„Nun, die Kriegsgeschichte wird dir wohl nicht allzu lästig, seitdem du des Königs Rock auszogst!“ versetzte der Apotheker.
„Wenn ich auch den Rock auszog, mit Leib und Seele blieb ich doch Soldat! Sollst sehen, bald reite ich wieder an der Spitze meiner Schwadron, die mir von Rechts wegen zukommt!“
„Sei froh, solange du’s nicht nötig hast! Genieße dein Leben! Hast ja alles, was der Mensch sich wünschen kann: eine brave, liebe Gattin, prächtige Kinder, giltst als einer unserer besten Landwirte hier in Pommern – was willst du mehr?“
„Red’ keinen Schwefel!“
„Na, höre einmal!“ sagte der Apotheker, „um nichts gab dir wohl der König neuntausendfünfhundertfünfzig Taler Meliorationsgelder für dein Gut?“
„Neuntausendfünfhundertfünfzig, ja! Das war so recht der Alte Fritz! Zehntausend voll hätte er mir ruhig geben können. Aber nein, er mußte noch etwas davon abstreichen, um seinen Sparsinn zu befriedigen! Sonst hätte ihm die ganze Sache keinen Spaß gemacht! Und nun muß ich mich hier am Spieltisch mit euch abrackern, um die Summe wieder abzurunden!“
„Das tust du auch redlich!“ lachte der Apotheker. „Aber nach unten hin scheint’s mir!“
„Verliere ich, so gewinne ich auch – das Geld wie das Majorspatent, und sitze im Sattel, ehe ihr’s ahnt!“ rief Blücher übermütig. „Dieser Haufen Taler auf Pik-Dame gesetzt, daß es so kommt!“
Er nahm eine Handvoll Talerstücke aus einem auf einem Stuhl neben ihm stehenden, mit Geld gefüllten Suppenteller, setzte auf die Karte und verlor.
„Verflucht! Die Dirne ging mir durch die Lappen mit [pg 39]dem Geld! Die Schwarzen waren mir niemals hold! Eine Blonde her! Coeur-Dame gewinnt! Coeur-Dame war mir stets gewogen! Siehst du, was sagte ich? Hab’ Dank, holde Schöne! Her mit dem Geld! Kinder, ich könnte die ganze Welt in Trümmer schlagen, so vergnügt bin ich! Eine Kraft ist in mir! Himmeldonnerwetter! – Ein Schwert in der Faust, einen Gaul unter mir, Feinde genug zum Dreinhauen, was brauche ich mehr?!“
„Glück im Spiel!“
„In der Liebe, du Giftmischer! Ich pfeife auf alles andere!“
„Nun“, sagte der Apotheker und strich wieder den Einsatz ein. „Das hättest du erreicht!“
„Noch einmal zur Attacke auf Fortuna, das Luderchen!“ rief der Rittmeister, „Karten her! Und hier der Rest!“
Er leerte seinen Suppenteller auf den Tisch, nahm neue Karten und verlor noch einmal.
„Blasen wir die Reserve heran!“ sagte er, ohne darum seine gute Laune zu verlieren. „Ich hole Sukkurs!“
Er stand auf, ging ins Nebenzimmer, öffnete die Ofentür, steckte die Hand hinein, zog sie aber gleich wieder leer heraus und machte ein langes Gesicht. Kniete dann nieder und blickte in den Ofen.
„Da soll mir der Donner dreinschlagen!“ fluchte er. „Drei Suppenteller voll Geld stellte ich drinnen parat, zwei nahm ich heraus, wo zum Kuckuck blieb der dritte?“
„Haben Panje Rittmeister etwas verloren?“ flötete hinter ihm plötzlich die Stimme seiner alten polnischen Wirtschafterin.
Er schnellte empor.
„Hast du etwas gefunden, Sonja?“
„Kann sein!“ schmunzelte die Alte.
„Etwa einen Teller –?“
„Einen Suppenteller – –“
„Mit –?“
„Mit etwas drauf, was hier im Hause nicht lange darauf zu bleiben pflegt! Etwas, was Panje Rittmeister und [pg 40]seine bürgerlichen Freunde meistens zum Spaß zum Fenster hinaus zu werfen pflegen!“
„Zum Spaß?! I, du dummes Luder, das geschieht gewiß nicht zum Spaß! Das werfen wir zum Fenster hinaus, damit es zum Schornstein wieder hereinkommt! Verstehst du?“
„Ach so! Dazu stellen Panje Rittmeister die Suppenteller in den Ofen?“
„Ja! Ging dir jetzt ein Licht auf? Damit das Geld doppelt und dreifach wieder hereinfliegt – dazu schmeißen wir’s zum Fenster hinaus! Denn unterwegs jungt es – verstehst du wohl? Und den Teller stellen wir in den Ofen, damit es nicht in die Asche fällt! Und nun sage mir, mein Täubchen, wo du den Teller mit dem Gelde hingetan hast.“
„Oben ins Schlafzimmer, auf der gnädigen Frau ihr Bett! Nachher, wenn Panje Rittmeister schlafen geht, wird er sich freuen, noch so viel Geld im Hause zu haben!“
„Sofort holst du es wieder herunter!“
„Die gnädige Frau Rittmeister schlafen doch! Sie schliefen schon, als ich das Geld hintat!“
„Hol es rasch her! Und daß du sie mir nicht dabei weckst!“
„Lassen wir das Geld ruhig auf der gnädigen Frau ihrem Bett! Am Ende jungt’s da noch besser!“
„Nee!“ lachte Blücher, „da jungt ganz was anderes!“
„Die heilige Jungfer bewahre!“ rief die Alte erschreckt. „Es ist längst mehr als genug! Die kleine und zarte Person, und schon sechs Kinder! Sechs habe ich schon auf meinen Armen getragen! Panje Rittmeister, nichts für ungut! Die Liebe ist eine schöne Sache! Aber, was zuviel ist, ist zuviel! Und so viel Liebe hetzt den Menschen ins frühe Grab! Sechs Kinder, bedenket doch, Panje, was das für eine Frau heißt! Und dreie deckt schon der grüne Rasen! Da liegen die kleinen Engelchen und rufen nach der Mutter! Und die Mutter will zu ihnen und wird mit jedem Tag immer blasser!“
„Red’ nicht!“ sagte Blücher kurz und drehte seinen Schnurrbart. Es kam etwas Feuchtes in seine Augen.
„Immer blasser wird sie! Und wie sollte sie auch nicht, [pg 41]bei dem tollen Leben hier, wo der Postmeister und der Apotheker ihr Unwesen treiben, und das Spiel und das Pokulieren nimmermehr aufhört! Ich hab’s auch nicht leicht, wenn ich den Kindern Rede und Antwort stehen muß. Sie fragen mich alles mögliche über den Papa – wo er seine Soldaten hat und wieso er keinen bunten Rock wie die andern Offiziere trägt –“
„Himmelkreuzelement! Halt’s Maul!“
„Ja, das ist immer das Ende vom Lied: halt’s Maul! Ich hätte man das Maul halten sollen, vor zehn Jahren, als meine kleine Herrin mir von dem tollen preußischen Offizier vorschwärmte, der ihr den Hof machte! Ich hätte das Maul halten sollen, vor vier Jahren, als Panje Rittmeister das schöne Polen verließ und hierher nach Pommern zog! Ich hätte sagen sollen: nein, ich gehe nicht mit. Dann hätte ich nicht sehen müssen, wie meine kleine Herrin vor Gram elend umkommen muß! Sie, die Enkelin eines großen Herrn, des Starosten von Gnesen, des erlauchten Herrn von Bojanovsky selbst! Das edelste polnische Blut! Einen Grafen hätte sie haben können! Einen Fürsten sogar! Sie hatte es nicht nötig, einen kassierten Offizier zu nehmen, der sich mit niedrigen Bürgersleuten gemein macht!“
Mit dem kassierten Offizier wagte sie sich aber erst dann heraus, als Blücher längst nicht mehr im Zimmer war. Er hatte sie einfach stehenlassen, als sie anfing, ihm ihre gewohnte Litanei vorzuleiern, war die Treppe nach dem oberen Stock hinaufgeeilt, öffnete leise die Tür des Schlafzimmers und schlich auf den Fußspitzen hinein.
Seine Frau schlief. Zu ihren Füßen, auf dem Federbett, stand der Teller mit dem Gelde.
Einen Augenblick stand er noch da und lauschte auf ihren Atem.
„Daß du das Geld bei dir hast, bringt Glück!“ sagte er, nahm den Teller, ohne sie zu wecken, und ging leise, wie er gekommen war, zu seinen Gästen hinunter, setzte den Teller auf die Karte, die soeben ausgeschlagen wurde, und rief:
„Das Ganze! Das Ganze gewagt!“
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Und