Das heilige Donnerwetter. Adolf Paul. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Paul
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066116316
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jetzt galt es wieder Abschied nehmen.

      „Diesmal wohl für immer“, sagte sie wehmütig lächelnd. „Ich dachte es schon damals, als du in den holländischen Feldzug gingst. Und einmal muß es ja sein! Es ist ja auch besser so. Ich sehe es ein – ich bin dir im Wege und muß fort. Ich beklage mich nicht. Du warst immer gut, immer lieb zu mir. Du kannst wohl aber nicht aus deiner Haut heraus. Dein Beruf muß dir ja über alles gehen, und mir kommt es zu, ihn nach Kräften zu fördern. Ich gehe also [pg 51]hinüber zu den Kindern! Es muß auch nach ihnen geschaut werden! Sie rufen mich schon oft, viel lauter als die Lebendigen. Bleib du denen ein guter Vater. Und hab’ Dank für alles. Es war schön mit dir. Und wenn ich nochmals mein Leben anfangen könnte, ich würde dich wieder nehmen!“

      Er schloß sie in seine Arme und küßte sie. Seine Tränen mischten sich mit den ihren.

      Dann riß er sich los, eilte hinaus, stieg in den Sattel und zog an der Spitze seines Regiments sang- und klanglos zur Stadt hinaus.

      „Wenn i kumm, wenn i kumm, wenn i wiederum kumm – –“ summte er dabei leise das alte Lied.

      Als er aber wiederum kam – da war die Hochzeit gewesen. Ein anderer Freier, der nirgends ungehört anzuklopfen pflegt, hatte ihr das Brautbett gerüstet und sein Liebstes in kühler Erde zur letzten Ruhe gebettet.

      Die Kinder kamen zu den Großeltern, und nichts war mehr da, was ihn fesselte.

      Der junge Adler war aus dem Nest heraus und hob seine Schwingen zum Flug.

       Der Solofänger Nummer Eins

       Inhaltsverzeichnis

      Der Sachse Häberlein von der Schwadron des Majors von Planitzer nahm im ganzen Regiment der roten Husaren so etwas wie die Stellung eines Orakels ein.

      Er konnte lesen wie ein Schriftgelehrter, er schrieb und rechnete wie der geriebenste Kriegskommissar und gehörte auch nicht zu jenen Zaghaften, die ihr Licht unter den Scheffel stellen!

      Der Strom seiner Rede war wie ein brausender Wasserfall, seine Gier nach Neuigkeiten hörte nimmer auf – mit allem, was sich auf Erden zutrug oder zutragen konnte, [pg 52]wußte er besser Bescheid als ein Bataillon von Klatschbasen. Wo das Regiment auch biwakierte, spürte er sofort das Platzorakel oder wenigstens eine Zeitung auf und war sofort über die politische Konstellation des Tages unterrichtet. Hätte er die Fäden der hohen Diplomatie in Händen gehabt, Europa hätte anders ausgesehen, und das Königreich Sachsen erst recht.

      Nun hatte er leider Gottes nur die Gesamtdiplomatie seiner Schwadron zu führen, und er tat es mit einer Geduld und einem Opfersinn, der nur von seiner unersättlichen Neugier übertroffen werden konnte. Zu dieser Geheimdiplomatie gehörte vor allem die heikle Aufgabe, den des Schreibens Unkundigen – und sie waren in der Mehrzahl – die Briefschaften ihrer Familienangehörigen zu entziffern und sie, gegen ein geringes Entgelt für Tinte und Papier, nach den Wünschen der von solchem Ereignis Betroffenen zu beantworten.

      Insbesondere profitierte von diesen seinen unschätzbaren Eigenschaften sein Nebenmann rechts, der Wasserpole Gajewsky, der in jedem Nest, wo die Schwadron durchkam, eine Braut sitzen hatte, die auf das hehre Eheglück polnisches mit ihm wartete und entsprechend vertröstet werden mußte. Ohne Dolmetscher war aber auch er außerstande, diesen Trost zu spenden. Denn er war aus edelstem Schlachtschitzenblut, hatte Ahnen bis ins Blaue hinein und entstammte einem uralten polnischen Hause, das einst, in den Tagen des Glanzes, über Tausende von Seelen geherrscht hatte, jetzt aber kaum noch der eigenen Seele Herr war. Denn dessen Mitglieder, über sotane Künste erhaben, ließen sich nimmermehr herab, sich mit Lesen oder Schreiben oder irgendeiner Art von Buchgelehrsamkeit abzugeben – was ja in besseren Häusern stets zu den dienstlichen Obliegenheiten eines Beichtvaters zu gehören pflegte.

      Als Edelmann hatte er ja alle Hände voll zu tun, die Herzen zu brechen; am Spieltische wurde nicht gerechnet; war die Tasche leer – und sie war es meistens –, so hatte er die glänzendsten Revenuen aus den im Monde ge[pg 53]legenen Stammgütern zu erwarten, pumpte darauflos, solange sich gläubige Seelen fanden, leerte den Becher, solange der Wein floß, ließ die Würfel rasseln, küßte die schönen polnischen Weiber und was ihm da noch von anderen Rassen mit unterlief, und balgte sich nach Herzenslust mit den Nebenbuhlern herum.

      Heute zwirbelte er melancholisch seinen blonden Schnurrbart und hörte kaum auf das, was der brave Sachse ihm vorschwefelte. Man hatte ihn gewaltsam aus den Armen der Liebe gerissen, die im letzten Kantonnement besonders weich und wohlig gewesen waren – hatte ihn in Marsch gesetzt, mit der gesamten Schwadron hierher in den Hinterhalt gelegt, wo sie in aller Herrgottsfrühe aufmarschieren und immer noch auf Befehl zur Attacke warten mußten.

      Noch brannte der letzte Kuß auf seinen Lippen, die nicht einmal Zeit gehabt hatten, mit dem üblichen Schwur ewiger Treue im Augenblick der Trennung zu quittieren.

      „Is sich nichts als purer Niddertracht, Panje Blücherr seiniges“, knurrte er verdrießlich. „Ruft sich aus Quarrthier der Hund, ech sich hat der Hahn gegackert!“

      „Is ä Sauerei, der kanze Griech!“ pflichtete der Sachse bei.

      „Denk ich: Mordio, will sich gebben Monsieur Ohnehos Rendezvous zeitiges cheute! Werrd ich lerrnen ihm fallen Husar polnisches unter Küsse seinige! Hat sich gerufen: pascholl! In die Sattel! Tatarata! Und dann Nitschewo! Ahles nix! Nix Feind! Nix dreinhauen! Nix Küsse! Betrug hundsgemeines!“

      „Eja, freilich!“ krähte der Sachse. „Nichts als ä unnütze Lauferei, der kanze Griech! Mir siechen und siechen und siechen! Mir nähmen dem Franzosen Ganohnen, Kefangene, Pakasche, – alles! Mir hauen ihm in die Pfanne! Gaum aber looft er, da loofen mir egal ooch! Aber nich hinterher, nee, zurücke loofen mir und gucken in den Rhein, wie sein Wasser ooch davonlooft, und freien uns dann gechenseitig, – der Vater Rhein und mir! Wie mir aber mit der Medode nach Baris gommen dhun, wees der Gugguk!“

      [pg 54]

      „Bischt ebens a Subalterner!“ fiel ihm sein Nebenmann, der wortkarge Schlesier Landeck, in die Rede. „Host nischts zu wissen! Maul holten, dreinhauen, ist oalles, woas du nötig host!“

      „Dreinhauen, jawohl! Aber ’s Maul halten, nee, nu äben nich! Und morgen ooch nich! Duht’s unser Pliecher etwa? Hält der ’s Maul? Reißt er’s nicht uff wie ’n Nilpferd, verdonnert die schockschwerenotverdammten Österreicher, die uns egal immer unsere Fikdorien versauen, daß es eine Schande ist?! Pakasche! Schweinebande, hundsmiserable! Egal räumen sie irgendwo eine Lienje, und mir müssen mit! Gaum hamm mir uns irgendwo recht scheene einkerichtet, da müssen mir wieder raus!“

      Der Schlesier tat wieder sein Maul auf.

      „Host auf die Österreicher nich zu schimpfe! Bischt aus Sachsen; schimpf auf die Preußen, bei dena du dienscht!“

      „Die Preußen, eja, freilich! Die gennen mir ooch was! Da hätten mir ooch die Nase dicke voll von!“

      „Is sich blasiert derr Preuß!“ warf der Pole ein und zwirbelte seinen Schnurbart hoch. „Frißt sich zu vill – liebbt sich zu wennig! Wird sich faul und dumm!“

      „Und pequem!“ eifert der Sachse. „Guck ä mal bloß die meerschten von den Offiziers an! Ih, du Kieticher, ist das een Fuhrwerken, eh so ’n oller dicker Major in den Sattel gommt! Und sitzt er endlich mal drinne, dann schreits: ‚Mei Güchenwaachen!‘ und das ist nun allemal das erschte. ‚Wo ist mein Güchenwaachen, Ginner? Wo steckt er bloß? Gönnt ihr ihn nicht sähn?‘ Da muß unserm Pliecher so ’ne Arche Noah von einem Güchenwaachen bloß in die Quere gommen! Der versteht’s! ‚Ausspannen! In den Graben werfen! Pferde vor die Ganohnen!‘ Der schafft’s! Mordselement!“

      „Ja, der hot’s! Aso a Teiwelskerl is dos!“ stimmte der Schlesier bei.

      „Heut fiel er wieder vom Färd!“ flüsterte der Sachse. „Baßt ä mal uff, Ginner, des giebt wieder eene Sache! Wenn