Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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abgerechnet ihre kleinen Wortgefechte und harmlosen Neckereien mit Carola oder Sonnenberg, so bot ihre volle, frisch und glockenklar klingende Sopranstimme stets eine angenehme Abwechslung. Überhaupt faßte die alte Dame Roses Stellung im Hause sehr wohlwollend auf und behandelte sie ganz als zur Familie gehörend, während Olga von Willmer ihr gegenüber eine hochmütige Zurückhaltung bewahrte.

      Der Mai war vorüber, und der Juni kam mit der gleichen Pracht und demselben Sonnenschein.

      In der breiten Allee, die nach dem See führte, wandelte Frau van der Lohe am Arm ihres Sohnes auf und ab. Die übrige Gesellschaft war in den Wald gegangen, um Pilze zu suchen, beide waren daher ungestört. Daß seine Mutter ihm etwas zu sagen hatte, fühlte van der Lohe, aber er wußte auch, daß sie nie unvorbereitet zur Sache kam und einen Schlag ins Blaue führte, denn sie war ein geschickter Stratege, und ehe sie einen neuen, wohlüberlegten Streich führte, begann sie immer von anderen Angelegenheiten, die sie noch nicht durchzusetzen imstande gewesen war. Sie nannte das »jemand mürbe machen«.

      Nachdem sie zur Einleitung über nichtssagende Dinge geplaudert hatte, fragte sie mit scheinbarem Interesse:

      »Wie steht es in den Werken draußen?«

      »Wie meinst du das, Mama?« fragte van der Lohe verwundert zurück. Seine Mutter bekümmerte sich sonst um alles andere eher als um die Eisenwerke, denen die Lohes zwar ihren Reichtum verdankten, die sie indes nichtsdestoweniger zu »übersehen« pflegte.

      »Nun, ich meine, ob die Arbeiter ruhig sind? Ich würde die Aufregungen eines Streiks nicht vertragen, Jo!«

      »Es ist nichts Derartiges zu befürchten,« entgegnete er, »überhaupt ist unsere Gegend wenig von dem sozialen Gifte der Unzufriedenheit berührt worden. Im Gegenteil, die Stimmung meines ›rußigen Heeres‹, wie du es zu nennen beliebst, ist durchaus zufrieden und ruhig. Solange die Arbeiter sehen und fühlen, daß die Fabrikherren sie nicht als Maschinen, sondern als Menschen behandeln, sind die Ruhigen und Zufriedenen überwiegend. Die aufgereizten Heißsporne werden von ihren Arbeitsgenossen am besten im Zaume gehalten. Ich habe erst gestern einen bei mir arbeitenden jungen Mann aus guter Familie heimgeschickt, weil er anfing, grob gegen meine Leute zu sein. Fest und bestimmt müssen wir sein, unerbittlich in ernsten Fällen, grob aber niemals.«

      Frau van den Lohe, die sonst gern etwas über die »moderne« Auffassung der Arbeiterfrage spöttelte, zog es vor, heute beistimmend zu nicken. Sie wußte ohnehin, daß über derartige Punkte mit ihrem Sohne nicht zu streiten war.

      »Sehr richtig,« pflichtete sie bei und setzte nach kurzem Zögern hinzu: »Dein Verdienst um den Handel und deine humanen Ansichten werden übrigens nach Gebühr anerkannt, nicht nur in den verschiedenen Kreisen der Gesellschaft, sondern auch Allerhöchsten Ortes. Der Orden, den dir unser Landesfürst vor kurzem verliehen hat, ist wirklich eine für dich schmeichelhafte Auszeichnung, der wohl bald der Titel, den dein Vater führte, folgen wird.«

      »Wahrscheinlich,« sagte van der Lohe gleichgültig.

      »Wie du das nur wieder sagst,« rief sie tadelnd, »als ob du dir aus einer solchen Auszeichnung gar nichts machtest! Ich bin überzeugt, es kostet dich ein Wort, und auch der Adel wird dir verliehen.«

      »Mamachen, Mamachen, du möchtest mich gern zum Herrn Baron machen,« sagte er lächelnd.

      »Warum nicht?« rief sie, indem ein feines Rot über ihre gelblichen Wangen flog, »der Adel würde dir und mir eine festere Stellung in der Gesellschaft geben, die Hofkreise wären dir geöffnet – Jo, du wirst dich um den Adel bemühen, nicht wahr?«

      »Nein, ich werde es nicht tun,« entgegnete er ärgerlich, »du kennst doch meine Ansichten, Mutter! Ich habe als Herr van der Lohe eine viel festere Stellung, auch in den Hofkreisen, als ich sie als neugebackener Baron hätte. Mein Name ist ein alter und von gleich gutem Klange wie der der Welser und Fugger, er ist bekannt im ganzen Lande, in Europa und weiter hinaus. Der Fabrikherr van der Lohe ist eine überall mit Achtung empfangene Person, der neugebackene Baron wäre nur ein Emporkömmling, ein Geldprotz, über den der Geburtsadel doch bloß lächelt.«

      »Wie,« rief die alte Dame entrüstet, »lächelt? Und ich, deine Mutter, bin aus ihrem Lager, eine Stahleck? Ich bitte dich, Jo, laß niemand solche Ansichten hören. Sie könnten höheren Ortes verschnupfen.«

      »Du irrst, Mama,« entgegnete van der Lohe, indem er stehen blieb, »als ich bei meiner letzten Anwesenheit in St. zum König gerufen wurde, um ihm einen Vortrag über unsere Eisenwerke zu halten, bot der Monarch mir selbst den Adel an, und ich antwortete dem König, was ich dir soeben sagte. Wort für Wort!«

      »Jo!« rief Frau van der Lohe entsetzt, »Jo, bist du denn bei Sinnen? Oh, jetzt ist alles vorbei, wir sind in Ungnade gefallen.«

      »Im Gegenteil, Mama. Der König drückte mir die Hand und billigte meine Gründe, indem er sagte: ›Lohe, Sie sind ein prächtiger Mensch, ich liebe Leute, die ihren Grundsätzen treu bleiben.‹ Und dann äußerte er die mir zum Herzen gesprochene Ansicht, ein neugeadelter Patrizier gleiche in seinen Augen einem alten, edlen Gebäude, das Unverstand und Geschmacklosigkeit mit einen neu aussehenden Firnis überpinselte und dadurch wertlos machte. Und nun siehst du, Mutter, daß meine Worte nicht verschnupft haben.«

      »Trug, Trug und Täuschung,« jammerte Frau van der Lohe, »wir werden es doch empfinden müssen.«

      »Nein, Mutter. Der König ist keine Wetterfahne, die sich heute so, morgen anders dreht. Die Bekräftigung seiner Worte war eben jener hohe Orden, der mir verliehen wurde, und der mir nun in der Tat wert ist, als ein Beweis des hochdenkenden Sinnes unseres Landesherrn.«

      Die alte Dame ergab sich nur schwer in ihr Schicksal, denn der Adelstitel für ihren Sohn wäre ihr ein kleines Pflaster gewesen für den geopferten einer Reichsgräfin von und zum Stahleck.

      »Du bist ein Starrkopf wie dein Vater, Jo,« seufzte sie.

      »Nun, ich glaube, ich habe mein Teil auch von dir geerbt,« entgegnete er lächelnd, seiner Mutter eine prächtige Rose von einem Stamm schneidend.

      »Danke,« sagte sie froh und dachte: er ist guter Laune schmieden wir das Eisen, solange es warm ist. Laut fügte sie hinzu: »Jo, du hast mir heute eine lange gehegte Hoffnung vernichtet. Du wirst das verstehen.«

      »Offen gestanden, nein, Mama.«

      »Nun, streiten wir nicht darüber. Der van der Lohesche Stolz steht hinter dem der Stahlecks nicht zurück.«

      »Ich hoffe, du teilst ihn, Mama, da du diesen Namen auch führst.«

      »Ja, ja, wer behauptet denn das Gegenteil?« rief sie ängstlich und setzte schmeichelnd hinzu: »Da du mir also die Hoffnung einer Standeserhöhung unserer Familie vernichtet hast, so rechne ich sicher, daß du mir dafür eine andere erfüllen wirst, mein Sohn.«

      »Wenn es in meiner Macht liegt, gewiß, Mama,« entgegnete van der Lohe, »du weißt ja, daß du die einzige bist, der ich Freude bereiten, für die ich sorgen kann!«

      »Nun, so mache mir bald, recht bald die größte Freude, Jo, und führe mir eine Schwiegertochter zu!«

      Sie atmete hoch auf, das große Wort war gesprochen, und mit schnellem Blick suchte sie den Eindruck in den Zügen ihres Sohnes zu lesen. Dieser lächelte fein.

      »Das also war des Pudels Kern,« sagte er und fügte dann nicht ohne einen Anflug von Spott hinzu: »Aber, Mama, bedenkst du denn auch, daß du den Löwenanteil deines Regiments dieser ersehnten Schwiegertochter abgeben müßtest?«

      »Nun, ich bin nicht so herrschsüchtig und will mich gern mit der Rolle einer Königin-Mutter begnügen,« erwiderte sie mit dem strahlenden Lächeln, das ihrem ernsten Gesicht so gut stand, – sie hielt ihr Spiel für gewonnen. »Es freut mich zu hören, daß du endlich deine Abneigung gegen dies Thema überwunden hast!«

      »Ah, du meinst also, ich werde nun ohne weiteres auf die Brautfahrt gehen und unter den Töchtern des Landes wählen?«

      »Auf die Brautfahrt? O nein, warum sollst du, um mit dem Dichter zu reden, in die Ferne schweifen?«