Wie ein verliebter Fähnrich, dachte er dabei in herber Selbstkritik, aber doch lächelnd und ganz glücklich in seiner guten Idee.
Nach eingenommenem Mahle schlenderte er heimwärts, und als er Ponte San Trinitá hinter sich hatte, fiel ihm der Borgo San Jacopo ein, und der Gedanke, den Cavaliere aufzusuchen, kam ihm seit dem Besuch des Trödelladens wohl zum drittenmal. Er bog also links ab und suchte die Nummer dreißig – sie war bald gefunden – und betrat das Haus, eine nach Zwiebeln und Fritto betäubend riechende Spelunke mit finsteren, schlüpfrigen Stufen, die der Fürst heroisch hinaufkletterte, da ihn auf seine Frage ein altes Weib mit ungekämmtem Haar, das ein schreiendes Bambino wartete, hinaufgewiesen hatte nach den Mansarden. Oben unterm Dach wohnten viele Leute; sie hatten ihre Namen mit Kreide an die Türe geschrieben. Wo also »Spini« in zierlicher Rundschrift stand, klopfte der Fürst – erst zweimal vergebens, dann meinte er ein undeutliches »Entrate« gehört zu haben, öffnete die Tür und trat in eine ziemlich große Mansarde, deren einziges Fenster, nach Norden gerichtet, wie ein Atelierfenster aussah. In dem ganzen Raume lagen Öl-, Pastell- und Wasserfarben, Pinsel, Malmittel und Paletten umher, standen Staffeleien und Gliederpuppen, und vor das Fenster war ein Zeichentisch gerückt, der mit Entwürfen bedeckt schien, daneben lagen Bleifedern, Reißzeug, Tusche und Pinsel.
Eine zweite Tür führte zu einem Nebenraum, aus dem jetzt Spinis Stimme scholl, scharf und schneidend.
lang=EN-US style='font-size:14.0pt;font-family:"Gentium Book Basic";layout-grid-mode: line'>»Che si fa qui? Aspetto un' momento!«
lang=EN-US Fürst Hochwald setzte sich vor den Zeichentisch und wartete. Was er auf dem Tische liegen sah, zeigte eine Künstlerhand– das war schon in den zunächst bemerkbaren Zeichnungen alter Siegel, Münzen und Kunstgegenstände zu erkennen. Er nahm ein Blatt mit sehr sauber und peinlich ausgeführten Mediceersiegeln auf, um es zu betrachten, und dabei fiel sein Blick auf ein darunterliegendes Blatt, das er zunächst wie erstarrt anblickte – denn es war ein genauer, in Aquarell ausgeführter Entwurf zu dem Boucher-Fächer, den Boris heut in das Erlensteinsche Haus gebracht hatte. Am Rande des Blattes war ein anderer Entwurf flüchtig in Tusche und sehr verkleinert nur wie eine Notiz angedeutet – das war Zug um Zug die Zeichnung des Fächers, den er, Hochwald, in der Tasche hatte, der ihn, den feinen Kenner, selbst getäuscht! Der Fürst legte das aufgenommene Blatt wieder auf die Fächerentwürfe und stand dann auf, um vor eine der Staffeleien zu treten –: Spini durfte nicht ahnen, daß er hinter sein Geheimnis gekommen war, daß er ihn als den Verfertiger »echter« Antiquitäten und »echter« Bouchers entlarvt hatte. Wozu auch? Der Cavaliere lebte augenscheinlich von seiner Kunst, die ihm in diesen Bahnen sicher mehr einbrachte als auf dem geraden Wege des Künstlers. Schade nur um dieses große Talent, das, statt selbst zu schaffen, diese krummen Pfade der Kunstfälschung eingeschlagen hatte und dies alles vielleicht nur aus falsch verstandenem Standesgefühl, aus törichtem Namens- und Adelsstolz. Wozu diesen anscheinend maßlosen Stolz so tief und tödlich verletzen? Was ging's ihn an, wovon Spini lebte? Von einer absichtlichen, wohlüberlegten Täuschung des Publikums? Vielleicht faßte er das selbst nicht so auf, weil er ja vielleicht nur im Auftrage jenes schlauen Trödlers in der Via Porta Rossa arbeitete und sich um das Weitere nicht kümmerte. Nein, Spinis Privatangelegenheiten gingen ihm nichts an – trotzdem auch er ja zu den Getäuschten gehörte, wie es ihm jetzt erst recht klar in die Augen sprang, denn auf der Staffelei stand der peinlich und sauber in Aquarell ausgeführte Entwurf zu der Kassette mit dem Wappen der Bianca Capello!
Wie gestochen trat Fürst Hochwald von dieser Staffelei zurück und zu der nächsten hin, auf der zu seiner Erleichterung nur eine treffliche Kopie der Madonna mit dem Stern des Beato Angelica aus dem Markuskloster stand. Und während er noch vor dieser Staffelei stand, trat Spini ein – und fuhr beim Anblick seines unerwarteten Gastes mit einem scharfen Zischlaut zurück, während sein Antlitz sich förmlich verzerrte. Fürst Hochwald schien das nicht zu bemerken.
»Ich komme, Ihnen meinen Besuch zu machen, Cavaliere«, sagte er, von der Staffelei zurücktretend, »und freue mich Sie zu Haus getroffen zu haben.«
Aber Spini ergriff nicht die dargebotene Hand.
»Wo haben Sie mich aufgespürt, Fürst?« fragte er heiser.
»Ich habe wohl nicht recht verstanden«, erwiderte der Befragte kühl. »Ich sah Ihre Adresse auf dem Pult eines Antiquitätenhändlers in der Via Porta Rossa, und da ich vergessen hatte, Sie darum zu fragen, so benutzte ich diesen Zufall zu meinem Besuch –«
»Nun, und der Zweck dieser Drohung?« war Spinis Antwort, der wie ein Raubtier auf der Lauer mit funkelnden Augen dastand.
»Drohung?« wiederholte der Fürst erstaunt. »Cavaliere«, setzte er dann sehr beherrscht hinzu, »ich werde mir das Vergnügen eines Besuches bei Ihnen ein anderes Mal machen. Sie scheinen heut nicht disponiert zu sein.«
Und damit ergriff er seinen Hut und wandte sich der Tür zu – doch schon stand Spini neben ihm.
»Fürst, bleiben Sie, und verzeihen Sie mir – ich bin in der Tat heut indisponiert«, sagte er hastig, doch sein Auge verriet noch den nicht besiegten Argwohn. »Und dann, Ihr Besuch in dieser elenden Kammer, dieser Zeugin meiner Armut – das unerträgliche Gefühl der Demütigung –«
»Cavaliere«, unterbrach ihn Hochwald ernst, »haben Sie wirklich von einem deutschen Edelmanne eine solch schlechte Meinung, daß Sie ihm zutrauen, der Umstand, daß Sie eine Mansarde bewohnen, könnte Sie in seinen Augen erniedrigen? Ich bin dazu erzogen worden, den Wert des Mannes nicht nach seinem Geldbeutel, sondern nach seinem Charakter zu schätzen und den Mann um so höher zu achten, der aus eigener Kraft auf der Oberfläche des Lebens bleibt.«
»Das sind schöne, sind herrliche Worte, Fürst«, erwiderte Spini traurig. »Aber hier denkt man nicht so. Der arme Edelmann ist hier nichts, er darf nicht zeigen, daß er arm ist. Und Sie verzeihen mir?«
»Aber, Cavaliere, das bedarf keiner Worte«, sagte Fürst Hochwald lächelnd, indem er den angebotenen Stuhl annahm.
»Ich bin entzückt von den Arbeiten hier auf diesen Staffeleien; ich hatte nicht gewußt, daß Sie Künstler sind.«
»Es sind nicht meine Arbeiten«, erwiderte Spini herb. »Diese Wohnung gehört einem Freunde, der verreist ist und sie mir während der Dauer seiner Abwesenheit – zur Bewachung seiner Schätze – überlassen hat.«
Hochwald schwieg einen Augenblick betroffen – er wurde irre an diesem Manne.
»Und verkauft Ihr Freund seine Arbeiten?« fragte er dann.
»Er tut es«, war die wie mit Überwindung gegebene Antwort.
»Ah, das freut mich!« rief der Fürst und trat vor die Fiesolesche Madonna hin, »denn, Cavaliere, in diesem Falle möchte ich Sie bitten, mein Vermittler zu sein zum Ankaufe dieser Madonna della Stella. Ich sah selten eine bessere Kopie – sie ist geradezu genial. Wollen Sie mir dazu verhelfen?«
»Gern«, erwiderte Spini kurz und mühsam. »In einigen Tagen sollen Sie die Antwort haben!«
Die Unterhaltung drehte sich nun um die Florentiner Kunst im allgemeinen und wurde dadurch flüssiger. Dann, nach zehn Minuten stand der Fürst auf und empfahl sich mit einem »A rivederci«. Er stieg die Treppe hinab mit einem Gefühl der Verwirrung vor diesem Menschenrätsel, das er eben verlassen. Hatte er dem Cavaliere unrecht getan mit dem Verdachte der Antiquitätenfabrikation? Hatte er überhaupt ein Recht, daran zu zweifeln, daß Spini dieses Atelier oben nicht das seinige nannte?
Unten im Hausflur stand noch das ungekämmte alte Weib mit dem Bambino auf dem Arm, das jetzt aber nicht mehr schrie, weil es einen für unsere Begriffe geradezu grauenerregenden Schnuller oder Zulp im Munde hatte.
»Buon giorno, Signora«, sagte der Fürst stehenbleibend. »Das sind schöne, helle Mansarden droben. Die sind wohl immer von Malern bewohnt?«
Die