»Ja, Sie haben recht – was die Königin mir sagte, hat mich herzlich erfreut. Und darum auch dieser Ring« – Iris ließ das elektrische Licht in dem Farbenmeer des Opals spielen und in den ihn umgebenden köstlichen Diamanten blitzen, »ein schöner Ring«, setzte sie mit naiver Freude hinzu.
»Und doch möchte ich nicht, daß Sie ihn tragen, Gräfin!«
»Warum?«
»Aus zwei Gründen. Erstens, weil dem Opal nach alten Traditionen geheimnisvolle Kräfte innewohnen sollen, die seinen Trägern Unglück bringen«, erwiderte der Fürst.
»Aber«, meinte Iris mit ganz erstaunten Augen, »aber das ist ja –«, sie stockte.
»Aberglaube, wollen Sie sagen«, vollendete er. »Ja, Gräfin, der Mensch hat seine schwachen Seiten, besonders wenn es sich um bestimmte Dinge handelt.«
»Das verstehe ich nicht ganz –«, sagte sie verwundert.
»Ich glaube es schon. Vielleicht verstehen Sie mich nicht einmal zur Hälfte«, erwiderte er mit einem halben Lächeln.
»Nun, und Ihr zweiter Grund, Durchlaucht?«
»Ah, der hängt mit dem ersten eng zusammen!«
»Aber Fürst, die berühmte Sphinx von Theben war ja gegen Sie ein reines Kinderrätselbuch«, lachte Iris heiter.
»Doch nicht, Gräfin – ich streiche vor dieser Dame die Segel«, war die gleiche Erwiderung.
»Aber Ihr Grund, Ihr zweiter Grund gegen diesen Ring! Nein, hören muß ich ihn wenigstens, selbst auf die Gefahr hin, daß der Rede Sinn dunkel für mich bleibt!«
»Mein zweiter Grund ist klar, wie Sonnenlicht. Ich bilde mir nämlich ein, daß für Ihre Hände nur zwei Arten von Ringen passend – nein, bestimmt sind –«
»Nun –?«
»Für die Rechte ein einfacher, breiter, goldener Reifen –«
»Ein Trauring?« fragte Iris lächelnd und ganz harmlos.
»Ja«, sagte der Fürst.
»Nun, und für die Linke –?«
»Für die Linke –«, wiederholte er und stockte dann. »Nein, Gräfin, Sie dürfen diesen Opal nicht tragen, wirklich nicht«, setzte er lebhaft hinzu. »Sie sind nicht geschaffen für Unglück und Leid und Nacht – denken Sie, wenn dieser Opal Ihnen wirklich die Sonne erlöschen ließe, die Sie zum Leben brauchen. Ich würde sagen, geben Sie mir den Ring, und ich will Ihnen einen anderen dafür geben – aber ich bin beinahe ein alter Mann, jedenfalls ein Mann im Herbste des Lebens, und Sie würden mir dies kostbare Andenken an die Träne einer Königin, an eine von Ihrer Kunst entlockte Träne nicht anvertrauen –«
»Man sagt aber doch immer, daß das Alter zuverlässiger ist als die Jugend«, unterbrach sie ihn lächelnd.
Er sah ihr ernst und sichtlich bewegt in die klaren, unschuldigen Kinderaugen.
»Gott segne Sie«, sagte er leise, so leise, daß sie ihn kaum verstand, und in diesem Augenblicke kam Graf Erlenstein, um seine Tochter zu benachrichtigen, daß es Zeit sei, heimzufahren. Er hatte Sigrid schon aus der Menge hervorgeholt und blieb nur noch, um sich von der Dame des Hauses verabschieden zu können. Fürst Hochwald benutzte diese Gelegenheit, den Grafen um die Erlaubnis zu bitten, ihn aufsuchen zu dürfen.
»Aber das wird mir ja eine besondere Freude sein«, war die freundliche Entgegnung, »nur ist's noch ziemlich kunterbunt bei uns, weil noch nicht alles vom Umzuge her an Ort und Stelle steht, aber ein Fleckchen zum Plaudern wird sich ja mit Hilfe meiner Töchter schaffen lassen!«
Als dann alles gegangen war und Hochwald der erschöpften, aber von dem Erfolg ihres Abends ganz seligen Madame Chrysopras gute Nacht gesagt, traf er in der Garderobe seinen Neffen, der sich mit wütendem Gesicht in einen fabelhaft kurzen Überzieher, aus dem sogar seine Frackschöße noch hervorsahen, einzwängen ließ.
»Gehst du noch aus, Boris?« fragte er verwundert, denn es war schon, selbst für eine italienische Abendgesellschaft, reichlich spät.
»Nur nach Hause«, pustete Boris, der den Überzieher nicht über die Schultern brachte.
»Du wohnst nicht hier?«
»Na, Onkel, das könnte mir passen! Damit Mama jeden Ausgang von mir kontrollierte, nicht wahr? I wo! Weit vom Schuß ist gut. Ich wohne im ›Angleterre‹ am Lungarno!«
»Gut, dann haben wir denselben Weg. Ich gehe aber, denn ich muß Luft haben und Bewegung nach diesem Massenmord in solcher Atmosphäre!«
»Bon, Onkel, ich gehe mit! Atmosphäre? Na, da sei noch froh, daß hier elektrische Beleuchtung ist und kein Gas. Uff na, nun wären wir so weit!«
Boris war richtig in seinen Überzieher gelangt, der ihn nun mit beängstigender Enge umspannte, dann ließ er sich noch ein Paar Gummigaloschen von dem Umfang kleiner Panzerkorvetten über seine Schnabellackschuhe ziehen, stülpte seinen atlasgefütterten Claque auf und folgte nun dem Fürsten, schlürfend und latschend infolge seiner Fußbekleidung, sonst aber stumm und vor sich hinbrütend.
»Boris, du bist ja so schlechter Laune, brauchst du Geld?« fragte der Fürst, als sie nach einer Weile nach der Via Faenza einbogen.
»Na, Onkel, kennst du einen, der keins braucht?« war die prompte Erwiderung.
»Das möchte ich doch nicht so schroff hinstellen«, meinte Fürst Hochwald lachend. »Aber jedenfalls hoffe ich, du wirst dich nicht genieren und meinen leider stets vergessenen Paten- Obolus mit Zinsen von mir annehmen!«
»Donnerwetter, das nenn' ich ein taktvolles Geschenk!« rief Boris mit aufrichtiger Bewunderung. »Onkel, daraus sieht man, Noblesse ist angeboren und läßt sich nicht verleihen – hupp la!« setzte er überlaut hinzu und verschwand von der Bildfläche, das heißt, er fiel der Länge nach aufs Trottoir.
»Gott steh mir bei, was machst du denn da?« rief der Fürst entsetzt.
»Schad't nischt, Onkel«, murmelte Boris, sich emporraffend und die Knie abklopfend. »Ich bin bloß über meine Galoschen gestolpert! Nee, das ist rührend von dir«, setzte er aufrichtig hinzu und fiel dem gänzlich unvorbereiteten Fürsten um den Hals.
»Aber deswegen, des Geldes wegen war ich nicht schlechter Laune, wahrhaftig nicht. Hab' ich welches, na, dann ist's gut– hab' ich keins, na, da hab' ich halt keins. Ich habe mich bloß geärgert, weil der Lump, der Spini, sich mit solch aalglatter Gewandtheit an die Erlensteins ´rangemacht hat, daß er die kleine Sigrid zum Wagen führen durfte statt meiner. Gerade um eine Nasenlänge kam ich zu spät!«
»Holla, holla, alter Junge! Du wirst wieder fallen«, hielt der Fürst seinen Neffen von einem zweiten Sturze über seine Galoschen auf. »Ja«, setzte er dann hinzu, »auf dem Turf, im Spiel und in der Liebe muß man sich an die Spitze der Bewegung setzen, wenn man gewinnen will. Übrigens, wer und was ist dieser Cavaliere Spini?«
»Was wird er sein? Solch ein eleganter Pflastertreter, wie's in allen Großstädten genug gibt. Er ist wie die alte Marquise in Sardous ›Dora«, die keine andere Ressource hat, als ihres Seligen unverkaufte Flinten – er hat ein unerreichbares Marquisat irgendwo im Monde oder in Parma, was weiß ich!«
»Also so eine Art von vornehmem Abenteurer?«
»Ganz problematische Existenz! Kein Mensch weiß, wovon er lebt und wo! Zeigt sich in allen Klubs, und keiner wagt's, ihn rauszuschmeißen – ganz gefährlicher Duellant. Macht's halt mit seinem Namen. Man nennt ihn im Klub zu Rom, »die Lilie des Feldes«, weißt du, weil er weder sät noch erntet usw.«
»Ah – sehr gut! Aber wieso in Rom? Ich denke, er lebt hier in Florenz!«
»Das heißt, er ist den Erlensteins nachgegangen! War schon in Rom immer Sigrids Schatten!