Die Straßen der Großstadt Portland erstrahlten unter der künstlichen Beleuchtung. Zu dieser Zeit wurde es noch sehr früh dunkel und die vielen Laternen spendeten ein gelbliches Licht. Ihr Weg führte sie zurück in die Innenstadt mit den großen Bürogebäuden. Vivian setzte sich in ein kleines Café und zog ihr Mobiltelefon aus der Handtasche. Sie musste Tiana informieren, was sie entdeckt hatte. Sie wählte die Nummer ihrer Freundin und wartete bis das Gespräch aufgebaut war.
»Hallo Vivian, du bist zu früh. Ich bin noch dabei etwas herauszufinden«, meldete sich Tiana mit fröhlicher Stimme.
»Ich kann nur hoffen, dass es für uns nicht schon zu spät ist!«, sagte Vivian verärgert. »Man setzt uns als Drogenkuriere ein. Das Päckchen, was du transportieren solltest, enthielt irgendein grobkörniges Pulver.«
»Das kann alles Mögliche sein«, erwiderte Tiana.
Vivian verdrehte einen Moment die Augen, »Warum sollte man uns wohl dafür bezahlen ein Pulver durch die Gegend zu tragen und dann auch noch in einem illegalen Bordell abliefern?«
»Was weiß ich? Vielleicht ist es ein experimentelles Medikament, was ausgeliefert werden muss.«
»Welche Nutte verteilt Medikamente? Wenn es Drogen sind und wir damit erwischt werden, gehen wir für mindestens fünf Sonntage ins Gefängnis!«
Tiana stöhnte, »Die fünf Wochen halten wir auch noch aus.«
»Mein Gott bist du naiv Ti. Das Mindestmaß für Drogenschmuggel in nicht geringen Mengen sind fünf Jahre, also gehen wir dann für fünf Ostersonntage in den Bau und nicht nur ein paar Wochen. Außerdem kennen wir unsere Auftraggeber nicht, um den Cops Hinweise zu geben. Wir sollten keine Aufträge mehr für SNB durchführen, hörst du?«
»Bist du völlig irre? Ich muss mein Studium bezahlen und auch von irgendwas leben! Ich kann es mir nicht leisten, auf die Bezahlung zu verzichten.«
Vivian wurde sauer, »Du kannst nicht im Gefängnis studieren Ti. Wenn sie dich damit erwischen fährst du ein und du kannst dein Studium begraben. Niemand wird dich mehr einstellen, wenn du wegen Drogenschmuggel verurteilt wurdest. Wir müssen einen anderen Weg finden, uns zu finanzieren.«
»Und was bitte?«, fragte sie erwartungsvoll.
»Ich weiß es noch nicht, aber uns wird sicher etwas einfallen. Jetzt kümmere du dich um den Typen, den ich verfolgt habe. Ich hab den Auftrag erledigt, du wirst also noch mindestens einmal bezahlt und dann sehen wir weiter.«
Tiana brummte nur kaum hörbar und unterbrach das Gespräch. Vivian steckte ihr Handy wieder in die Handtasche. Ihren nächsten Anruf durfte sie unter keinen Umständen von einem Telefon machen, dessen Nummer auf sie registriert war. Es musste ein öffentliches Telefon sein und keinen Aufschluss darüber geben, dass sie damit telefoniert hatte. Sie musste dieses Teufelszeug möglichst loswerden und das klappte am besten mit einem anonymen Anruf bei der Polizei von Portland. In dem Café, in dem sie saß, würde das nicht funktionieren. Die ganze Zeit hatte sie sich möglichst unauffällig umgesehen und eine Menge Kameras entdeckt. Gut versteckt, aber dennoch sichtbar. In einer Stadt wie Portland war das normal, um Überfälle zu vermeiden oder den Tätern schneller auf die Spur zu kommen.
Vivian bezahlte ihre Rechnung und spazierte aus dem Café in die laue Nacht hinaus. Sie wusste bereits, wo sie telefonieren konnte. Ganz in der Nähe ihrer Wohnung befand sich eine Telefonzelle, die auch nicht von Kameras überwacht wurde. In aller Ruhe lief sie durch die noch belebten Straßen der Stadt. Kurz bevor sie das Telefon erreichte, blickte sie sich noch einmal um. Niemand war ihr gefolgt, wie sie erkennen konnte. In ihrer Tasche kramte sie nach der Telefonkarte, die sie sich für Notfälle gekauft hatte. In der kleinen Seitentasche wurde sie dann endlich fündig. Sie stellte sich in die Zelle, nahm den Hörer ab und führte die Karte in den dafür vorgesehenen Schlitz ein. Sie wählte die normale Notrufnummer und gab dem Beamten am anderen Ende den Hinweis auf das Versteck des eigentlichen Pakets.
* * *
Unweit des kleinen Cafés, in dem Vivian Burgess gerade mit der Polizei telefoniert hatte, lag Edwin Nash in seinem Krankenbett. Die Klinik in der Stadtmitte von Portland war auf Schusswunden, wie er sie abbekommen hatte, spezialisiert. Ashleigh Spears und ihr Kollege vom FBI wollten zumindest hören, was ihnen der überführte Dealer sagen konnte. Sie waren mit ihren Ermittlungen nicht sehr viel weitergekommen. Alles, was sie bei der Polizei erfahren hatten, stand schon in ihren Akten, die sie bekamen, bevor sie in Washington gestartet waren. Nun galt es dem Verletzten etwas auf den Zahn zu fühlen.
Sergeant Roger Barber führte die Besucher des FBI zu dem Verletzten in die Klinik. Er hatte bereits seine Beamten darauf angesetzt, die beiden Drogenkönige der Stadt ausfindig zu machen. Obwohl man den beiden viele Jahre nicht das geringste nachweisen konnte, versteckten sie sich vor den Ermittlungsbeamten. Das Geld, was sie mit ihren Drogengeschäften verdienten, nutzten sie, um sich irgendwo in Portland zu verstecken. Es war sehr schwierig, die beiden aufzufinden. Sie überließen die Geschäfte ihren Angestellten. Die beiden Größen des Geschäfts zogen nur im Hintergrund die Fäden.
Cooper Knight war nicht wirklich auf Betriebstemperatur gekommen. Er konnte sich nicht recht auf den Fall konzentrieren. Statt sich mit den Fakten zu beschäftigen, interessierte er sich mehr für seine Kollegin. Sie kam ihm in diesem Frühling deutlich hübscher vor als zuvor. Knight musste sich eingestehen, dass er deutlich mehr an seiner Kollegin interessiert war als an dem Fall, den sie bearbeiteten. Spears hingegen beachtete ihn kaum. Sie versuchte den aufgetragenen Kriminalfall zu lösen. Es war immer so bei ihr. Da intime Beziehungen unter Kollegen des FBI verboten waren, verbiss sie sich in den Fall und achtete nicht mehr so sehr auf ihren Kollegen.
Der Verletzte Edwin Nash lag eingehüllt in Verbände und dem gängigen Krankenhaushemdchen in seinem Krankenbett und starrte die Decke an. Er hatte sich bereits damit abgefunden, nach seinem Aufenthalt in der Klinik für einige Jahre in einer