Ein tödliches Komplott. Matthias Boden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Boden
Издательство: Bookwire
Серия: Michael Korn & Liz Croll
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783985109371
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mit dem Vor­schlag ein­ver­stan­den. Leo­nie nahm ih­re Toch­ter an die Hand und brach­te sie zu ih­rem Waf­fen­schrank, der deut­lich grö­ßer war. Sie durf­te sich ei­ne da­von aus­su­chen, mit der sie schie­ßen woll­te. Die ers­te Rück­fra­ge von Emi­lia war, wel­che da­von den kleins­ten Rück­stoß hat­te. Sie mach­te sich Sor­gen um ih­re Schul­ter. Nach­dem ih­re Hän­de schon we­gen der neu­en Waf­fe weh ta­ten, woll­te sie das nicht auch noch an ih­rer Schul­ter er­le­ben. Leo­nie gab zu, dass sie das nicht aus­hal­ten wür­de, egal wel­che da­von sie sich auch aus­such­te. Al­ler­dings war die Lö­sung ganz ein­fach. Die Mut­ter wür­de das Ge­wehr an ih­rer Schul­ter an­drücken und Emi­lia wür­de zie­len und feu­ern wie vor­her schon bei Mi­chaels Dienst­waf­fe. Emi­lia such­te sich dann das für Leo­nie per­so­na­li­sier­te Ge­wehr aus.

      Leo­nie ver­hak­te ihr Ge­wehr mit der in­te­grier­ten Auf­la­ge in den Plat­ten der Ter­ras­se und press­te ih­re Schul­ter da­ge­gen. Emi­lia leg­te sich ne­ben ih­re Mut­ter und mach­te große Au­gen als sie einen Blick durch das Ziel­fern­rohr warf. Das war ein deut­lich bes­se­res als sie auf ih­rem Luft­ge­wehr mon­tiert hat­te. Aber Leo­nies Ge­wehr war auch auf wei­te­re Ent­fer­nun­gen aus­ge­legt. Die­se Stre­cken wür­de Emi­li­as Luft­ge­wehr nie­mals er­rei­chen. Die Toch­ter von Micha und Leo­nie durf­te ei­ne ein­zel­ne Pa­tro­ne ein­le­gen und dann auf ein be­lie­bi­ges Ziel an­vi­sie­ren. Leo­nie zwang sich nicht zu über­prü­fen wie ih­re klei­ne Toch­ter an­leg­te. Sie ließ sich über­ra­schen. Emi­lia di­ri­gier­te das Fa­den­kreuz auf die Po­si­ti­on, die sie tref­fen woll­te und drück­te dann den Ab­zug durch. Das Pro­jek­til durch­schlug das an­vi­sier­te Ziel und Emi­lia warf die klei­nen Ar­me in die Luft. Das war für sie das bis da­hin bes­te Er­leb­nis ih­res jun­gen Le­bens.

      In Zu­kunft durf­te sie mit ih­rem Va­ter und Do­lo­res trai­nie­ren und dann auch öf­ter mit den Dienst­waf­fen der bei­den schie­ßen. Die bei­den Mäd­chen konn­ten nicht glück­li­cher sein. Sie wa­ren auf der gan­zen In­sel ein­zig­ar­tig. Sie hat­ten einen Va­ter, der für die bei­den al­les Er­denk­li­che mög­lich mach­te und sie ver­göt­ter­te. Und sie wa­ren die ein­zi­gen Kin­der, die gleich­zei­tig zwei Müt­ter als ihr ei­gen be­zeich­nen konn­ten. Die an­de­ren Kin­der aus dem Kin­der­gar­ten wa­ren et­was nei­disch auf die bei­den Mäd­chen. Ihr El­tern­haus funk­tio­nier­te ta­del­los und im­mer war je­mand für sie da. Wäh­rend der Fe­ri­en durf­ten die bei­den auch deut­lich län­ger auf­blei­ben als ih­re Freun­din­nen aus der täg­li­chen Er­zie­hungs­an­stalt.

      Die an­de­ren wuss­ten nicht, was die El­tern der bei­den Mäd­chen ar­bei­te­ten, aber sie wa­ren im­mer er­reich­bar. Vie­le El­tern hat­ten das Pro­blem, dass sie nicht ein­fach von der Ar­beit zu ih­ren Kin­dern ei­len konn­ten. Nur ab und an wa­ren we­der die Müt­ter noch der Va­ter ei­ni­ge Wo­chen nicht zu se­hen. Statt­des­sen hat­ten sie ent­we­der den Va­ter von Da­mi­en da­bei oder ei­ne jun­ge Frau, die sich um sie küm­mer­te. Trotz­dem wa­ren sie äu­ßerst be­liebt bei ih­ren Freun­den im Kin­der­gar­ten. Nur die Er­zie­he­rin­nen hat­ten ein klei­ne­res Pro­blem mit den bei­den Kin­dern. Wann im­mer sie et­was be­spra­chen, was die Er­wach­se­nen nicht mit­hö­ren soll­ten, wech­sel­ten sie in ei­ne an­de­re Spra­che, die nie­mand ver­ste­hen konn­te. Bei­de spra­chen Eng­lisch, aber auch Deutsch und Spa­nisch, was die Er­zie­he­rin­nen im­mer wie­der zur Weiß­glut brach­te.

      8. Kapitel

      Vereinigte Staaten, Portland (OR)

      Der Ort, an dem Vi­vi­an Bur­ge­ss ihr Pa­ket ab­lie­fern soll­te, lag et­was au­ßer­halb der Stadt in ei­nem Eta­blis­se­ment, das nicht ge­ra­de ein­la­dend auf die Da­men­welt wirk­te. Die ein­schlä­gi­gen Lä­den lock­ten vor­wie­gend Män­ner, die ge­gen Be­zah­lung ih­ren Trieb be­frie­di­gen konn­ten. Frau­en be­tra­ten die­se Lo­ka­li­tä­ten ei­gent­lich nicht, wenn sie nicht ge­ra­de dort ar­bei­te­ten. Vor al­lem rea­gier­ten die dort an­ge­stell­ten Da­men ziem­lich ne­ga­tiv auf wei­te­re Frau­en. Stu­ten­bis­sig­keit mach­te sich breit, weil sie sich um ih­re Ein­nah­men Sor­gen mach­ten. Die ro­ten Lam­pen soll­ten nicht nur an­zie­hend auf die Män­ner­welt wir­ken, son­dern auch ei­ne flüch­tig ero­ti­sche Stim­mung zu er­zeu­gen.

      Zu­dem war auch in Port­land, wie in den ge­sam­ten USA, Pro­sti­tu­ti­on il­le­gal. Nur in Ne­va­da wur­de sie ge­dul­det. Das än­der­te al­ler­dings nicht dar­an, dass die ört­li­che Po­li­zei fast nichts da­ge­gen un­ter­neh­men konn­te. Die­se Eta­blis­se­ments gab es trotz­dem an fast je­der Stra­ßen­e­cke au­ßer­halb der Städ­te. Vi­vi­an woll­te es nicht wahr­ha­ben in die­se Lo­ka­li­tät zu ge­hen und dort et­was zu hin­ter­le­gen. Ihr vor­be­rei­te­tes Päck­chen trug sie im hin­te­ren Ho­sen­bund mit sich. Be­vor sie hin­ein­ging, über­prüf­te sie noch ein­mal sorg­fäl­tig, ob sie an al­les ge­dacht hat­te. Ihr war ziem­lich un­wohl als sie auf die Tür zu­trat.

      In der Luft hing ein wi­der­li­cher Ge­ruch nach tau­sen­den Par­füms, de­ren Me­lan­ge in ih­rer Na­se kit­zel­te und je­de Men­ge Zi­ga­ret­ten­rauch. Es war kaum aus­zu­hal­ten. Vi­vi­an woll­te so schnell wie mög­lich wie­der aus dem La­den raus, aber sie muss­te erst noch den Auf­trag, den sie von ih­rer Freun­din Tia­na über­nom­men hat­te, zu ei­nem En­de brin­gen. Auf­grund des Or­tes, an dem sie sich be­fand, woll­te sie es so­fort hin­ter sich brin­gen. Ein Ge­tränk be­stell­te sie bes­ser nicht, denn das wür­de be­deu­ten sie müss­te län­ger hier aus­har­ren als nö­tig. An der im­pro­vi­sier­ten Bar, die aus ei­nem ein­fa­chen Brett zu be­ste­hen schi­en, dräng­ten sich vie­le, fast un­be­klei­de­te jun­ge Da­men um ei­ni­ge Män­ner. Die­se sa­ßen auf un­be­quem aus­se­hen­den Ho­ckern aus Holz, rauch­ten wie al­te Ka­mi­ne und be­tatsch­ten die Da­men.

      Der gan­ze Gas­traum stand vor Dreck und Ab­fall. Nicht ein­mal die Glä­ser wa­ren or­dent­lich ge­spült. Die Her­ren der Schöp­fung fin­gen sich ga­ran­tiert kei­ne Krank­hei­ten ein. Sie des­in­fi­zier­ten sich von in­nen mit dem hoch­pro­zen­ti­gen Al­ko­hol, der in ih­ren Glä­sern schau­kel­te. Vi­vi­an rümpf­te die Na­se. Sie woll­te hier bes­ser nichts be­rüh­ren. Die Tür zur Toi­let­te hat­te die bes­ten Zei­ten schon lan­ge hin­ter sich. Sie hing schief in ih­rem Rah­men und der Lack war schon seit ge­fühlt hun­dert Jah­ren ab­ge­blät­tert. Die bei­den auf­ge­kleb­ten Nul­len hin­gen nur noch an ei­ni­gen Kle­be­res­ten fest und mach­ten den Ein­druck, als wür­den sie so­fort ab­fal­len, wenn man die Tür et­was fes­ter schloss.

      Der Raum, den Vi­vi­an als Toi­let­te vor­fand, er­in­ner­te ent­fernt an ein schmie­ri­ges Kel­ler­loch. Die hel­len Flie­sen an den Wän­den wa­ren über­sät mit Sch­lie­ren und ei­nem of­fen­sicht­li­chen Fett­film. Die Toi­let­ten­schüs­seln wie­sen die­sel­be Ver­schmut­zung auf, nur un­ter­bro­chen durch ei­ni­ge run­de hel­le Stel­len. Sie ver­such­te die Tür ab­zu­schlie­ßen, um al­lei­ne zu sein. Um nichts zu be­rüh­ren, nahm sie sich ein grau­es Pa­pier aus dem Spen­der, der ne­ben dem dre­cki­gen Wasch­be­cken an der Wand kleb­te. Vi­vi­an fal­te­te das Pa­pier dop­pelt und zog den Rie­gel an der Tür vor. Dann be­gann sie die Flie­sen an der Wand ab­zu­zäh­len. Fünf­te Rei­he von un­ten und die 18. Plat­te von rechts der Tür war als Ver­steck an­ge­ge­ben.

      Nach­dem Vi­vi­an die Plat­te aus­fin­dig ge­macht hat­te, nahm sie sich ei­ne ex­tra ein­ge­steck­te Na­del­fei­le aus