Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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die Maremma ist ein Paradies an Schönheit und Vegetation«, erwiderte Spini mit leuchtenden Augen. »Die Malaria aber geht nur vom Juni bis Mitte September verheerend darüber hin und schadet denen nichts, die sie kennen!«

      »Aber das Kennenlernen ist doch ein verzweifelt gefährliches Experiment«, sagte Sigrid.

      »Man geht in dieser Zeit ans Meer«, verteidigte der Cavaliere mit einem bedeutungsvollen Blick auf Sigrid sein künftiges Erbe.

      »Na, ich danke – scheußliche Gegend«, meinte Boris, innerlich wütend über Spinis Gegenwart. »Nicht wahr, Gräfin, Sie würden unser zwar kälteres, aber gesünderes Rußland vorziehen?«

      »Ich bin sehr zufrieden mit der Stadt, in der ich bin, und habe keine Spezialwünsche«, war Sigrids kühle, ablehnende Antwort.

      »Nein, es ist wahr, du stehst ganz auf dem festen Boden der positiven Gegenwart«, meinte Iris neckend. »Denken Sie, Fürst, meine Schwester tadelt bitter die Leute, die in Poesie, Prosa und Gedanken irgendeine Sehnsucht in die Ferne haben. Sie hat ja insofern recht, als wir uns im schönsten Lande Europas befinden, dem Ziel der Sehnsucht von Künstlern und Laien – aber der Mensch sehnt sich doch einmal gern nach dem, was er nicht hat.«

      »Und wohin würden Sie sich sehnen, Gräfin?« fragte Fürst Hochwald gespannt.

      »Ich bin in Italien geboren und erzogen – ich habe es nie verlassen – aber ich bin trotzdem eine Deutsche«, war die feste Antwort. »Ja«, fuhr sie erglühend fort, »eine Deutsche im Herzen und im Namen, und das Ziel meiner Sehnsucht ist der deutsche Wald und die deutsche See!«

      Der Graf lächelte leise vor sich hin.

      »Du bist noch jung und kannst alles noch erreichen«, sagte er gütig.

      »Sag mal, Onkel, Hochwald liegt doch an der See, mitten unter Wäldern, was?« krähte Boris dazwischen. »Es ist doch eigentlich ein Skandal, daß ich noch niemals bei dir war.«

      »Das läßt sich noch nachholen, Boris«, erwiderte der Fürst. »Ich hoffe sogar mit Bestimmtheit darauf, daß du in meinen Wäldern noch viel jagen wirst.«

      »Nun natürlich, Onkel – kolossaler Jäger vor dem Herrn, sag' ich dir«, entgegnete Boris, indem er mit Genugtuung an seine Jagdequipierung dachte. »Dabei fällt mir ein«, fuhr er fort, »daß Sie, Gräfin Sigrid, und ich neulich mal eine kleine Meinungsverschiedenheit über ein Jagdobjekt hatten – Sie wissen noch, beim Diner bei der Fürstin Ukatschin, meiner Tante. Es wurde da solch ein Zeugs serviert mit Trüffeln, von dem ich behauptete, es sei von Schnepfen, und Sie behaupteten, es wäre von Bekassinen bereitet, was ja im Grunde dasselbe ist –«

      »Und Sie wollen ein Jäger sein?« unterbrach ihn Sigrid lachend. »Das Salmi war trotzdem aber von Bekassinen.«

      »Wir hielten beide so fest an unseren Behauptungen, daß wir wetteten; – der Preis der Wette war uns überlassen, zu bestimmen«, fuhr Boris fort. »Nun denn, Gräfin, ich habe meine Wette verloren, denn ich habe den Koch gefragt. Es waren wirklich Bekassinen.«

      »Natürlich, lieber Herr von Chrysopras!« war die ironische Antwort.

      »Und da hab' ich mir denn erlaubt, den Preis gleich zu erlegen –«, sagte Boris und zog ein längliches Etui hervor, das er Sigrid überreichte. »Ein alter Fächer für Ihre Sammlung, Gräfin«, setzte er mit einem triumphierenden Blick auf den Cavaliere hinzu.

      »Wie liebenswürdig!« erwiderte Sigrid sehr nachlässig und nicht ohne Schadenfreude, »aber leider ist es meine Schwester Iris, die Fächer sammelt, nicht ich!«

      Sie nahm Boris, der entsetzlich »paff« aussah, lachend das Etui aus der Hand. »Ich danke Ihnen trotzdem, Herr von Chrysopras«, sagte sie und reichte Iris den einfachen, weißen Pappkasten, ohne ihn auch nur geöffnet zu haben. »Hier hast du ihn, Schwester, für deine Sammlung – ich überlasse ihn dir gern, denn für mich haben nur neue Fächer Reiz und diese auch nur dann, wenn mir warm ist!«

      Das war nun freilich eine sehr deutliche Ablehnung, aber sie hätte vielleicht milder gegeben werden können, wie es der anderen schien, vor allem aber dem armen Boris selbst, der wie ein begossener Pudel dasaß und nicht genau wußte, ob er lachen oder beleidigt das Feld räumen sollte. Nur um Spinis Lippen schwebte ein ganz eigenes Lächeln, das Boris zum Glück nicht sah. Iris nahm, ganz erstarrt über die abweisende Rede ihrer Schwester, das Etui entgegen und öffnete es hastig, in dem Gefühle, in irgendeiner Weise den harten Worten die Spitze zu nehmen. Sie wickelte also den Fächer aus dem Seidenpapier und stieß gleich danach in aufrichtigem Entzücken einen kleinen Schrei aus.

      »Wie reizend, wie wunderschön!« rief sie, das Elfenbeingestell auseinanderfaltend, das deutliche Spuren des Alters und Gebrauches aufwies, denn die feingeschnitzten Stäbe waren stellenweise ausgebessert und die Vergoldung verwischt. Der Fächer selbst war von lichtblauer Seide, zwar teilweise vergilbt, aber doch noch unverletzt, und zeigte eine guterhaltene, wunderbar duftige Gouachemalerei – eine Amorettenschar darstellend, der von Amor das Schießen auf ein großes Herz als Scheibe mit Pfeil und Bogen gelehrt wird. Die Malerei trug die Marke: »Francois Boucher« und außerdem das Monogramm: J. de P. mit der Marquiskrone – das Zeichen der Pompadour. »Nein, wirklich entzückend. Sieh nur, Papa!« setzte sie hinzu und zeigte dem Grafen den Fächer, dann reichte sie Boris Chrysopras ihre Hand. »Ich bin Ihnen durch den feierlichen Entsagungsakt meiner Schwester zu meinen Gunsten meinen herzlichsten Dank schuldig. Sie sehen, ich bin ganz begeistert und toll vor Freude über meinen Schatz!«

      Boris machte ein sauersüßes Gesicht und murmelte etwas Unverständliches; – seine Situation war auch fatal genug, wenn man bedenkt, daß er sich für Sigrid in Unkosten gestürzt hatte und nun dafür den Dank seiner Korbspenderin erntete.

      So was kann auch nur mir passieren, dachte er wutentbrannt. Miß Fuxia Grant – Ihre Aktien steigen!

      Graf Erlenstein gab jetzt den Fächer weiter an den Cavaliere mit Worten höchster Anerkennung für das zerbrechliche Kunstwerk und einem Seitenblick auf Boris, verbunden mit einem leisen Kopfschütteln, das dem Leichtsinn des jungen Attaché galt, der für den Fächer sicher eine hohe Summe bezahlt hatte.

      »Immerhin möchte es schwer sein, zu entscheiden, ob der Fächer ein Original von Boucher oder eine Kopie nach ihm ist«, meinte er. »Soweit meine Kenntnisse reichen und mein Urteil mich nicht trügt, möchte ich ihn für ein Original halten«, sagte Spini nach eingehender Besichtigung des Fächers, indem er ihn dem Fürsten reichte, der, nachdem er den zerbrechlichen Gegenstand genau betrachtet hatte, ein Lächeln nicht unterdrücken konnte.

      »Warum lachen Sie, Durchlaucht?« rief Iris verwundert.

      »Nun, ich freue mich über die raffinierte und bewundernswerte Täuschung«, erwiderte Fürst Hochwald ruhig.

      »Täuschung?« wiederholten alle wie aus einem Munde.

      »Ja, wie anders soll ich's nennen?« fragte der Fürst. »Eine künstliche Antiquität klingt ja vielleicht hübscher, bezeichnet aber die Sache nicht genügend; denn wenn ein imitierter Gegenstand unter vorsätzlicher Täuschung des Käufers verhandelt wird, so ist das in dürren Worten eine Fälschung. Ich setze nämlich voraus, Boris, daß du den Fächer als ›echt‹ gekauft hast.«

      »Natürlich, Onkel«, murrte Boris schlecht gelaunt. »Der Kerl, der Antiquitätenhändler schwor bei –, ich weis nicht was, daß der Fächer echt wäre und daß er dies aus Briefen von der Pompadour und Boucher beweisen könnte. Die Briefe hat er mir auch gezeigt – sahen kolossal antik aus!«

      »Und worauf begründen Sie Ihre Behauptung an eine Fälschung, Fürst?« fragte Spini mit etwas überlegenem Lächeln.

      »Sollten Sie vielleicht eine ›Kopie‹ meinen? Dann wäre ja jede Kopie eine Fälschung des Originals.«

      »Der Fächer ist keine Kopie«, erwiderte der Befragte sehr bestimmt. »Als Kopie müßte er nach allem fast so alt sein wie das Original. Dieser Fächer hier ist aber trotz seiner Stockflecken in Elfenbein und Seide kaum älter als ein Jahr.«

      Ein allgemeines »Ah!« der Überraschung