Das heilige Donnerwetter. Adolf Paul. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Paul
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066116316
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machte runde Augen.

      „Fill sich vom Ferrd, der Panje Blüchherr, saggst du?“

      „Kopfieper runterkesaust!“

      „Habb ich nicht gesehhen!“

      „Siehst äben bloß, wo die Weibsbilder fallen!“

      Der Pole lächelte martialisch.

      „Hatt sich gebrochen Genick seiniges, der Panje Blüchherr?“ fragte er.

      „Wo wird er wohl?!“

      „Nu, wo werrd ich denn sehhen? Weiß ich doch: hat sich ein Schweineglück, der Panje Obberst!“

      „Ein Schweineglück“, wiederholte der Sachse. „Hättest ihn sähn sollen, wie sein Färd rücklings in den Kraben trat! Wie ’ne Stahlfeder schnellte er aus dem Sattel auf den Weech rauf! Wie ’ne Gerze stand er vor der Front ohne eene eenzige Schramme – wo er doch von Rechts wegen mit gaputte Gnochen unterm Färd liegen mußte!“

      „Er is gefeit“, sagte der Schlesier kurz und bündig. „Oof ihn beeßt kee Stich, kee Hieb. Die Kugeln biegen vor ihm aus. Und wenn a fällt, fällt a imma hinoof. Fällt a as Oberscht, kommt a as General hoch! Fällt a as General, kommt a as Feldmarschall wieder in den Sattel!“

      „Nu äben!“ lachte Häberlein. „Warum nicht ooch? Wenn der Schläsier sein Maul uffdhut, da nimmt er’s allemal dicke voll!“

      Der Schlesier sagte nichts. Er saß nur da, wieder wie eine Statue, ohne eine Miene zu verziehen, und blickte geradeaus.

      „Unheimliches Kerl!“ dachte der Pole fröstelnd. Denn es war noch früh im Mai und das Gruseln leicht.

      Bum, schossen drüben die Franzosen. Bum, Bum!

      Ihr Feuer lag links auf Neustadt zu, wo die Hauptmasse der Blücherschen Truppen jetzt herauskam und auch zu kanonieren anfing. Aber eine Kugel fand auch den Weg nach [pg 56]rechts, über den Wald, wo die Planitzer lagen, warf Steine und Sand über die Reiter und dem Sachsen ins Maul, da er’s eben auftat. Er aber geschwind die Bescherung ausgespuckt. Und hinterher brauste seiner Rede Strom mit doppelter Gewalt.

      „Nu saacht ä mal bloß: Was hat wohl der Alte mit uns vor? Mir stampfen hier egal uff eenem Fleck und lassen uns mit Dreck schmeißen! Warum nähmen mir nich dem Kroppzeug drüben die Ganohnen wech? Die schiessen ja wie die Schweine! Am Ende treffen die ooch noch! Und dann ade reiten! Een, zwee!“ fing er an, die Schüsse zu zählen. „Des reene Salutschießen! Akrat wie in Billnitz, wo wir mit den Rekruten durchkamen und die Maschestäden ooch da waren! Eja, des war scheen! Der Geenich von Sachsen, der Geenich von Preißen und der Gaiser Leopold ooch noch, Gott hab ihn sälig! Und hinter ihnen her der ganze Schwanz von hohen Herren und Gonfusionsräden! Die machten nu fix een Gollech um den grünen Disch rum, zogen die Schlafmützen feste ieper die Ohren runter und taten damit dicke, wie sie den lieben Gott wieder in Frankreich einsetzen wollten und den Geenich Lurwich ooch! – Und des war nu nichts als wie ’n Schpadziergang, und des hamm sie nun verbrieft und besiegelt und begossen und waren noch lange nicht mit der Beschärung fertig – da hat der Franzos die Frechheit und erklärt uns den Griech und haut seinem Lurwig den Döskopp ab und ist ieper die Krenze, ehe die Gonfusionsräde wach wurden! Nich ä mal ä Griechserklärung hamm sie fertig gebracht – nicht mal im Traum! Die gennen nu die Franzosen wieder alleen rausschmeißen – die Gonfusionsräde! Mir dhuns nimmer mehr, wenn mir so weiter siechen!“

      „Is sich ein Schweinewirtschaft hundsmiserables!“ stimmte der Pole bei.

      „Mir Roten sind schon parat – daran fehlt’s nicht! Da ist schon unser Oberst hinterher wie der Deibel! Bei den Hufschmieden, in den Gammern, auf den Futterböden – ieperall hat er hineingerochen! Mundierung und Sattelzeug, Pul[pg 57]ver und Blei – nach allem hat er gesähn, und daß die Glingen scharf geschliffen sind, war ihm allemal die Hauptsache! Mir sind parat! Aber die anderen! Die Räde und – nun, ich will nichts gesagt haben – der Geenich ist ja een kuter Mann – een seelenkuter Herr! Wo er aber zu schpät Geenich wurde – nachher steht ooch alles andere im Lande zu schpät auf! Beim Gaiser Leopold ooch! Na, nu ist er ja tot, und dakechen ist nichts zu sagen! Aber sein Läben lang dachte der nicht daran, Gaiser zu werden – der steckte dicke drinne im fetten toskanschen Getreidegeschäft und war een kuter Mann! Da stirbt der Bruder, und er muß auf den Thron! Na, nu ist er das Älend ooch los, und sein Sohn kann seine Leute mit Mehlspeis und Backhändl füttern, bis ihnen die Bäuche platzen! Hättest drüben bei den Österreichern bleiben sollen, Schläsier, wo du schon warst!“

      „Mei Atzung find’ ich ieberall!“ entgegnete der Schlesier.

      „Nun wenn schon – warum suchst du sie denn gerade hier bei den Preißen, bei den Hungerleidern?“

      „Was suchen die Sachsen und die Polen dahier? Am Ende wollte ich nur sehen, wie mir der rote Dolman sitzt, wo ich doch dahier im selbichen Rechiment schonn den schwarzen trug!“

      „Nun schlag einer lang hin! Wo mir schwarz waren, bist du ooch mit kewäsen?“

      Der Schlesier saß da wieder wie in Erz gegossen und antwortete nicht!

      Bum! schossen die Franzosen vor Kirrweiler. Bum! sekundierte eine andere Kolonne, die mehr rechts, durch Edenkoben herauszukommen begann. Die Kugeln kamen jetzt von rechts und von links. Die Leute wurden unruhig, die Pferde tanzten hin und her.

      „Is sich ein verdammtes Schissen!“ knurrte der Pole. „Wär’ ich Obberst, hätt’ ich gebben längst Siggnall!“

      „Ihr Polen habt’s immer eilig mit dem Überlaufen!“ sagte der Sachse anzüglich. „Ihr liebt den Franzmann! Wenn ihr mit ihm Hiebe tauscht, denkt man, es sind Gomplimente!“

      [pg 58]

      Der Pole wollte antworten. Da bliesen endlich die Trompeten zur Attacke, die Roten sausten aus ihrem Hinterhalt heraus und begriffen jetzt, warum ihr Oberst sie so lange hatte warten lassen.

      In die Flanke der Kolonne, die über Kirrweiler vorgedrungen war, ging es mit schwindelnder Fahrt. Hier riß eine Kanonenkugel eine breite Bahn durch die vorstürmende Masse – dort sank mancher Reiter, von einer wohlgezielten Flintenkugel getroffen, aus dem Sattel. Aber die Lücken klafften nur einen Augenblick, dann schlossen sich die Glieder, vorwärts fliegend, und die Roten waren drüben und droschen mit ihren Säbeln auf die Köpfe der „Ohnehosen“, daß es nur so eine Art hatte.

      Der Schlesier, der Sachse und der Pole wetteiferten mit den anderen im blutigen Handwerk und hieben und stachen und bekamen manche Schramme ab. Es war ein Gewühl, ein Gedränge, ein Stampfen, ein Wiehern, ein Röcheln der Sterbenden, ein Fluchen und Schreien, ein Schmettern der Trompeten. Lange währte es nicht, da war der Widerstand gebrochen, die Kanonen genommen, die Franzosen in voller Flucht und die Roten hinterher – wie die Apokalyptischen Reiter, Tod und Verderben in die Reihen der Fliehenden säend.

      Durch das Dorf Kirrweiler ging es auf Frischlingen zu, wohin alles in voller Auflösung floh. Die wilde Jagd folgte – allen voran Blücher selbst, alles anfeuernd und vorwärts drängend. Mit ihm noch mehrere Züge brauner Husaren, die jetzt ihren roten Kameraden halfen, den Sieg zu vollenden. Dann sauste Blücher mit ein paar Schwadronen noch rasch nach rechts gegen Edenkoben hin, um der darüber hinaus vorgestoßenen französischen Kolonne in die Flanke zu fallen und auch ihr die Kanonen abzunehmen. Es gelang nach heftigem Kampf mit der feindlichen Infanterie. Die Franzosen wurden auch da in das Dorf zurückgeworfen und in den engen Gassen, wo sich alles staute, kurz und klein gehauen. Das Schlachtfeld war weit und breit mit gefallenen und verwundeten Feinden besät.

      [pg 59]

      Blücher triumphierte.

      Am Morgen, als ihm das Anrücken der Franzosen gemeldet worden war und jene ihre Tirailleursketten ausschwärmen ließen und mit der Kanonade anfingen, da war sein General und Prinz Hohenlohe zu ihm geritten, hatte ihm geraten, sich lieber vor der Übermacht auf Neustadt zurückzuziehen, ihm aber freie Hand gegeben. Blücher, dem der rechte Flankenschutz der preußischen Armee oblag, dachte nicht einen Augenblick daran, zu retirieren, sondern