Gewissenhaft überprüfte er, ob ihm auch niemand gefolgt war. Erst als er sich ganz sicher war, steuerte er sein Domizil an. Es lag mitten in der Wüste, weit ab von jeglicher Zivilisation und war nahezu perfekt getarnt. Die Hütte besaß nur einen gemauerten Eingang aus hellem Kalksandstein und unterschied sich farblich nicht von dem Sand, der ihn umgab. Strom bezog er über ein kleines Solarpaneel. Das Hauptproblem war Wasser hier draußen. Zu seinem Schutz hatte er hunderte Liter Wasser in Kanistern hergebracht und lagerte sie unterirdisch. Daneben lagen viele Überlebensrationen, wie sie von den Streitkräften verwendet wurden. Er konnte es hier gut und gerne einige Wochen aushalten.
Das Death Valley war dafür hervorragend geeignet. Über tausende Kilometer bekam man keine Menschenseele zu sehen, das Handynetz hier draußen war großflächig gar nicht vorhanden und eine Panne mit dem Wagen war tödlich. Wer nicht unbedingt musste, vermied es sich hier draußen in der tödlichen Sonne aufzuhalten. Roy hatte hier sein Lager untergebracht. Hier war nicht nur er unauffindbar, sondern auch die gelieferten Drogen waren hier sicher.
Roy nahm sich seine kleine Waage zur Hand und setzte sich an den alten abgewetzten Tisch. Er entfernte die Folie in dem der Stoff verpackt war und legte den Inhalt auf die Waagschale. Die Anzeige gab an, dass er exakt zwei Kilo erhalten hatte. Kein Gramm mehr. Das waren ziemlich genau 571 Päckchen zu je 3,5 Gramm. Aber Roy war ein alter Hase im Geschäft. Crystal Meth konnte man mit MDM Kristallen, ein Nahrungsergänzungsmittel wunderbar strecken. So wurden aus den jeweils 3,5 Gramm schweren Tütchen insgesamt 28 Gramm. Wozu sollte man auch leer ausgehen, wenn man schon das Risiko trug und die Konsumenten merkten davon sowieso nichts! Sein Vorrat an MDM Kristallen war allerdings so gut wie aufgebraucht. Bevor er aber wieder in die Stadt fuhr, verbrauchte er den Rest was er noch hatte. Das gestreckte Zeug versteckte er im Reserverad seines Wagens. Einer kurzen Kontrolle durch die Polizei würde das Versteck standhalten. Das musste genügen bis er die Drogen verteilt hatte.
Die zwei Stunden, die er vom Death Valley bis Las Vegas brauchte, vergingen wie im Flug. Seine erste Anlaufstelle war eine alte Bekannte, die sich selbst als die Nuttenkönigin von Las Vegas bezeichnete. Allerdings war sie bereits viel zu alt, um viele Kunden zu bedienen. Deshalb betrieb sie nur noch eine Zentrale und bot Prostituierten einen sicheren Arbeitsplatz. Es war zwar in der Stadt verboten, aber das führte auch nur dazu sich selbst im Untergrund aufzuhalten. Das älteste Gewerbe der Welt fand grundsätzlich immer einen Weg, auch wenn die Politik das versuchte zu vermeiden. Gut betuchte Kunden hatten alle ihre Telefonnummer, um sich so für ein paar Stunden eine junge Dame zu mieten. Offiziell arbeiteten sie als Servicekräfte mit einigen speziellen Aufgaben. Es war nichts anderes als Prostitution und das wussten auch die Staatsbediensteten, konnten aber nicht dagegen vorgehen.
Sie war eine wichtige Kundin für ihn, die ihren Servicekräften immer wieder auf Verkaufstour schickte. Pro Woche konnte er dort schon genug Geld verdienen, um seine Lieferungen zu bezahlen. Ihr Büro lag in einem nicht besonders dicht besiedelten Gebiet der Stadt. Sogar die Polizei hatte kein besonderes Interesse daran dort ihre Zeit zu vergeuden. Für Roy war das Abliefern dort relativ ungefährlich. Seine nächsten Verteiler mussten noch auf ihre Lieferungen warten. Kahina, wie sich nannte, übernahm einen Großteil seiner gesamten Lieferung. Das, was er ihr heute brachte, war zu wenig, aber Roy bat sie um etwas Geduld. Er machte dafür Lieferprobleme verantwortlich. Glücklicherweise lag direkt in der Nähe ein Supermarkt in dem er sich MDM Kristalle besorgte um den Rest seiner Lieferung im Death Valley strecken zu können.
Roy plante direkt am nächsten Morgen erneut die zwei Stunden Fahrt in Kauf zu nehmen und den Rest aufzubereiten. Kahina war zumindest mal für ungefähr drei Wochen versorgt, was ihm ein bisschen den Druck nahm. Allerdings musste die nächste Lieferung aus Portland deutlich höher ausfallen. Als er das Büro der Zuhälterin verließ, klingelte auch schon sein Mobiltelefon. Die elektronisch verzerrte Stimme war ihm schon immer unangenehm. Heute musste er aber trotzdem mit ihr Vorlieb nehmen, um seine Lieferungen zu erhöhen.
»Was gibts?«, fragte die tiefe Stimme.
»Die Lieferungen dauern entweder zu lange oder der Umfang ist zu gering. Der Bedarf ist viel höher als ich decken kann.«
»Das ist uns bekannt«, bekam er als Antwort. »Die Lösung des Problems ist bereits in Arbeit, dauert aber noch ein paar Tage. Wir melden uns, wenn die Liefermenge erhöht werden kann!« Dann war die Leitung tot.
»Blöder Arsch«, murmelte Roy vor sich her, als er das Telefon wieder wegsteckte.
Anstatt eine Lösung zu bekommen, hielt man ihn weiter nur mit billigen Versprechen hin. Er hatte das langsam satt. Der Markt in Las Vegas war geöffnet und er konnte im großen Stil verkaufen, bekam aber gar nicht die Menge an Stoff, die er brauchte. Durch sein Strecken des Stoffs generierte er zwar höhere Einnahmen, trotzdem war es ihm noch viel zu wenig. Die ganzen Jahre in der Versenkung sollten jetzt endlich ein Ende finden und ihn als reichen Mann hervorbringen. Man hielt ihn aber über die Entfernung künstlich klein. Das war einfach nicht mehr zu rechtfertigen. Roy brauchte eine andere Lösung.
Noch am selben Abend in seiner kleinen Wohnung in Las Vegas, abseits des großen Strips, legte er sich eine Strategie zurecht. Er hatte immer noch Kontakte in die Szene von früher und mit einem kleinen Angebot könnte er vielleicht seine Lieferungen deutlich erhöhen. Falls es die Liefermenge nicht nach oben brachte, wäre aber vielleicht eine Erweiterung seines Sortiments möglich. Es war bereits mitten in der Nacht als er seinen alten Kollegen anrief. Die beiden Männer kannten sich noch von seinen Anfangszeiten in dem Geschäft. Sein Leben war fast genauso wie Roys verlaufen. Beide waren sie damals aufgeflogen und mussten sich aus dem Staub machen. Während Roy nach Mexiko flüchtete, bestieg sein Kumpel ein Boot in San Diego und ließ sich nach Kanada bringen. Quellen hatten beide genug.
»Roy, du alter Taugenichts. Lebst du noch?«, fragte er am Telefon.
»Wie du hörst, atme ich noch Paul. Sprachanrufe aus dem Jenseits sind meines Wissens nach nicht möglich.«
»Wie war das Leben zu dir, alter Freund?«
»Es hätte lieber sein können, aber es wird langsam besser. Hör mal Paul, ich habe ein großes Problem mit meinen Lieferanten, hättest du jemanden an der Hand, der mir zusätzlich mehr liefern kann?«, fragte er frei heraus.
»So