Das heilige Donnerwetter. Adolf Paul. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Paul
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066116316
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Stellung, sondern auch die der ganzen preußischen Armee.

      Die Belohnung blieb nicht aus. Nach kurzer Zeit traf seine Beförderung zum Generalmajor ein. Und zugleich wurde er Chef des Roten Husarenregiments, des früheren Bellingschen, in dessen Reihen sein ganzer Aufstieg erfolgt war, und das von nun an nach ihm benannt werden sollte.

      Als frischgebackener General nahm er dann seinem Regiment die Parade ab.

      In langer Front standen seine Braven, Schwadron an Schwadron – die Pferde mit den Köpfen wie nach der Schnur aneinandergereiht, in steter Bewegung und ungeduldig auf die Trensen beißend, daß der schneeweiße Schaum im Winde flog.

      Prächtig leuchteten die roten Dolmans gegen das helle Vorsommergrün. Und als auf Kommando die Säbel aus den Scheiden flogen, um den Chef zu salutieren, züngelte ein tausendfacher Blitz über das Feld. Es war ein prächtiger Anblick, und wohl dazu angetan, das Herz eines rechten Soldaten zu erfreuen.

      Dann kam der neue Chef heran in vollem Galopp, schlank wie ein Jüngling, stolz wie ein Sieger. Spielend leicht lenkte er sein Pferd mit gewaltigem Sprung über die das Feld umschließende Hecke und hielt jäh an, gerade [pg 60]vor der Schwadron des Majors von Planitzer, wo auch der gute Sachse Häberlein seinen Kopf noch aufrecht hielt, aber von unzähligen Binden zu einem dicken weißen Knäuel verunstaltet, durch den sein sonst so rühriges Mundwerk zur Untätigkeit verdammt wurde.

      Die dunkelblauen Augen Blüchers blitzten vor Freude, als sie die Reihen seiner kriegserprobten Kämpfer überflogen.

      „Guten Morgen, Husaren!“ rief er mit weithin schallendem Baß.

      „Guten Morgen, Exzellenz!“ kam es aus den Reihen zurück, daß es nur so donnerte.

      „Ich freue mich, euch zu sehen!“ setzte er die Rede fort. „Ihr habt euch immer brav gehalten! Ich habe mich auch gefreut, Seiner Majestät melden zu können, daß ihr unter meiner Leitung schon elf Kanonen, sieben Munitionswagen und fünf Fahnen erobert und einen Generalleutnant, hundertsiebenunddreißig Offiziere, dreitausenddreihundertsiebenundzwanzig Mann, elfhundertvierunddreißig Pferde gefangen habt, sowie, daß kein Offizier des Regiments in Gefangenschaft geriet und kein Unteroffizier gefallen ist. Seine Majestät haben daraufhin geruht, mir selber zu schreiben, haben mir den Roten Adler verliehen, mich zum Generalmajor und zum Inhaber des Regiments gemacht, außerdem mich beauftragt, euch seine Allerhöchste Zufriedenheit auszusprechen. Eurer Tapferkeit und eurem unwiderstehlichen Mut verdanke ich diese Ehrungen, die euch allen in meiner Person zuteil werden.

      Kinder, ihr habt euch einen guten Namen gemacht! In der ganzen Armee achtet man die Roten Husaren, und der Feind fürchtet sie! Ich bin stolz auf euch und freue mich, daß das Regiment von jetzt ab meinen Namen führen soll! Das eine merkt euch aber: ein Blücherscher Husar stirbt, aber er kapituliert nicht! Seine Parole ist: immer vorwärts und nimmer zurück! Sein höchster Stolz: Blut und Leben für König und Vaterland opfern zu dürfen! So wollen wir’s halten, und das geloben wir, indem wir [pg 61]rufen: Seine Majestät, unser allergnädigster König und Herr, er lebe hoch!“

      Donnernd brausten die Hochrufe über das Feld, die Fahnen senkten sich, die Tambours schlugen den Generalmarsch. Der rangälteste Offizier schickte sich eben an, im Namen des Regiments zu danken und Glück zu wünschen. – Da löste sich aus dem ersten Gliede der Schwadron von Planitzer eine Gestalt und kam langsam und feierlich auf den General zugeritten. Er scherte sich nicht das geringste um das Entsetzen der Offiziere und Mannschaften, schreckte auch nicht vor dem zornigen Blick zurück, der ihm aus den Augen Blüchers entgegenblitzte, er zuckte mit keiner Miene, ritt bis dicht vor den General heran, salutierte mit dem Säbel und sprach ohne das geringste Zittern in seiner Stimme: „Holten zu Gnaden, Exzellenz, wenn ich vorwitzig bin und mich vor Dero Antlitz dervorwage! Wo aber Dero Exzellenz heut eene geworden sind, und ich an de Sache nich aso ganz unschuldich bin, mecht ich alleruntertänichst melden, daß ich ooch meine ganz besondere Freide an Dero Erhebung habe!“

      „Wieso, mein Sohn? Was meinst du damit? Sprich aus, was du auf dem Herzen hast!“ antwortete Blücher, dessen Augen anfingen, schelmisch zu leuchten. Sonst von unerbittlicher Strenge beim geringsten Verstoß gegen die Disziplin, war er heute gern gesonnen, ein Auge zuzudrücken, wenn keine Böswilligkeit vorläge. Und der Bursche, der einen ernsten, soliden Eindruck machte, hatte wohl einen besonderen Grund zu seiner Dreistigkeit.

      „Wieso meinst du, daß du an der Sache nicht unschuldig bist?“ fragte der General nochmals.

      „Weil Dero Exzellenz ohne mei Derzwischenkumma nich General geworden wären!“

      „Sieh nur! Sieh nur! Du hast denn wohl beim Könige eine Fürbitte für mich getan?“

      „Zu Befehl nein, Exzellenz! Ich hob den Keenig aber daderzu derholfen, aus dem Oberschten Blücher oanen General zu mache!“

      [pg 62]

      „Da soll der Donner dreimal dreinschlagen! Du bist dreist, Bursche!“

      „Ich sage nur die Wahrheet: Und die Wahrheet is, daß der Keenig, ohne den Oberschten Blücher zu hoben, ooch nicht hätte aus ihm a General mache kenna!“

      „Da hast du recht, mein Sohn! Nun hatte er mich aber –“

      „Nun ja, das hatte er! Und das hat er ebens mir zu danke!“

      Blücher blickte ihn groß an. Er fing an, zu begreifen.

      „Erinnern Dero Exzellenz noch das Gefecht am Kavelpaß? Exzellenz waren dazemal a schwedischer Junker, und ich wie itzt Reiter im Regiment. Den Junker fing ich! Ich hoab’s getan! Und aso bekam der Keenig von Preußen den Mann, den er heute zum General machte und wohl noch heeher steigen lassen wird, so Gott will!“

      „So Gott will – das war ein gutes Wort!“ sagte Blücher. „Denn daran liegt’s, und so war’s auch am Kavelpaß, denk’ ich! Er wird’s gewollt haben und nicht du!“ Er rieb sich die Nase. „Dein Name?“ fragte er.

      „Landeck!“

      „Landsmann?“

      „Aus Esterreisch’-Schlasien!“

      Blücher betrachtete ihn forschend.

      „An dein Gesicht kann ich mich nicht erinnern! Es ist ja auch lange her. Und bei der bewußten Gelegenheit wird mir wohl der Schädel von den vielen Hieben gehörig gebrummt haben! Aber das weiß ich, und darauf kann ich schwören: ein Husar war’s sicher, der mich fing! Und wo du ein Husar bist und wo du behauptest, derjenige zu sein, so bist du’s wohl auch gewesen, dem ich mein Glück zu verdanken habe! Nun erkläre mir aber eins, mein Sohn – denn ein wenig dämmert’s mir doch noch von der Begebenheit –, spricht man noch heute – in Schlesien – so gut Schwäbisch wie damals?“

      Der Husar blickte ihn an, ohne zu begreifen.

      „Der, der mich fing, mein Sohn, der schwäbelte nämlich [pg 63]ganz gehörig, das habe ich mir gemerkt! Nicht nur sein Säbel, auch sein Schwäbisch schlug mir bös um die Ohren!“

      Landeck kratzte sich hinter dem Ohr.

      „Exzellenz,“ sagte er dann keck, „ob ich dazemal schwabbelte, ich weeß es nicht mehr! Das aber weeß ich: ooch in Schlasien gab’s dazemal Schwabben die Masse – nich bloßich in Preußen. Und es gibbt se halt noch, und aso leechte wird se halt nich los, wer se hoat!“

      Blücher lachte.

      „Gut geantwortet, mein Sohn“, sagte er. „Sei’s drum! Du bist mir der Richtige! Du wirst heute mittag einen Löffel Suppe bei mir essen! Und nachher wollen wir miteinander auf den schwedischen Junker anstoßen, den du leben ließest! Den preußischen General können wir dann auch leben lassen! Und nun, mein Herr Solofänger, marsch auf deinen Platz! Und daß du mir nicht noch einmal ohne Befehl aus der Reihe heraus reitest! Sonst brummst du bei Wasser und Brot, und wenn du mich zehnmal gefangen hättest!“

      Gesagt – – der Schlesier warf sein Pferd herum und saß im nächsten Augenblick wieder wie vorhin, unbeweglich wie eine Statue und salutierte mit den anderen, daß die Sonnenblitze