Das heilige Donnerwetter. Adolf Paul. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Paul
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066116316
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Prinz Louis Ferdinand, denn er war es. „Ich benutze meine freie Zeit, um den Rhein hinunterzureisen, und habe nicht die gute Gelegenheit versäumen wollen, der Generalin Blücher meine Verehrung [pg 68]zu Füßen zu legen. So habe ich auch das Vergnügen, Sie zu sehen, lieber General!“

      „Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite!“ antwortete Blücher, gab seiner Frau den Arm und wandte sich wieder zum Prinzen.

      „Hoheit reisen doch nicht mutterseelenallein?“

      „Leider nicht! Für ein paar Stunden bin ich aber frei. Mein Adjutant ist voraus, um Quartier zu bereiten und für morgen ein Schiff zu besorgen. Er wird mich abends bei Ihnen abholen, solange müssen Sie mich schon behalten.“

      „Wenn Hoheit nur vorliebnehmen wollen mit dem, was mein Haus –“

      „Machen wir keine Redensarten! Es wird alles gut sein! Übrigens, wenn Sie’s wissen wollen – nur zum Vergnügen reise ich nicht den Rhein entlang. Seitdem wir den dummen Lunéviller Frieden haben und der Kaiser es so schön eingerichtet hat, daß alles drüben, auf der linken Rheinseite, nun Frankreich sein soll, sehe ich mir überall am Fluß die Grenze daraufhin an, wo wir’s am besten anpacken können, wenn wir darangehen, sie wieder nach Westen hin zu verrücken. Denn das kommt früher oder später!“

      „Sicher!“ sagte Blücher. „Und hoffentlich recht bald. Denn wir brennen alle darauf.“

      „Die drüben im Rheinland auch, nach allem, was ich gesehen habe. Unsere ehemaligen Landsleute sind nicht zufrieden. Sie sind aber zu beneiden.“

      „Wieso denn?“

      „Statt hundert Herren haben sie jetzt eine Regierung – statt hundert Landesgesetzen eins! Leibeigenschaft, Feudallasten, Kirchenzehnten, Zunft- und Bannrechte sind sie los, Handel, Verkehr und Gewerbe sind frei, die Gedanken auch! Kurz: die ganze neue Zeit, der wir uns so ängstlich verschließen, ist ihnen zuteil geworden.“

      „Dafür müssen sie die Republik nach Belieben Rekruten ausheben lassen, und zahlen Steuern bis über den Kirchturm. Dafür müssen sie französisch denken und fühlen und sich ihre deutsche Seele verwelschen lassen!“

      [pg 69]

      „Das ist eben gut!“

      „Der Teufel auch!“

      „Denn je mehr sie leiden müssen, je mehr Haß sie gegen die Gewalthaber aufbringen, die ihnen die neue Ordnung aufzwingen, um so eher haben wir sie wieder. Und die neue Ordnung auch. Die haben wir bitter nötig. – Aber leider können wir sie nur von draußen bekommen. Von selbst bringen wir nicht die Entschlußkraft auf, das Alte und Überlebte abzustreifen. Sehen Sie bloß auf die Armee hier und drüben. Was hat aus den lumpigen ‚Ohnehosen‘ im Handumdrehen eine Armee gemacht, von deren Ruhm die ganze Welt widerhallt? Was gab ihnen die Kraft? Sind sie etwa besser als wir? Haben sie die größere Ausdauer, die besseren Knochen oder mehr Mut und Tapferkeit und Todesverachtung?“

      „Nein, zum Kuckuck!“ rief Blücher. „Den möchte ich sehen, der das zu behaupten wagt!“

      „Ich auch“, sagte der Prinz. „Und doch sind sie uns voran. Weil sie das Söldnertum abgestreift und die allgemeine Wehrpflicht eingeführt haben. Wie sieht’s dagegen bei uns aus? Mannschaften, zum großen Teil aus der Hefe aller Welt aufgelesen, Gauner und lose Leute, die nur mit Gewalt und entehrenden Strafen zusammengehalten werden, immer dem Volk fremd bleiben und ihm feindlich gegenüberstehen müssen! Offiziere, die mehr Unternehmer als Diener des Staates sind – die aus ihren Bataillonen und Regimentern große Einnahmen herauswirtschaften wollen und das nur können, wenn ihre Leute beurlaubt sind und sie ihre Löhnung in die eigene Tasche stecken können. Die brauchen den Frieden wie das liebe Brot! Solchen Kriegern ist der Krieg das größte Unglück. Wir können heilfroh sein, wenn wir keinen ernsthaften Kampf zu bestehen haben werden, ehe diese Zustände mit Stumpf und Stiel ausgerottet sind. Und dazu können wir, Sie und ich, nichts tun, als immer wieder die Stimme erheben – um nicht gehört zu werden. Die Widerstände sind zu groß. Wir haben, wenn nicht die Revolution, so doch zum mindesten ein großes [pg 70]Unglück nötig, um diese Leute und Zustände, die nicht mehr taugen, fortzufegen!“

      „Nee, nee!“ rief Blücher eifrig. „Wir brauchen keine Revolution, die alles kaputt macht. Das Gute, was sich bewährt hat, muß bleiben – und viel Gutes steckt in unserer Armee! Das Schlechte muß zum Teufel! Dazu haben wir bloß ein paar richtige Kerls an richtiger Stelle nötig. – Ein paar Donnerkerls am Kommando, mit klaren Augen und derben Fäusten, die zupacken können. Und dann bloß ein bißchen mehr Entschlußkraft da oben! Das Weitere besorgt schon die preußische Armee. Die nimmt’s noch mit jedem auf. Noch hat sie ihren alten Ruhm. Der wiegt mehr, als mancher hier zu Hause denkt – weit mehr als der ganze welsche Kram. Sorgen Hoheit nur dafür, daß wir nicht immer mit Ketten am Fußgelenk marschieren müssen, dann ist auch kein weiterer Grund zur Schwarzseherei. Außer für den Franzmann!“

      „Hätte ich die Entscheidung,“ sagte der Prinz, und es blitzte in seinen blauen Augen auf, „dann könnte es schon morgen losgehen. Darüber hatte ich mich übrigens schon mit Frau Gemahlin geeinigt“, fügte er hinzu, sie galant ins Gespräch hineinziehend.

      „Du willst doch nicht auch –?“ drohte ihr Blücher scherzhaft.

      „Die Frau Generalin ist ganz für die Kriegspartei gewonnen, lieber Blücher. Da hilft Ihnen kein Sträuben!“

      „Aber Malchen! Da haben wir am Ende schon den häuslichen Krieg?“

      „Hoffentlich!“ lachte der Prinz. „In mir werden Frau Generalin jedenfalls dabei einen stets kampfbereiten Bundesgenossen haben.“

      „Sieh nur, sieh nur! Der Bund wäre denn wohl bereits geschlossen?“ fragte ihr Mann.

      „Ja, sieh dich nur vor!“ drohte sie. „Alle Tage schneien einem die Märchenprinzen nicht ins Haus!“

      „Nun – ich nehme immer den Kampf auf!“ lachte Blücher. „Fahre du auf, was du in Küche und Keller an [pg 71]Munition hast – ein paar Batterien vom besten Rheinwein lassen wir spielen –, wollen sehen, Königliche Hoheit, wer von uns zuerst ins Gras beißt!“

      „Topp!“ sagte der Prinz.

      Er küßte leicht ihre Hand und empfing als Gegengabe einen dankbaren Blick.

      Blücher lächelte. Aber ein schlauer, hinterlistiger Zug zuckte irgendwo hinter dem Schnauzbart, und seine Augen leuchteten hart auf wie beim Jäger, wenn er das Wild gestellt hat und das Gewehr anlegt.

      „Hoheit haben sich wohl bei der Rheinfahrt auch die Entschädigungen angesehen, die wir diesseits des Flusses für Preußen herausholen werden, für das, was uns der faule Friede drüben geraubt hat?“ fragte Blücher dann im Weitergehen.

      „Das war mit ein Hauptziel meiner Reise“, antwortete der Prinz. „Und nur um das zu verdecken, mache ich noch einen Abstecher ins Holländische hinein. Ich spiele ja am Hofe die Rolle des ungebetenen Mahners, den man nicht gern in der Nähe wissen möchte, wo große Entschlüsse zu fassen sind! Man hat mich gern ziehen sehen! Ich komme aber wieder. Und nachher sitze ich den königlichen Kabinettsräten, wie immer, feste im Nacken! Und mein Vetter, der König, wird auch keine Ruhe vor mir haben! Es steht aber auch viel auf dem Spiel – es gilt, rasch zuzugreifen!“

      „Das meine ich auch! Das Bistum Münster ist wohl das wenigste, was wir verlangen können, und dann –“

      „Hannover“, sagte der Prinz und senkte die Stimme. „Die Frucht ist längst reif. Wenn ich nur zu befehlen hätte! Aber es sieht wieder aus, als würde die gute Gelegenheit verpaßt werden, wie schon sooft bei uns.“

      „Ein Wort nur,“ rief Blücher, „und ich nehm’s! Ich laure ja nur darauf! Hannover müssen wir haben. Die Engländer können’s nicht halten, und nehmen wir’s nicht, so nehmen’s die Franzosen. Und die können wir nicht ein paar Tagemärsche von Berlin gebrauchen!“

      [pg 72]

      „Nein, das können