Das heilige Donnerwetter. Adolf Paul. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Paul
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066116316
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packt mit schnellen

      Griffen zu, die Fesseln fallen,

      sausen durch die weiten Hallen,

      an den Felsen sie zerschellen.

      Ihrem Retter sittig dankt,

      sich erhebend, Venus, wankt

      auf ihn zu, reicht, lieblich flötend,

      ihm die Hände, sanft errötend.

      Eros rasch nach seinen Pfeilen

      greift. Er zielt, und hinterrücklings

      trifft den Helden er – – –“

      „Um Vergebung, Hoheit, wenn ich unterbreche“, fiel ihm Blücher hier plötzlich in die Rede.

      „Bitte!“ sagte der Prinz etwas nervös und hörte jäh mit der Improvisation auf. Auch die junge Frau schien nicht besonders erbaut von der Störung zu sein.

      Blücher aber fuhr unentwegt fort:

      „Ich würde mich schon sehr dafür interessieren, zu hören, [pg 81]welchen wunderbaren Reim Hoheit auf das häßliche Wort ‚hinterrücklings‘ finden würden –“, sagte er.

      „Warum häßlich?“ warf der Prinz gestochen ein.

      „Weil mir alles zuwider ist, was nicht offener Kampf Auge in Auge ist! Aber davon wollte ich nicht reden! Ich wollte nur, ehe wir – im Gedicht – so weit wie bis zur Untreue kommen, mir erlauben, an einen Umstand zu erinnern –“

      „Welchen?“

      „Die holde Dame, Venus, hatte doch bekanntlich einen Gatten.“

      „Gewiß!“

      „Daß er seinen Liebesgarten so schlecht bewachen würde, daß ihm der erste beste Buschklepper ins Gehege fallen konnte, erscheint mir doch sonderbar! Wo mag er wohl bei der Gelegenheit geweilt haben?“

      „Was weiß ich? Nehmen wir an, er war damit beschäftigt, dem Kriegsgott Waffen zu schmieden!“

      „Sehr wohl. Als alter Schmied seines Glückes hatte er aber sicher gelernt, sich nicht vom Lärm der Schmiede sein Gehör so betäuben zu lassen, daß er nicht merkte, wenn fremde Vögel in seinem Neste Liebeslieder sangen.“

      „Ich denke auch nicht. Die Fabel belehrt uns ja darüber. Vulkan wartete, bis er die beiden Verliebten in flagranti ertappen konnte, fesselte sie dann in einem kunstvoll geknüpften Netz und zeigte sie so aller Welt. Ob auf ihre oder seine Kosten gelacht wurde, meldet die Fabel nicht. Ich nehme aber das letztere an.“

      „Wenn er es so weit gehen ließ, daß er überhaupt nötig hatte, seine Geschicklichkeit im Knüpfen von Netzen zu zeigen, so verdiente er allenfalls, ausgelacht zu werden“, sagte Blücher ruhig. „Ich hätte diesen Ehrgeiz nicht!“

      „Von dir ist doch nicht die Rede“, fiel die junge Frau ein, der es bei dem Rededuell sonderbar zumute wurde.

      „Hoffentlich nicht!“ antwortete ihr Mann. „Von mir würde in dem Sinne nicht die Rede sein können. Denn [pg 82]ich ziehe es für gewöhnlich vor, vorzubeugen – ohne mit meiner Geschicklichkeit darin zu prahlen. Ich habe nur den Ehrgeiz, in der Sache selbst obzusiegen und lade nicht ein, darüber zu lachen oder zu schwatzen.“

      „Sie sind eben sehr rücksichtsvoll, lieber Blücher“, sagte der Prinz und sprang von seinem Platz zu ihren Füßen auf. „Mir scheint aber, mein Wagen fährt jetzt vor. Es wird Zeit, an den Aufbruch zu denken!“

      Die beiden Gatten erhoben sich. Die Tür öffnete sich für den Adjutanten des Prinzen, der sich zur Stelle meldete. Der Prinz küßte galant die Hand der Frau Generalin, nahm Säbel und Mütze von seinem Adjutanten entgegen und wandte sich seinem Gastgeber zu.

      „Fahren Sie ein Stück mit, General, so plaudern wir noch ein wenig und stechen bei mir eine Flasche aus?“

      „Vielen Dank, Hoheit. Der Dienst ruft. Ich muß noch heute abend die Posten inspizieren!“

      „Nun denn, auf Wiedersehen!“

      Noch ein Gruß der gnädigen Frau, und er ging, von Blücher bis an den Wagen geleitet.

      „Ich bringe Ihrer Frau noch eine Rose für das unterbrochene Gedicht!“ sagte er, indem er sich in den Wagen setzte. „Das wird meine Rache Ihnen gegenüber sein, General! Es muß alles seine Ordnung und seinen gehörigen Abschluß haben!“

      Lachend und gnädigst grüßend fuhr er ab.

      An einer Biegung des Weges, als sie schon außer Sicht vom Hause des Generals waren, ließ der Prinz halten, sprang aus dem Wagen, befahl dem Adjutanten, weiterzufahren und erklärte, allein durch die Felder nach Hause gehen zu wollen.

      Der Wagen fuhr weiter, der Prinz streckte sich hinter einem dichten Gebüsch aus und blickte hinaus in die blaue Sommernacht.

      Vom Wege tönte lauter Gesang einer Männerstimme zu ihm herauf und das Geräusch von sich nähernden Schritten.

      [pg 83]

      „Wir haben ihn aufs Haupt geschlagen

      und täten ihn aus dem Felde jagen,

      der Schimpf, der wird sich ma–achen.

      Mit Gottes Hilf’ und unserm Schwert

      ihm teuer gemacht sein La–achen,

      ja Lachen.“

      Der Sänger war jetzt gerade vor ihm. Der Prinz erhob vorsichtig sein Haupt und blickte auf den Weg hinunter.

      Es war Blücher.

      Die kurze Pfeife im Mundwinkel blieb er, den Rücken zugekehrt, einen Augenblick stehen und blickte über den Fluß hinaus. Nahm dann die Pfeife in die Hand und setzte den Weg fort, weitersingend.

      „Es gab ein blutig Retirad,

      dabei auch noch gar mancher hat

      sein jung frisch Leben verloren,

      den nun sein Mütterlein beweint,

      die ihn mit Schmerzen geboren,

      ja geboren.“

      „Inspiziere du ruhig deine Posten“, sagte der Prinz halblaut. „Inzwischen bringe ich mein unterbrochenes Gedicht zu Ende!“

      Mit einem Sprung war er auf dem Weg, eilte schnell wie der Wind zurück nach dem im Halbdunkel liegenden Hause des Generals, riß eine der schönsten Rosen an sich und schlich um das Haus herum nach der Seite, wo er das Fenster der jungen Frau wußte.

      Das Fenster stand offen.

      Schnell entschlossen packte er den Stamm des Efeus und enterte hoch, die Rose im Mund.

      Eine Manneslänge trennte ihn noch vom Fenster, da hörte er unter sich ein Fluchen und Wettern.

      „Da schlage doch der Donner drein! Wer klettert mir da an der Wand. Schockschwerenot, herunter oder –“

      [pg 84]

      Es war Blücher, der, von seltsamer Unruhe ergriffen, seine Inspektion hatte fahren lassen und umgekehrt war.

      Der Prinz fand sich sofort in die Situation, hielt sich mit einer Hand in seiner schwebenden Lage fest, nahm mit der anderen die Rose aus dem Mund und winkte.

      „Seien Sie still, Blücher, wecken Sie Ihre Frau nicht – ich will ihr nur die versprochene Rose durchs Fenster werfen! Gnädige Frau!“ sagte er entschuldigend zur Generalin, die jetzt am Fenster erschien. „Genehmigen Sie huldvollst diesen duftenden Gruß als angemessenen Abschluß unseres unterbrochenen Gedichtes!“

      Noch ein paar Klimmzüge, und er war so weit oben, daß er die Rose überreichen konnte. Die junge Frau nahm sie.

      „Hierher die Rose!“ kam es scharf von unten. Die Blume flog gehorsamst Blücher zu Füßen.