Er schlug mit der Hand auf seinen Schreibtisch. Mit denen hatte er nicht mehr gerechnet, aber sie waren ja schon vor Ort, wie er wusste. Wie gebannt hörte er dem Bericht seines Spitzels am Telefon zu. Es war einfach unglaublich. Niemals hätte er gedacht sich über eine Polizeiaktion freuen zu können. Aber dieses Mal half sie ihm und seiner Unternehmung mehr als alles andere. Falls sie Barber einpackten, und das müssten sie nach dem Fund definitiv, wäre der Weg in Portland endlich frei sein Geschäft richtig aufzuziehen.
10. Kapitel
Vereinigte Staaten, Portland (OR)
Die Polizeibeamten des Reviers hatten bereits die Wohnung von Sergeant Roger Barber gestürmt, als die Bundesbeamten des FBI ankamen. Ashleigh Spears und ihr Kollege Cooper Knight stiegen aus dem Wagen aus, den sie für ihre Ermittlungen in Portland zur Verfügung hatten und standen im lauen Wind, der aus Osten her vom Meer kam. Sie hatten auf dem Revier erfahren, dass ihr Informant angeblich selbst die Droge nahm und auch Vertrieb. Die junge FBI Agentin hatte sofort das Motiv erkannt. Barber konnte in seinem Beruf die anderen Dealer aus dem Weg räumen, um sein eigenes Geschäft voranzutreiben.
Er konnte sich so die Konkurrenz vom Hals schaffen. Ein besseres Motiv konnte man gar nicht finden. Barber steckte also selbst dahinter. Spears wollte aus erster Hand erfahren, was man bei ihm fand und ob er vielleicht sogar den beschlagnahmten Stoff aus der Asservatenkammer nicht vernichten ließ, sondern selbst weiter verteilte. Die Anklage wäre in diesem Fall ein leichtes. Barber als Drogenkommissar hatte beste Verbindungen in das Milieu und konnte den Stoff nicht nur aus dem Verkehr ziehen, sondern auch noch für sich verkaufen. Er war in den letzten Monaten überaus erfolgreich, wenn es darum ging, die Drogen aufzuspüren und die kleineren Dealer ins Gefängnis zu bringen. Durch seine Verbindungen in die Drogenkriminalität von Portland konnte er leicht feststellen, wer seine Konkurrenten waren und woher sie den Stoff bekamen.
Einfacher konnte man nicht an Geld kommen. Sein Verdienst als Sergeant war nicht gerade besonders hoch. Ein kleines Zubrot durch den Stoff, den andere in seine Stadt brachten. Damit konnte er sich eine goldene Nase verdienen. Zusammen folgten sie den Polizisten in die Wohnung von Roger Barber. Das frei stehende Haus in einer Seitenstraße von Portland wurde nur sehr spärlich von den Straßenlaternen erhellt. Trotzdem sah man, dass es erst vor kurzem frisch gestrichen worden war. Für Cooper Knight war das ein weiterer Hinweis auf die Schuld des Sergeants. Ein einfacher Polizeibeamter verdiente im mittleren Dienst nicht besonders, woher sollte er also das Geld nehmen die gesamte Fassade neu anpinseln zu lassen. Es sei denn er hätte es selbst gemacht, was aber bei seinen gesammelten Überstunden in der letzten Zeit kaum möglich war.
In dem Haus war es sauber und ordentlich. Es wirkte fast wie frisch gewischt. Die Möbel, die Barber ausgesucht hatte, passten zu der Wohnung. Insgesamt ergab sich daraus ein gemütliches Ambiente für die Zeit nach der Arbeit, um sich zu entspannen. An den Wänden hingen geschmackvolle Bilder und einige Filmplakate von Filmen, die fast überall auf der Welt erfolgreich waren. Die Luft war angereichert mit einem leichten Duft nach Zedernholz, was irgendwie beruhigend wirkte. Als sie in das Schlafzimmer kamen, sahen sie Barber umringt von drei Beamten auf dem Bett sitzen. Seine Haare waren noch feucht und im angrenzenden Badezimmer sah man noch feuchten Dampf. Sie hatten ihn wohl direkt unter der Dusche erwischt. Er hatte nur ein Handtuch um die Hüften geschlungen.
Einige Kollegen untersuchten das ganze Haus auf Drogen, hatten bisher aber nichts gefunden. Nur unter dem Schrank hatten die Kollegen ein Päckchen hervorgeholt. Eine Ecke des in Plastik verpackten Pulvers war geöffnet und man sah deutlich, wie ein Teil davon bereits fehlte. Das sah gar nicht gut für Barber aus. Spears irritierte der Gesichtsausdruck des Sergeants. Er schien das völlig gelassen hinzunehmen und war die Ruhe in Person. Wie auf einer Sommerparty wischte, er sich die Feuchtigkeit, die ihm von den Haaren ins Gesicht lief, aus dem Gesicht. Die Beamten vor ihm kannte er sogar und hielt ein bisschen Smalltalk. Die ganze Gruppe schien zu scherzen, denn die Beamten grinsten fröhlich.
Als er die Agents des FBI sah, bot er ihnen sogleich einen Sitzplatz an. Knight und seine Kollegin verzichteten allerdings darauf. Sie erachteten den Sergeant immer noch als schuldig. Die Beweise lagen ja direkt vor dem Schrank auf dem Boden. Spears trat auf das Päckchen zu, ging in die Hocke und schaute sich das Pulver etwas genauer an. Was sie dort sah, erinnerte zwar an die berühmte Droge, konnte es allerdings kaum sein. Crystal Meth waren eher gröbere Kristalle als das in dem Paket. Für Heroin oder eine andere gebräuchliche Droge auf dem Markt allerdings zu grobkörnig. Etwas in ihr zweifelte ernsthaft daran, dass die Kollegen hier das gefunden hatten, was sie erwarteten.
Vorsichtig tippte sie mit dem Finger in die Substanz des Päckchens. Einige Kristalle blieben auf der Fingerspitze hängen. Spears drehte sich zum Licht und besah sich die Körner auf ihrer Fingerspitze. Das konnte beim besten Willen kein Crystal Meth sein. Die Kristalle waren eher bräunlich als Transparent wie sie es eigentlich sein sollten, wenn es die Droge war. Die ganze Struktur war anders. Während Crystal Meth eigentlich längliche Kristalle bildete, waren das hier grobe und eckige Körner. Sie konnte sie auch nicht einfach zwischen den Fingern zerreiben. Langsam führte sie den Finger an ihre Nase und roch vorsichtig daran. Sie musste schmunzeln. Das, was sie da zwischen ihren Fingern hatte, war die gebräuchlichste und verbreitetste Droge weltweit. Um ganz sicherzugehen, tippte sie den Finger auf ihre Zunge.
Spears erhob sich wieder und stellte sich neben ihren Kollegen. Dann fragte sie, »Haben sie sonst noch etwas gefunden?«
»Bisher nicht, aber wir sind auch noch nicht fertig«, bekam sie vom leitenden Beamten mitgeteilt.
»Ich denke sie können die Durchsuchung aufgeben. Ich habe zwar schon viele Orte gesehen, an denen man Kandiszucker aufbewahrt, aber unter dem Kleiderschrank ist mir neu.«
»Kandiszucker?«, fragten Knight und der leitende Beamte wie aus einem Mund.
»Ja! Vielleicht feiert ihr Kollege gerne Teepartys in seinem Schlafzimmer während er sich mit einer Dame vergnügt. Ich habe schon so ziemlich alles gesehen, was es für Vorlieben in diesem Bereich gibt. Das ist natürlich sehr ungewöhnlich, aber nicht verboten. Zumindest fällt mir jetzt kein Bundesstaat unseres Landes ein, in dem Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen mit einem Tee verboten wäre«, erklärte sie grinsend, während ihr Kollege ebenfalls neben dem gefundenen Plastikpäckchen auf die Knie sank