Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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dieses Kind? Und wenn nicht– wer wagte dann noch an der Fortdauer seelischer Kräfte zu zweifeln?«

      »Papa, was hast du?« fragte Iris, die die leisen Worte nicht verstand. »Wen stellt dieses Bild dar?«

      »Den Gemahl meiner Schwester«, war die schlichte, aber wie mühsam gegebene Antwort. »Er ist tot wie sie. Beide verdorben und gestorben.«

      »Wie traurig!« sagte Iris mit dem ganzen tiefen Mitgefühl ihrer jungen, für fremdes Leid noch so zugänglichen Seele, indem ihre süßen Veilchenaugen sich mit Tränen füllten. »Und darf ich auch den Namen dieses Mannes nie erfahren?« fragte sie nach einer Weile. »Er muß gut gewesen sein, Papa, jeder Zug in seinem lieben Gesicht spricht von Güte.«

      »Er war's, Iris. Er war ein Ehrenmann, nicht energisch genug vielleicht, aber von hohem Ehrgefühl, ein wahrhaft vornehmer Charakter.«

      »So sieht er aus. Ich habe sein Bild gleich liebgewonnen. Es ist darum nicht Neugierde, Papa, sondern Teilnahme, wenn ich frage, wer er gewesen.«

      »Besser, du weißt's nicht, mein Töchterchen«, war die traurige Antwort. »Das eben ist ja die Ungerechtigkeit der Welt, daß sie einen guten und ehrlichen Namen, wenn er sich an eine lichtscheue Tat knüpft, auch für seine unschuldigen Träger zum Fluche macht. Was aber hast du, Kind der Sonne, mit den Nachtseiten des Lebens zu tun? Die Schatten kommen noch zeitig genug – laß mir wenigstens das Glück und die Aufgabe meines Lebens, sie lange genug fern von dir gehalten zu haben!«

      Und Iris fragte nicht weiter. Sie küßte leise die tiefdurchfurchte Stirn ihres Vaters und verließ ihn, ungefragte Fragen auf den Lippen und die junge Seele beschwert mit einem vagen Gefühl von Unheil, dem aber ein ganz wunderbares, warmes Bewußtsein von Glück noch siegreich die Waage hielt.

      Fürst Hochwald hatte nach dem Besuch bei Graf Erlenstein seinen Neffen absolut unzugänglich für jedes Gespräch gefunden, noch unzugänglicher aber für Vernunftgründe und der guten Rat, Sigrid Erlenstein lieber aufzugeben, nachdem sie ihm mit einer verblüffenden Deutlichkeit gezeigt, daß sie seinen Übergang mit fliegenden Fahnen von Iris zu ihr selbst eigentlich etwas übelgenommen hatte. Boris aber waffnete sich hiergegen mit der ganzen Zähigkeit seines ererbten Dickkopfes derer von Chrysopras, behauptete, er würde sich doch von Spini nicht ins Bockshorn jagen lassen, und erklärte dann, er müßte heut zur Kräftigung seiner Nerven allein speisen, worauf er sich langsam, den Hut tief im Genick, entfernte. Der Cavaliere hatte schon vor der Haustür der »Casa Erlenstein« Abschied genommen.

      Fürst Hochwald schlenderte also allein der Via Tornabuoni zu, um dort bei Doney zu speisen, und da es spät war, nahm er den direkten Weg durch die Via Porta Rossa, nach seiner Gewohnheit die Läden rechts und links musternd. Dabei fiel ihm der Laden eines Trödlers auf, der sein Schaufenster mit Antiquitäten angefüllt, seine Ladentür aber mit den üblichen Trödelwaren garniert hatte – also einer jener klugen italienischen Händler, die den Traum ihres Lebens, das einträgliche Antiquitätengeschäft ohne Nebenhandel zu treiben, noch nicht erfüllt sehen und sich den stetigen Aufschwung dazu durch den fortgesetzten Trödelhandel ermöglichen. Dieser Händler, vor dessen Schaufenster Fürst Hochwald jetzt stand, hatte zwar keine der sonst üblichen Zwiebel- und Lauchgirlanden mehr neben seinen gebrauchten Kleidern, Uniformen und sonstigem Gelump zu verkaufen – er gehörte also schon zu der besseren Trödlerklasse, bei der oft neben dem schauderhaftesten Schund ganz wunderbare Perlen altitalienischen Kunstgewerbes zu haben sind. In dem Schaufenster standen alte Monstranzen, hingen verblichene Meßgewänder, lagen alte Spitzen, Dosen, Orden, Becher, Dolche, Fächer – oft sehr beschädigt, oft aber noch gut erhalten. Ein Rokokofächer mit einem gezierten Schäferpaar, auf vergilbtem Pergament gemalt, umgeben von reizenden Ornamenten, erregte des Fürsten Aufmerksamkeit und erinnerte ihn zugleich an die verunglückte Fächergabe des armen Boris. Ein Blick auf das Schild des Händlers aber sagte ihm zu seiner Überraschung, daß er sich an der Quelle des interessanten, so meisterhaft gefälschten Fächers befand– denn er hatte Boris um die Adresse seines Lieferanten gefragt – und der Wunsch, zu erfahren, ob der Händler gewußt, daß der Fächer imitiert war, stieg in ihm auf. Er betrat also den engen, dumpfigen, vollgestopften Laden und fand darin an einem Pult einen geschmeidigen Mann, dessen dunkle Augen eine ungewöhnliche Intelligenz verrieten.

      »Commanda qualque roba,Signore?« Mit dieser unvermeidlichen Frage trat Signor Guidobaldini seinem neuen Kunden entgegen.

      »Vorei vedere questo ventaglio«, erwiderte der Fürst, auf das Schaufenster deutend.

      Der etwas demolierte Fächer war im nächsten Moment in seiner Hand, und er trat damit ans Licht, ihn genau zu besehen, doch vermochte er nichts zu entdecken, was hier auf eine Fälschung schließen lassen konnte.

      »Der Fächer ist hübsch, doch nicht so hübsch wie der, den ein Freund von mir heut früh bei Ihnen kaufte«, sagte er, sich umwendend.

      »Ha, Signore meinen den von Boucher gemalten? Ja, das ist aber auch ein historischer Fächer!« war die mit verzücktem Augenaufschlag gegebene Erwiderung. »Freilich, dieser hier könnte von Watteau gelten, leider nur fehlt die Künstlermarke, und das nimmt ja viel von seinem Werte.«

      »Dennoch behalte ich ihn.« Und der Fürst zahlte zwei Drittel des geforderten Preises, der immerhin noch anständig genug war. Als er das herausgegebene Geld einstrich, fragte er nur so nebenbei: »Woher haben Sie den Boucherschen Fächer bezogen?«

      »Pariser Geschäftsverbindung, Signore«, war die prompte Antwort.

      Aha, französische Fälschung, dachte der Fürst. Laut setzte er hinzu: »Ich hätte gern einen ähnlichen Fächer besessen. Wäre die Beschaffung eines solchen möglich?«

      »Möglich schon, Signore, aber nicht sicher. Solche Kunstobjekte sind immerhin ein Glücksfall für den Händler – sie laufen nicht so gar oft in den Handel. Französische Fächer sind indes noch am leichtesten zu erlangen, denn die Revolutionen haben die Familienschätze herumgestreut wie Spreu im Winde.«

      Fürst Hochwald wurde irre an dem Manne, der da alles ganz natürlich hervorbrachte – er schien also selbst der Betrogene zu sein.

      »Wenn aber Signore wünschen, so will ich mir Mühe geben, einen schönen Fächer zu erlangen«, fuhr der Händler fort, »Signore mögen nach einer Woche vielleicht einmal vorsprechen!«

      »Gut! Ich werde nachfragen«, erwiderte der Fürst.

      »Sonst noch etwas gefällig, Signore? Eine schöne, alte, bemalte Kassette, vortrefflich erhalten, mit dem Wappen der Bianca Capello, kam erst heute in meine Hände. Un molto bellissimo prodotto d'arte. Darf ich's zeigen?«

      Der Fürst bejahte, und der Händler eilte in ein Nebenzimmer des Ladens, wo man ihn den angeregten Gegenstand auspacken sah. Während er damit beschäftigt war, trat Hochwald an das Pult des Ladeninhabers und nahm von demselben einen Dolch, den er betrachtete, wertlos fand und deshalb wieder hinlegte. Dabei fiel sein Blick auf einen adressierten Brief, der postfertig dalag, und auf der Adresse desselben fiel ihm ein Namen ins Auge, der ihm bekannt schien, – er las also die Adresse – nicht aus Neugier oder gar aus Indiskretion, sondern mehr unwillkürlich, wie es leicht geschieht, wenn man glaubt, einen bekannten Namen getroffen zu haben.

      »Signore Cavaliere Spini, Borgo San Jacopo 30.«

      Fürst Hochwald trat von dem Pulte zurück und an den Ladentisch. – War das der Spini seiner Bekanntschaft? Der Borgo San Jacobo lag ganz in seiner Nähe, er kannte die enge, schmutzige Gasse, die den Ponte Vecchio mit der Via Maggio verband. –

      Der Händler kam zurück mit der Kassette, die zwar wurmstichig war, aber gut erhalten, und die Malerei auf dem Deckel und den Seitenpaneelen zeigte eine tadellos schöne Zeichnung im besten Renaissancestil; das Wappen der Bianca Capello als Großherzogin – ein geteilter und oben gespaltener Schild mit den Palle, den Kugeln der Mediceer, dem rechten Querbalken und dem Capello, dem Hute, war oben auf dem Deckel angebracht, Schlösser und Griffe waren von teilweise vergoldetem Eisen. Der Fürst fand den Kasten schön, aber er zweifelte an seiner Echtheit – ein Einwurf, den der Händler sehr gleichmütig hinnahm, ohne sich nach der Italiener Art hoch und heilig deshalb zu verschwören. Eine Beglaubigung habe er freilich nicht für