines Neffen vollkommen. Trotzdem aber hegte er Zweifel, ob der Cavaliere, der recht finster dreinsah, der kleinen Gesellschaft nicht durch Zufall begegnen und sich ihr anschließen würde. Dem Grafen schien die angebotene Begleitung des Fürsten indes sehr lieb zu sein, und er gab gern die Erlaubnis zum Gange nach dem Giardino Boboli, wohin er vielleicht nachkommen wollte. Auch er forderte den Cavaliere nicht auf, mitzugehen, und war deshalb höchlich erstaunt, als Sigrid es plötzlich tat. Die Wirkung davon war eine ganz unerwartete, denn das dunkle, aber doch blasse Gesicht Spinis färbte sich noch dunkler durch sein jäh zu Stirn und Wangen strömendes Blut, und aus seinen eigentümlichen, hellen Augen brach es wie ein Flammenstrahl des Triumphes. Er ergriff Sigrids Hand, küßte sie stumm und bemerkte es dabei gar nicht, daß die junge Dame erblaßte. Aber noch ein anderer war rot geworden, und zwar aus Wut, das war der arme Boris Chrysopras, der jetzt genau ein Gesicht machte wie ein Lohgerber, dem die Felle weggeschwommen sind.

      Man einigte sich noch rasch über die Stunde der Abholung zum Spaziergang, und dann verabschiedeten sich die Herren.

      Als sie den Salon verlassen hatten, schickte Graf Erlenstein sich an, in sein Zimmer zurückzukehren; an der Tür wandte er sich aber nochmals um.

      »Sigrid«, sagte er ernst, »es hat mich unangenehm berührt, daß du den Cavaliere zu eurem heutigen Spaziergange auffordertest. Warum plötzlich diese Ermutigung, nachdem du bisher mit so viel Takt gewußt hast, den wenig wünschenswerten Verehrer in angemessener Entfernung zu halten?«

      Sigrid schwieg einen Augenblick.

      »Ja, es war sehr unvorsichtig von mir, Papa«, entgegnete sie dann ruhig und fuhr heftiger fort: »Der Gedanke, diesen Spaziergang mit Boris Chrysopras machen zu müssen, war mir unerträglich!«

      »Wieso mit Herrn Chrysopras?« fragte der Graf befremdet. »Sascha ist dabei und ebenso Fürst Hochwald –«

      »Oh – Fürst Hochwald zählt für mich nicht mit!« rief Sigrid nicht ohne Schärfe, indem sie einen bezeichnenden Blick auf ihre Schwester warf. »Es war also ein Desperationscoup, Papa, den ich aber sofort bereute. Der Cavaliere wäre ein so anziehender Umgang – geistvoll, unterrichtet und etwas geheimnisvoll, wie er ist, wenn er nur nicht diese entsetzliche Verehrung für mich hätte«, setzte sie seufzend hinzu. »Aber auch die ist noch erträglicher als die Courmacherei dieses unausstehlichen Boris, Papa, diese seit vierundzwanzig Stunden plötzlich ausgebrochene Courmacherei aus Trotz, weil Iris ihm einen Korb gegeben hat!«

      Der Graf schüttelte lachend den Kopf.

      »Kinder, ihr habt eine nette Sorte von Freiern«, sagte er nicht ohne Humor und verließ den Salon, gefolgt von einem hellen, lustigen Lachen der Gräfin Iris, die sich nun in ihr Zimmer zur Rechten des Salons begab und ihren Fächer in den für ihre Sammlung bestimmten Schrank legte.

      Sigrid aber lachte nicht. Sie verfolgte einen Augenblick mit finsterem Gesicht und einem seltsamen, fast bösen Blick ihre Schwester, dann wandte sie sich kurz um und stieg in die unteren Regionen des Palastes hinab, wo die Köchin unter Entfaltung einer erstaunlichen Zungenfertigkeit gegenüber dem anderen Personal den Pranza bereitete.

      Als der Fächer geborgen war, huschte Iris hinüber in des Vaters Zimmer.

      »Nun, was gibt's, Kleine?« fragte er freundlich, vom Schreibtisch aufsehend.

      »Papa, denke nur, hinter dem schönen Bilde deiner – deiner armen Schwester befindet sich noch ein anderes, das Bild eines Herrn«, flüsterte sie ihm geheimnisvoll zu und legte ihren Arm um seinen Nacken.

      »Wie hast du es entdeckt?« fragte Graf Erlenstein zurück,