Das heilige Donnerwetter. Adolf Paul. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Paul
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066116316
Скачать книгу
zu melden weiß.“

      Die allerhöchsten Hunde waren eben dabei, höchstihro Mahlzeit einzunehmen, von betreßten Lakaien mit Mundtüchern über den Arm alleruntertänigst assistiert.

      Nichts auf dieser Welt vermochte sonst den Gebieter Preußens von seiner Arbeit abzulenken, außer der Sorge um das Wohlbefinden seiner vierbeinigen Familienmitglieder. Für sie hatte er immer einige Minuten übrig. Auf die Meldung hin, daß das Diner der hohen Vierfüßler aufgetragen sei, erhob er sich denn auch mitten im Diktat eines Briefes und verfügte sich ins Schlafzimmer, um die Haupt- und Staatsaktion der Abfütterung in höchsteigener Person zu überwachen.

      [pg 30]

      Er hatte befohlen, ihnen heute einen Extraleckerbissen von gebratenem und gesottenem Hühnerfleisch zu geben, und paßte genau auf, daß jedes Vieh sein ihm zugedachtes Teil ordnungsgemäß erhielt und daß keins übervorteilt wurde.

      Kosenamen für die Hunde, Scheltworte und gelegentlich auch Stockschläge für die Lakaien halfen da aus.

      Zwischendurch, wenn die Köter sich gelegentlich so ins Abnagen der Knochen vertieften, daß sie Ruhe hielten, setzte der König durch die offene Tür sein Diktat fort. Aber ohne die Hunde aus den Augen zu verlieren.

      „Schreibe Er also weiter, wo wir aufhörten!“ rief er hinein. Und die Kabinettsräte senkten die Griffel auf ihre Schreibtafeln. Der König diktierte: „Die Einfuhr von Kaffee ist, wie befohlen, tunlichst zu beschränken. – Hat Er das?“

      „Zu Befehl!“

      Der König nahm bedächtig eine Prise Schnupftabak aus der Dose, die er nebst dem Krückstock in der Rechten hielt, pfropfte sich die Nase damit voll und meditierte dabei halblaut vor sich hin:

      „Jeder Lump will heutzutage Kaffee trinken! Der pure Übermut! Biersuppe tut’s ebensogut! Die trank ich selbst, als ich jung war! Das ist weit gesünder! Und das Geld geht nicht außer Landes! – – Tu beau, Alceste!“ rief er einem der Windspiele zu. „Gönne den anderen auch das Leben! – – Weiterschreiben!“

      Die Kabinettsräte gaben acht, und der König diktierte weiter.

      „Den Beuchower Gemeindeältesten wird auf ihre Eingabe beschieden, der Invalide Faber bleibet im Amte! Für die Volksschule dorten ist er gut genug! Es genüget uns vollauf, wenn auf dem platten Lande die Kinder Lesen und Schreiben lernen! Wissen sie zuviel, so laufen sie in die Städte und wollen Sekretärs werden und so etwas. Das ist nichts! Der Invalide Faber bleibet ihnen! Die sollten sich was schämen, Leute, die fürs Vaterland alles geopfert, nicht versorgt wissen zu wollen! Wo er sich überdies nützlich macht, den [pg 31]Leuten das Vieh hütet und auch den Nachtwächterdienst versieht, so haben die Beuchower alles mögliche Gute von ihm und haben nichts mehr zu wollen! – – Der Alkmene läßt du den Knochen! Ich komme dir sonst!“

      Wieder drohte er einem der Lieblinge mit seinem Krückstock und wandte sich dann zur Tür.

      „Macht also die Briefe zur Unterschrift fertig!“ verabschiedete er die Kabinettsräte, die sich verneigten und gingen. „Laß Er jetzt hören, Lölhöffel! Was bringt Er mir heute?“

      Der General von Lölhöffel trat näher an die Tür heran und blickte in das Schlafzimmer hinein.

      „Melde gehorsamst, Majestät! Zunächst hätte ich das Abschiedsgesuch des Rittmeisters von Blücher von den Bellinghusaren Allerhöchstdero Entscheidung zu unterbreiten!“

      „Der Rittmeister bleibet in Dienst!“

      „Der Rittmeister besteht aber inständigst auf seine Entlassung!“

      Der König blickte den General scharf an.

      „Ist der Kerl noch nicht mürbe? Wie lange sitzet er schon?“

      „Zu Befehl“, sagte Lölhöffel und salutierte. „Der Rittmeister hat bereits mehr denn dreiviertel Jahr strengen Arrest gehabt!“

      „Viel zu wenig für einen Offizier, der sich unterfängt, seinem König despektierlich zu kommen! Die Offiziers sollen lernen sonder Räsonieren, Ordres zu parieren! Sie haben sich nicht in meine Politik zu melieren!“

      „Melde gehorsamst: von politischer Wühlerei steht in der Konduite des Rittmeisters von Blücher nichts!“

      „Dann schreibe Er das hinein!“

      „Zu Befehl!“

      Der König blickte seinen General an.

      „Er muckst wohl mit mir? Wer mein General sein will, muß auf Subordination halten!“

      „Zu Befehl!“

      [pg 32]

      „Nun, hatte ich meinen Truppen in Polen befohlen, die Polacken milde zu behandeln, oder hatte ich es nicht befohlen? Antworte Er!“

      „Zu Befehl! Es sollte alles vermieden werden, was die Krone Preußen bei der polnischen Bevölkerung verhaßt machen könnte!“

      „Sehe Er, so war das! Das hatten wir, die wir wissen, was wir wollen, bei der Besetzung des polnischen Landes ausdrücklich befohlen! Und da muß mir jener Sausewind mit dem Kopf durch die Wand wollen und setzet mir alles in Feuer und Flammen! Er hat überdies noch die Keckheit, ob seines Ungehorsams avancieren zu wollen! Und will noch meinen Rock ausziehen, weil ihm das nicht gelang! Lassen wir ihn nur ruhig weiterbrummen, bis Er ein Einsehen hat! Ihm schadet’s nicht, und der Dienst gewinnt!“

      Lölhöffel räusperte sich, salutierte nochmals und wagte eine Entgegnung.

      „Es ist meine Pflicht als Inspekteur der pommerschen Kavallerie, Eure Majestät darauf aufmerksam zu machen, daß der Rittmeister von Blücher immerdar ein eifriger und meritierter Offizier war!“

      „Davon müßte ich doch wissen!“

      „Er hatte im letzten Kriege nicht das Glück, unter den Augen Eurer Majestät zu kämpfen!“

      „Das hat mit meinem Wissen nichts zu schaffen! Wir pflegen uns auch so nicht all die jungen Leutnants zu merken, die uns einmal an der Nase vorbeilaufen! Und wissen doch in der Armee Bescheid! – – Halte Hektor zurück, du dummer Esel!“ fuhr er plötzlich den hinter ihm stehenden Lakaien an. „Er überfrißt sich sonst! – – Mußt dir mehr Zeit nehmen, du gutes Tier!“

      Er kraute den Liebling und streichelte ihn zärtlich. Seine Augen leuchteten auf einmal freundlich, und er wandte sich bedeutend weniger kratzbürstig dem General zu.

      „Immerhin lese Er mir des Rittmeisters von Blücher Konduite vor!“

      [pg 33]

      Lölhöffel suchte unter den Papieren in seinem Portefeuille ein Dokument heraus, hielt es militärisch steif vor sich hin und las mit lauter Stimme vor:

      „Trat mit achtzehn Jahren von den Schweden über, erhielt die königliche Bestallung als Kornett im Husarenregiment von Belling, wurde am 4. Januar 1761 Sekondeleutnant, am 11. Juli 61 Premierleutnant, focht 62 in der Armee des Prinzen Heinrich, Königliche Hoheit, Korps Seydlitz, als die Bellingschen die Reichsarmee bis Hof in Bayern zurücktrieben, machte da, bei Auerbach, 500 Gefangene, wurde mit nur 60 Mann bei Libkowitz von 200 Österreichern angegriffen, machte 60 Gefangene, wurde in der Schlacht bei Freiberg verwundet –“

      „Ein braver Offizier,“ sagte der König, „ich erinnere das alles jetzt ganz gut! Soll aber ein gar wüster Spieler und Duellant sein und auch hinter den Weiberschürzen her – wie alle von den Bellingschen! Ein Zigeunerregiment ist das immer gewesen und keine Husaren!“

      Er stieß mit dem Krückstock hart auf dem Boden auf.

      „Gib doch dem Hund zu trinken,“ schrie er dem Lakaien zu, „du siehst ja, daß er erstickt!“

      Dem Hund wurde Wasser gegeben, seine Schnauze und Pfoten mit Servietten abgewischt. Schweifwedelnd schlich er an den König heran und leckte ihm die Hände.

      „Ein wüster