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mach­te ein über­rasch­tes Ge­sicht. Sie hat­te eben­so wie Leo­nie kei­ne Idee, was er sich hat­te ein­fal­len las­sen. Emi­lia drück­te auf den Knopf der Fern­be­die­nung. Die Heck­klap­pe fuhr nach oben und im Ge­päck­raum des Fahr­zeugs kam ein schwar­zer Plas­tik­kof­fer zum Vor­schein. Emi­lia griff so­fort zu und rann­te da­mit ins Haus. Als sie ver­schwun­den war, frag­te Do­lo­res, »Was ist da drin?«

      Micha be­gann zu la­chen, »Ich ha­be bei François ei­ne Klei­nig­keit für sie be­stellt. Es ist ei­ne Son­der­an­fer­ti­gung für Emi­lia. Ei­ne Faust­feu­er­waf­fe, die ex­akt die glei­chen Kü­gel­chen ver­schießt wie ihr Luft­ge­wehr. Al­ler­dings ist der Rück­stoß wohl noch ein biss­chen zu stark für ih­re zar­ten Hän­de und auf ei­ne ge­wis­se Ent­fer­nung ist das Din­gen so­gar töd­lich, wie er sag­te. Kam be­reits vor drei Ta­gen hier an und ich ha­be es erst heu­te ab­ge­holt. Leo­nie weiß auch noch nichts da­von.«

      »Du bist völ­lig ver­rückt, mein Schatz«, grins­te sie ihn an und gab ihm einen Kuss.

      Mi­cha­el nahm Do­lo­res in den Arm und flüs­ter­te, »Na­tür­lich bin ich ver­rückt. Das soll­te ei­gent­lich nie­man­den mehr über­ra­schen. Wer mit gleich vier Frau­en un­ter ei­nem Dach lebt, muss to­tal ver­rückt sein!«

      Dol­ly ver­setz­te ihm einen klei­nen Schlag auf den Obe­r­arm und ging mit ihm ins Haus. Emi­lia hat­te den Kof­fer be­reits auf dem So­fa ab­ge­legt und ge­öff­net. Sie konn­te nicht glau­ben, was ihr Va­ter da für sie be­sorgt hat­te. Die Pis­to­le sah fast ge­nau­so aus wie die Dienst­waf­fen der Agen­ten. Der Lauf war na­tür­lich ent­spre­chend des Ka­li­bers deut­lich klei­ner, aber es sah fast aus wie ei­ne Ech­te. In dem Kof­fer la­gen so­gar noch vier Ma­ga­zi­ne für die Waf­fe, die sie erst la­den muss­te. Al­ler­dings funk­tio­nier­te die Waf­fe nur mit ei­nem ge­wis­sen Luft­druck. Da­für brauch­te sie hin­ten am Ver­schluss ei­ne Gas­pa­tro­ne, die al­ler­dings nicht ein­ge­packt wa­ren. Mi­cha­el wuss­te das und hat­te ex­tra noch ein paar da­von be­sorgt. Das Trai­ning, was Do­lo­res noch be­vor­stand, wur­de eher zum Trai­ning für Emi­lia, die mit der Waf­fe in der Hand die glei­chen Übun­gen wie die bei­den Er­wach­se­nen ab­sol­vie­ren durf­te.

      Al­ler­dings war der Rück­stoß für die klei­ne Emi­lia schwer zu kon­trol­lie­ren. Bei ih­rem Luft­ge­wehr fing das ih­re schma­le Schul­ter auf, aber bei der Faust­feu­er­waf­fe muss­ten ih­re Ar­me das al­les ab­fe­dern. Nach nicht ein­mal ei­ner Stun­de muss­te sie un­ter Trä­nen auf­hö­ren. Ihr ta­ten furcht­bar die Ar­me weh und sie konn­te ein­fach nicht mehr da­mit feu­ern. Micha muss­te sei­ne Toch­ter trös­ten und ihr ver­spre­chen, dass er mit ihr üben wür­de, da­mit sie län­ger da­mit schie­ßen konn­te. Do­lo­res ging zu­rück ins Haus und nahm die ex­tra ge­kauf­te Knall­waf­fe mit nach drau­ßen. Da­mit konn­te sie zu­min­dest mit den bei­den trai­nie­ren, was ihr be­deu­tend mehr Spaß mach­te als Do­lo­res. Aber auch sie er­kann­te einen Vor­teil für sich dar­in. Da Emi­lia mit den bei­den un­ter­wegs war, fiel ihr Trai­ning nicht ganz so hart aus.

      Nach et­was mehr als drei Stun­den be­en­de­ten sie das Schieß­trai­ning. Micha hat­te sich aber für den Ab­schluss noch et­was Be­son­de­res für die jüngs­te aus­ge­dacht. Zum ers­ten Mal durf­te sie mit der Waf­fe ih­res Va­ters auf ein ex­tra auf­ge­stell­tes Ziel schie­ßen. Da­zu leg­te sie sich auf der Ter­ras­se auf ei­ne Un­ter­la­ge und rich­te­te die Glock 17 ih­res Va­ters nach vor­ne. Micha knie­te sich mit den bei­den Bei­nen ne­ben den klei­nen Kör­per und lehn­te sich nach vor­ne. Da Emi­lia den Rück­stoß ei­ner ech­ten Waf­fe auf kei­nen Fall hal­ten konn­te, stütz­te er ih­re klei­nen Hän­de. Sie muss­te zie­len und al­lei­ne ab­drücken, er wür­de nur den Rück­stoß ab­fe­dern.

      Für sei­ne Toch­ter war das ein ab­so­lu­tes High­light. Das ers­te Mal, mit ei­ner schar­fen Waf­fe auf ei­ne Ziel­schei­be an­zu­le­gen war et­was Be­son­de­res. Mi­cha­el zog ih­ren Ge­hör­schutz, den sie al­le tru­gen auf die Sei­te und gab ihr ei­ni­ge Tipps. Sie durf­te ins­ge­samt fünf Schüs­se ab­feu­ern. Micha über­nahm nur das Ab­fe­dern für sei­ne Toch­ter. Sie war be­geis­tert. Die Schüs­se, die sie ab­feu­er­te, tra­fen al­ler­dings nicht das auf­ge­stell­te Ziel, son­dern lan­de­ten deut­lich da­ne­ben. Ei­ne ech­te Waf­fe war eben doch et­was an­de­res als ih­re Übungs­waf­fen. Trotz­dem woll­te sie gar nicht mehr da­mit auf­hö­ren. Micha ließ sich nicht er­wei­chen ihr mehr als fünf Ver­su­che zu ge­neh­mi­gen.

      Wäh­rend die Er­wach­se­nen hin­ter ihr die bei­den Dienst­waf­fen rei­nig­ten, durf­te sie mit ih­rem Luft­ge­wehr üben. Emi­lia kam wirk­lich nach Leo­nie. Am liebs­ten wür­de sie abends ihr Ge­wehr mit ins Bett neh­men. Al­ler­dings be­stan­den ih­re El­tern dar­auf, die Waf­fen un­ge­la­den in ih­rem ei­ge­nen Waf­fen­schrank ein­zu­schlie­ßen. Den Schlüs­sel muss­te sie je­den Abend ab­lie­fern be­vor sie ins Bett ging. Aber da der Schrank in ih­rem Kin­der­zim­mer stand, hat­te sie ih­re Schät­ze die gan­ze Nacht im Au­ge. Va­le­ria hat­te ex­tra ein Re­gal be­kom­men, in dem ih­re Reit­sa­chen einen ei­ge­nen Platz hat­ten. So hat­ten bei­de Mäd­chen das wich­tigs­te im­mer im Blick, wenn sie in ih­rem Zim­mer wa­ren.

      Als Leo­nie an­rief um sie und Va­le­ria vom Rei­ter­hof ab­zu­ho­len nahm sich Do­lo­res die Au­to­schlüs­sel und mach­te sich auf den Weg. Micha wür­de in der Zwi­schen­zeit an­fan­gen zu ko­chen. Völ­lig un­er­war­tet half ihm sei­ne Toch­ter beim Ko­chen. Das war ih­re Art sich noch ein­mal bei ih­rem Va­ter zu be­dan­ken. Ob­wohl sie es ei­gent­lich nicht muss­te und moch­te, half sie ih­rem Va­ter in der Kü­che. Als Dol­ly mit den bei­den an­de­ren Fa­mi­li­en­mit­glie­dern an­kam, hat­ten sich Va­ter und Toch­ter ein biss­chen Mu­sik an­ge­macht und tanz­ten durch die Kü­che. Es roch be­reits nach frisch ge­koch­tem Es­sen. Leo­nie hat­te schon auf der Fahrt er­fah­ren, was Emi­lia be­kom­men hat­te und woll­te sich die neue Waf­fe un­be­dingt an­schau­en.

      Die von François her­ge­stell­te Hand­feu­er­waf­fe sah ei­ner Dienst­waf­fe der Agen­ten täu­schend ähn­lich und glänz­te in schwar­zem Lack. Ei­gens für die jüngs­te be­saß sie meh­re­re Gra­vu­ren mit den Buch­sta­ben EK. Selbst der Griff war auf bei­den Sei­ten da­mit ver­ziert. In dem Kof­fer la­gen die vier Ma­ga­zi­ne, die je­weils 40 der klei­nen Stahl­ku­geln fas­sen konn­ten und ein Zer­ti­fi­kat. Es war ein Ein­zel­stück und ex­tra für die klei­ne Emi­lia her­ge­stellt. Leo­nie frag­te bei ih­rer Toch­ter nach, ob sie es ihr er­laub­te ei­ni­ge Stahl­ku­geln dar­aus ab­zu­feu­ern. Na­tür­lich stimm­te ih­re Toch­ter zu und folg­te ih­rer Mut­ter nach drau­ßen. Leo­nie leg­te ein Ma­ga­zin ein und gab ei­ni­ge Schüs­se dar­aus ab. Es fühl­te sich fast an wie ih­re Dienst­waf­fe, nur der Rück­stoß war deut­lich klei­ner als bei ei­ner ech­ten Waf­fe. Trotz­dem hat­te die klei­ne Stahl­ku­gel, die aus dem Lauf flog, so viel ki­ne­ti­sche Ener­gie, um je­man­den ernst­haft zu ver­let­zen. Nach­dem Emi­lia auch noch er­zähl­te aus der Dienst­waf­fe ih­res Va­ters ei­ni­ge Schüs­se ab­ge­ge­ben zu ha­ben war Leo­nie sicht­lich stolz auf ih­re Toch­ter.

      Beim Abendes­sen gab es un­ter­schied­li­che The­men am Tisch. Va­le­ria freu­te sich wie an Weih­nach­ten über ihr neu­es Pony, das ab mor­gen im Stall ste­hen wür­de. Mi­cha­el muss­te sein Ver­spre­chen Emi­lia zu trai­nie­ren noch ein­mal be­stä­ti­gen. Für die bei­den Mäd­chen war der Tag un­ver­ge­ss­lich. Wie­der ein­mal hat­ten sie bei­de et­was Ein­zig­ar­ti­ges be­kom­men. Leo­nie hat­te al­ler­dings noch ei­ne Idee für den Abend.