Das heilige Donnerwetter. Adolf Paul. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Paul
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066116316
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gelben Kreuz lustig übers Meer hinaus. Nach allen Richtungen hin flogen sie, als wollten sie den schäumenden Fluten Eystrasalts zurufen: ‚Fortan seid ihr schwedisch – die ganze Ostsee ist von jetzt ab ein schwedischer Binnensee!‘ Als ich mit dem hochseligen König Karl“ – er zog wieder den Hut – „in den Krieg zog, da hielten wir noch das ganze Land um die Ostsee herum. Als wir aber nach achtzehn Jahren wieder geschunden nach Hause zurückkehrten – da wagte die blaugelbe Fahne sich kaum noch im Baltikum zu zeigen, die moskowitischen Mordbrenner verheerten aber lustig die schwedischen Küsten, und rein aus Gnaden ließ man uns beim faulen Friedensschluß das bißchen Pommern und die Insel. Und die sollen wir jetzt auch noch verlieren! Zu dem Zweck ziehen wir jetzt mit leeren Kriegskassen, auf lahmen Pferden hinaus in den Krieg! Und das wollt Ihr, junger Herr, noch mitmachen?!“

      „Den Weg nach der Regimentsschreiberei will ich wissen, weiter nichts!“ rief Gebhard nochmals ungeduldig und schlang die Zügel um das Handgelenk.

      „Ich werde Euch schon den Weg zeigen! Aber wißt Ihr auch, warum Ihr ihn gehen werdet?“

      „Warum denn sonst! Um mich bei euch Schweden als Kämpfer anwerben zu lassen!“

      „Als Kämpfer wofür?“

      „Für die Krone Schwedens –“

      „Für die kämpfen wir Schweden längst schon nicht mehr! Wir führen nur noch die Kriege der anderen Mächte – bald Englands, bald Rußlands, bald Frankreichs, je nachdem – und tun es auch jetzt, nachdem jene Mächte unseren Reichsrat gekauft haben, und ziehen gegen Preußen und gegen den Schwager unseres Königs, weil – nun eben weil unser König eine Schlafmütze ist!“

      „Du sollst wider die Majestät unseres allergnädigsten Herrn nichts sagen!“ rief die Schildwache ärgerlich und blieb vor dem Futtermarschall stehen. Der aber ließ sich nicht dreinreden.

      [pg 22]

      „Ich pfeife auf solche Herrschaft“, rief er. „Das ganze Land lacht über den dicken Holstein-Gottorper, dem die Zarin unsere Königskrone über die Nachtmütze stülpte, weil er ihr Neffe war!“

      „Halt’s Maul!“

      „Den Weg nach der Regimentsschreiberei?“ rief Gebhard immer ungeduldiger.

      „Wartet lieber ab, bis unsere Regimentsschreiberei in Preußen steht!“ murrte eigensinnig der Alte, „denn so wird’s bald kommen!“

      „So wird’s nicht kommen! Himmelkreuzdonnerwetter noch einmal!“ schrie der junge Husar wütend. „Sorgt nur für gute Pferde, setzt uns Jungen in den Sattel und gebt uns Leute an die Spitze, die reiten können, dann sollt Ihr was erleben! Mordselement, Herr! Hört nicht auf den Unglücksraben! Geht nur immer in die Regimentsschreiberei! Geradeaus geht der Weg, dann links in die erste Gasse gebogen, und dann fragt Euch vor! Und Gott befohlen!“

      Gebhard hörte den Abschiedsgruß nicht mehr. Er saß schon im Sattel und galoppierte ins Zeltlager hinein, gerade als sein Bruder und sein Freund unten auf der Landstraße zum Vorschein kamen, ihren Pferden die Sporen gaben und ihm in vollem Trab nachsetzten, ohne sich um den Anruf der Torwache zu kümmern.

      *

      War das eine Jagd! Über Felder und Wiesen flogen die Sturmvögel des Alten Fritzen – seine schwarzen Husaren, mit dem Totenkopf an der Stirn – auf die Landstraße zu, um die Schweden abzuschneiden, ehe sie zur Brücke gelangten.

      Eine kleine Patrouille der Blaugelben nur war es, aber gut beritten.

      Wie die Teufel pfefferten sie los, daß die Satteltaschen flogen, allen voran ein baumlanger, schlanker Kornett, der die Kameraden durch nie ermüdendes Zurufen anfeuerte.

      Vorwärts ging es über Stock und Stein. Aber die [pg 23]Schwarzen waren nicht schlechter beritten. Dicht vor der Brücke gerieten die Gegner aneinander, mit einer Wucht, daß alles sich zu einem unentwirrbaren Knäuel von wild um sich schlagenden Pferdeleibern und dreinhauenden Reitersleuten verwickelte.

      Die Säbel blitzten, Kommandorufe schmetterten, Schimpfwörter flogen hin und her.

      „Warum trägst du deine Rippen draußen auf dem Rock, statt im Busen, wie sich’s gehört?“ rief der Kornett und ritzte mit dem Säbel die gelbe Verschnürung seines Gegners auf. „Und den Totenkopf trägst du auf dem Tschako, statt im Schädel! Hast wohl nichts als Häcksel drinnen!? Wie? Wollen mal nachschauen!“

      Und er versetzte dem Gegner einen gewaltigen Hieb nach dem Kopf. Aber der war nicht saumselig. Er parierte mit einer Doppelterz, daß Gebhard der Säbel aus der Hand flog und seine Kopfbedeckung denselben Weg nahm.

      „Die Mütze her!“ schrie Gebhard zornesrot, gab seinem Pferd die Sporen, flog dem Frechen an die Gurgel, packte mit eisernem Griff sein Handgelenk, als dieser zum tödlichen Streich ausholte, riß ihm den Säbel aus der Hand, die Mütze vom Kopf, hieb ihn vom Pferd herunter, stülpte sich die Mütze auf und – heißa, hussassa! – eine Gasse durch die sich balgende Rotte gebahnt, über die Brücke gesprengt! Und dann frei wie ein Vogel weitergesaust nach dem Quartier, um Meldung zu erstatten. Die anderen folgten.

      „Ich hätte gern die ganze Uniform zum Ansehen mitgebracht! Und den Kerl, der drin steckte, auch!“ sagte Gebhard, als er vor dem Rittmeister stand und ihm den eroberten Tschako zeigte. „Es ist eine ganz neue Sorte von Gegnern, schwarz mit grünen Aufschlägen, grünem Kragen, gelber Verschnürung und diesem Tschako! Ich sehe die Uniform zum ersten Male!“

      „Ich nicht“, sagte der Rittmeister. „Aber als Gegner erst heute! Es sind die Bellingschen Husaren! Der Preußenkönig hat Verstärkungen geschickt, wie es scheint! Von seinen besten Reitern! Wir werden zu tun bekommen!“

      [pg 24]

      „Gott geb’s!“ sagte Gebhard.

      „Der Oberst Belling ist ein ganzer Kerl! Ich sah ihn einst bei Eurem Schwager! Beim Krackwitzen auf Rügen, mit dem er verwandt sein soll. Er wird uns zu schaffen machen!“

      „Wir ihm auch!“ trotzte Gebhard. „Die Mütze möchte ich behalten! Bald hole ich mir den Rest von der Uniform!“

      „Das tut nur!“ lachte der Rittmeister und verabschiedete ihn.

      Er tat’s auch binnen kurzem. Aber in anderer Weise, als er’s sich dachte.

      *

      „Ihr reitet zu toll, junger Herr“, sagte der alte Futtermarschall und streichelte das Pferd, als Gebhard sich einige Tage später in den Sattel schwang. „Man braucht nicht gleich wie’n Gewitter dreinzusausen und das Pferd zuschanden zu reiten. Die Feinde laufen auch so!“

      „Wer ein Blitzpferd zwischen den Schenkeln hat –“, lachte Gebhard.

      „Dem geht es früher oder später durch! Das hat man gesehen!“

      „Jetzt bleibe ich im Sattel! Jetzt bin ich drin!“

      „Das wart Ihr auch, als Ihr in unser Lager auf Rügen hineingaloppiertet! Und wurdet doch abgeworfen!“

      „Halt’s Maul!“ rief Gebhard ärgerlich, gab seinem Pferd die Sporen und folgte den anderen, denen er bald weit voraus war.

      Die Schweden waren dabei, einen Vorstoß in die Uckermark zu machen und tasteten sich durch den Kavelpaß, an der pommerschen und mecklenburgischen Grenze vorwärts, die Preußen vor sich hertreibend. Gebhard, der mit seinen Leuten immer den anderen voran war, um aufzuklären, hatte Glück. Denn durch das schneidige Vorgehen der Sparreschen Husaren wurden eben seine grimmigsten Gegner, die schwarzen Bellingschen Husaren, abgeschnitten. Aber sie schlugen sich durch. Und als die Schweden wieder zurückgingen, um Quartiere zu suchen, waren jene gleich hinterher [pg 25]wie ein Schwarm Hornissen und waren aus Verfolgten Verfolger geworden.

      Gebhard, dem es mehr zusagte, den Feind zu suchen als vor ihm zurückzugehen, blieb ihm mit der Nachhut fest an der Klinge.

      „Bischt zurückbliewe, Bübele?“ rief ihm ein hünenhafter Kerl von den Bellingschen zu, mit