Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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Carola kennt ihre Leute,« warf van der Lohe hin.

      Er merkt nicht den Spott und ahnt nicht, daß sie ihn nur zu solch anmaßenden Äußerungen verlocken will.«

      »Ja, und so geht es, sobald die beiden sich sehen. Carola meint, solch kleine Aufregungen wären gesund,« sagte der Professor, noch immer lachend. »Nein, Fräulein Eckhardt, Leßwitz wird dadurch nicht gekränkt, denn wäre dies der Fall, so würde Carola sicher mit ihren Herausforderungen einhalten. Warum ist der Mensch so eitel? Sehen Sie, es wäre ganz dasselbe, wenn ich zum Beispiel mich für den einzigen Bildhauer der Welt hielte und es nur mit verächtlichen Reden und verbissener Wut hören könnte, wenn andere gelobt werden. Leßwitz verträgt es nicht einmal, wenn man die Namen Toter rühmt.«

      »Wie kleinlich!« rief Rose verwundert.

      »Gewiß! Und darum muß es sich Herr Leßwitz schon gefallen lassen, wenn man ihn ein wenig hänselt.«

      Rose lächelte und sah wieder dem Bildhauer schweigend bei seiner Arbeit zu. Nach einer Weile sagte sie, auf das verhüllte Etwas auf dem Gestell in der Mitte der Werkstatt deutend: »Ist es erlaubt, dieses verschleierte Bild zu Sais zu enthüllen?«

      »Es ist unvollendet,« erwiderte der Professor, »eine Gruppe, die mir hoffentlich Ehre machen wird. Mein lieber Freund van der Lohe hat mir die Stille seines Landgutes angeboten, dieses Werk zu schaffen, damit ich in Ruhe meine Arbeit beenden kann. Ihre Augen drücken Spannung aus, Fräulein Eckhardt, Sie möchten diesen Anfang zur Tat sehen?«

      »O, Sie werden Ihr Werk nicht dem ersten besten zeigen, der neugierig darauf ist,« sagte Rose bescheiden.

      »Neugierig?« wiederholte der Professor, »nein, Fräulein Rose, Neugierige bekommen es auch nicht zu sehen. Aber Sie sind nicht neugierig, sondern teilnehmend, und das ist etwas anderes.«

      Mit diesen Worten trat der Professor an das Gerüst und zog das verhüllende Tuch herab. Einen leisen Ruf der Überraschung ausstoßend, trat Rose näher: auf dem Gerüst stand eine im Werden begriffene lebensgroße Gruppe, deren Figuren fast ganz ausgearbeitet, die Köpfe indessen nur angedeutet waren, als hätte der Meister die Züge noch nicht gefunden, die er seinen Gestalten geben wollte, – eine Darstellung von Goethes »Heideröslein«. An einem Baumstamm, um den sich wilde Rosen schlangen, stand ängstlich abwehrend eine schlanke Mädchengestalt mit langwallendem Haar, barfuß, im kurzen, geschürzten Röckchen und Mieder; den Arm nach ihr ausstreckend, mit der anderen Hand eine Rosenranke zurückbiegend, trat die Gestalt eines in die malerische Tracht der Landsknechte gekleideten Mannes auf sie zu.

      »Heideröslein,« sagte van der Lohe erklärend und Rose wandte sich hastig nach ihm um.

      »Was soll ich?« – Und als beide Herren sie fragend ansahen, fügte sie errötend hinzu: »Verzeihen Sie, ich glaubte, Sie riefen mich; ich bin diesen Namen so gewöhnt, denn mein Vater pflegte mich nie anders zu nennen.«

      Professor Körner heftete seinen Blick überrascht auf das junge Mädchen, dann zog er wieder die feuchte Decke über seine Gruppe.

      »Heideröslein,« wiederholte er. »Sie müssen mir erlauben, Sie auch so zu nennen, Fräulein Eckhardt!«

      »In Gedanken meinetwegen, aber bitte, nicht laut,« sagte Rose munter. »Doch jetzt muß ich gehen, Frau van der Lohe soll nicht etwa denken, daß ich unpünktlich bin.«

      Damit machte sie eine leichte Verbeugung und eilte aus der Werkstatt ins Freie, der Villa zu.

      Als sie hinaus war, sagte der Professor: »Und da vergleichen sie dies Mädchen mit einer Lorelei, einer Leonore ich selbst mit einer Thusnelda! Lächerlich, Heideröslein ist sie, nichts anderes. Eine Märchengestalt mit ihrem Goldhaar und den wunderschönen Augen – meinen Sie nicht auch, lieber Jo?«

      Aber der Professor predigte leeren Wänden, sein Freund war verschwunden.

      Der Bildhauer lachte leise vor sich hin: »Sah' ein Knab' ein Röslein stehn –. Meinetwegen, – ich habe heute mein Modell gefunden, freue dich, mein Heideröslein,« rief er, indem er abermals die schützende Decke von seiner Gruppe zurückzog und sich dann davor in ernstes Studium versenkte.

      Als Rose die Werkstatt verlassen hatte, war sie noch keine sechs Schritte vorwärts gekommen, als sich van der Lohe neben ihr befand.

      »Welch herrlicher Tag,« begann er, »der Mai ist in diesem Jahr selten schön und im Wachstum voraus. Finden Sie den See im Sonnenlicht ebenso anziehend wie im Mondschein, Fräulein Eckhardt?«

      »O gewiß,« antwortete sie kühl.

      Sie gingen einige Schritte schweigend nebeneinander her.

      »Sind Sie böse auf mich, Fräulein Eckhardt?« fragte er nach einer Pause. »Ich kann mir denken, warum.«

      »Ich habe kein Recht, Ihre Handlungen zu bekritteln,« entgegnete sie abweisend. »Sie sind der Herr des Hauses, ich bin nur die Vorleserin Ihrer Mutter. Es ist die gerechte Strafe für meinen eigenmächtigen Mondscheinspaziergang, dessen Ungehörigkeit Sie mir wahrscheinlich damit andeuten wollten, daß Sie taten, als sähen Sie mich heute früh zum ersten Male –«

      »Halt,« unterbrach er sie. »In diesem Licht dürfen Sie die Sache nicht betrachten. Ich möchte Ihnen nur raten, nicht über Ihren gestrigen Ausflug in die Klosterruine am See zu plaudern, weil am Ende jemand so kleinlich sein könnte, die Auffassung breit zu treten, daß Mondscheinspaziergänge für junge Damen Ihres Alters und Ihrer Stellung nicht passend sind.«

      Rose sah überrascht zu ihm auf.

      »Denken Sie das auch?« fragte sie stockend, »ich hatte mir nichts Böses dabei gedacht. Aber ich hätte überlegen müssen, daß ich nicht mehr im Walde, sondern unter Menschen lebe.«

      »Sie werden bald genug dahinterkommen,« erwiderte er etwas bitter. »Ich für meinen Teil gehöre nicht zu denen, die Ihrem Ausflug eine falsche Deutung geben dürften, denn ich kann es mir ganz gut vorstellen, daß Sie keine Nebenabsichten hatten. Heimweh, der Wunsch nach der gewohnten frischen Luft – einen anderen Grund hatten Sie sicher nicht.«

      Er sagte das so freundlich, so verständnisvoll, daß Rose ihm dankbar die Hand reichte. Jetzt wußte sie, warum er sie heute scheinbar verleugnet hatte, trotzdem er zartfühlend keine Namen nannte.

      »Darf ich Ihnen einen Rat geben?« fragte er.

      »Oh, ein ganzes Dutzend, wenn Sie wollen,« lachte sie fröhlich.

      »Das wäre zuviel auf einmal, ich will mir diese Erlaubnis in zwölf Teile teilen,« erwiderte er. »Also vorerst einen Rat: bemühen Sie sich, in der Gesellschaft hier eine höchst korrekte junge Dame zu werden, in Ihren Mußestunden draußen im Freien, da mögen Sie sich immerhin gehen lassen. Und wenn Sie sich an eine der Damen des Hauses anschließen wollen und möchten, dann empfehle ich Ihnen meine Kusine Carola. Doch wir sind zur Stelle, unsere Wege trennen sich hier.«

      Damit grüßte van der Lohe und ging dann den breiten Kiesweg nach dem See hinab.

      Es war an dem Oberon-Springbrunnen, wo sie sich trennten, und Rose blieb nachdenklich an dem Muschelbecken stehen. Was hatte er mit seinem Rat gemeint? Vor wem wollte er sie warnen? Es waren ja außer Carola nur noch seine Mutter und Frau von Willmer im Hause.

      Sie brach in Gedanken ein Monatsröslein ab und hielt es unter die sprühenden Wasserstäubchen, deren kühler Strahl auch ihre Hand netzte.

      »Was hat Ihnen die Rose getan, daß Sie ihr den Tod, wenn auch einen recht poetischen, geben wollen, Fräulein Eckhardt?« sagte eine klangvolle Stimme hinter ihr. Sie schrak zusammen und sah sich um, Herr von Hahn stand neben ihr. »Das arme Ding von einer Rose – der Strahl aus Oberons Horn ist zu stark für sie gewesen, sehen Sie nur, da fallen ihre Blätter schon in das Becken.« Er lachte und sah Rose so dreist in die Augen, daß sie unwillkürlich zurücktrat und die Blume vollends in das Wasser warf.

      »Gönnen wir ihr den poetischen Tod, Herr Baron,« sagte sie kühl, indem sie ihr Taschentuch hervorzog, um die Hand zu trocknen.

      Im Nu hatte er diese ergriffen.

      »Sie