Das heilige Donnerwetter. Adolf Paul. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Paul
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066116316
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zu sehen. Und meine Roten säumten auch nicht, einzugreifen, den Erfolg auszunützen und alles zusammenzuhauen, was da kreuchte und fleuchte.

      Da – kaum daß wir gesiegt hatten – kam der Befehl, zurückzugehen, alles war umsonst gewesen! Denn anderswo lief nicht derselbe Feuergeist an der Spitze! Da hatten sich die Österreicher abdrängen lassen, und da half uns kein Fluchen. Heute aber, wo jener junge Held mein Gast ist, heute möchte ich mit ihm mein Glas darauf leeren, daß der Offensivgeist und die Entschlußfreudigkeit, die uns beide damals beseelten, immer mehr maßgebend werden und nimmermehr in so schmachvolle Abhängigkeit kommen mögen!“

      Sie stießen an und tranken. Der Prinz dankte, schlug aber ab, für seine Person irgendeine Ehrung zu empfangen. Die gebühre der Vertreterin des schönen Geschlechts. Er brachte dann auch a tempo einen Trinkspruch auf sie aus, so glutvoll und stürmisch, daß ihr das Blut in die Schläfen trat, und ihr Mann, um abzulenken, wieder das Wort nahm.

      „Es ist ja zu verstehen,“ sagte er, ruhig lächelnd, „daß [pg 77]ein junger Mann in seiner Huldigung der holden Weiblichkeit sich in Lobsprüchen ihrer körperlichen und geistigen Vorzüge ergehen und den ganzen Wortschatz der Galanterie aufbieten muß, um ihres Liebreizes Herr zu werden. Es gibt aber Augenblicke, wo die Huldigung vor einer Frau keine Worte findet – wo sie uns, durch ihr bloßes Dasein, derartig in den Staub vor ihrer Hoheit zwingt, daß wir verstummen müssen. Wer einmal sein eigenes Kind an der Brust der Mutter sah – wer erblicken durfte, wie es gesättigt, still daliegt, ihre Brust mit seiner kleinen Hand sanft streichelt und sie dankbar anlächelt, mit einem Blick voll tiefster Verehrung –, wer einmal diese Weihe empfinden durfte –“

      „Der scheint doch auch Worte dafür zu finden“, sagte der Prinz rasch, dem General ins Wort fallend. Denn er wußte, daß dessen jetzige Ehe kinderlos war, und sah einen Schatten über das Gesicht der jungen Frau huschen.

      Ein dankbarer Blick aus ihren Augen lohnte es ihm.

      Der General sah es und verstand wohl, wie sehr er sich in Nachteil gesetzt hatte. Er ließ sich aber nichts merken, schenkte die Gläser voll, trank seinem Gast zu, und so allmählich fing man wieder an, alles rosenrot zu sehen, vergaß alle wirklichen und eingebildeten Sorgen, lachte, scherzte und freute sich wie ein Kind über jede Kleinigkeit. Und als die Sonne schon im Westen sank und man sich anschickte, auf die Terrasse zu gehen, um sie hinter den Hügeln drüben verschwinden zu sehen, da war’s dem Prinzen so gegangen, wie seinem Gastgeber selbst bei dem denkwürdigen Essen im Hause seiner nachmaligen Schwiegereltern – er hatte zu tief in die großen Augen der jungen Frau geblickt. Ihr Lächeln hatte es auch ihm schon angetan. Und – als die letzten Strahlen der Sonne die leichten Abendwolken zu vergolden anfingen und den Himmel in Brand setzten, da loderte sein leicht entzündbares Herz schon lichterloh. Er wurde blind und taub, sah nicht die finsteren Blicke seines Gastgebers, hörte nicht den verhaltenen Unmut, der, trotz allen schuldigen Respekts, in seiner Stimme zitterte.

      [pg 78]

      Er flüsterte ihr zärtliche Worte zu, verliebte Blicke flogen hin und her. – Denn die Märchenprinzen waren nicht allzu häufige Gäste, und die gute Erziehung gebietet Höflichkeit! Komplimente aus hohem Munde werden also selten anders als mit dankbarer Rührung empfangen.

      Kurz, der Prinz war auf dem besten Wege, seine kurz vorher so beredt dargelegte Absicht auch praktisch zu bestätigen, daß er’s schon verstehen würde eine Gelegenheit auszunützen – sobald er sie hätte!

      Schließlich merkte die junge Frau an den Blicken ihres Mannes, daß sie das Spiel zu weit hatte gehen lassen.

      Schnell suchte sie der Unterhaltung eine andere Richtung zu geben und erbat sich vom Prinzen die Gnade, sich an seiner weit und breit gerühmten Fertigkeit im Klavierspiel ergötzen zu dürfen.

      Der Prinz, dem die Lebenslust schon weit erlesenere Freuden vorgaukelte, sagte leicht seufzend zu, und man ging in den Salon. Er setzte sich ans Spinett und ließ sein Ungestüm über die Saiten dahinbrausen.

      Die Spannung legte sich. Die fiebernde Unruhe wich aus den Gemütern. Langsam sanken die Menschenkinder aus den rosenroten Wolken, in denen sie soeben hoch über allem Erdgebundenen geweilt hatten, zurück zur Alltagserde.

      Der Prinz merkte es. Die Gelegenheit war nahe daran, ihm aus den Händen zu schlüpfen. Das durfte nicht sein. Er schloß mitten im Stück, sprang auf und setzte sich der Generalin zu Füßen.

      „Hier ist der einzige Platz, von dem aus man Ihnen Ritterdienste widmen darf!“ sagte er feurig. „Ihnen zu Füßen, Ihnen zu Ehren, Ihnen zuliebe singen und dichten, um aus Ihrer Hand den Sängerpreis zu empfangen.“

      „Hoheit bringen mich in Verlegenheit!“

      „Sie waren ebenso grausam, mich in die größte Verlegenheit zu bringen! Denn so befangen war ich noch nie. Meine Hände spielten – mein Herz nicht! – Mein Herz lag hier vor Ihnen im Staube – und hat mir meinen Platz gezeigt! Hier habe ich wieder die Macht über mich gewonnen [pg 79]– hier singt wieder alles in mir. Und wenn Sie befehlen, flechte ich aus meinen Gefühlen für Sie einen Kranz, ziere ihn mit Reimen und biete ihn Ihnen auf den Knien als eine Gabe der Hochachtung dar. Genehmigen Sie’s gnädigst?“

      „Sag’ du ruhig ja, Malchen, geniere dich nicht und danke für die Gnade“, fiel ihm Blücher in die Rede. „Dichtung ist Dichtung und hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun!“

      „Sagen Sie das nicht, General“, antwortete der Prinz. „Die Dichtung führt manchmal die Wirklichkeit herbei – auch wenn sie ihr noch nicht entnommen werden könnte! Seien Sie nur nicht sicher!“

      Er lächelte übermütig und trommelte dabei wie suchend einen Rhythmus auf der Erde vor sich hin. „Hören Sie erst, und dann entscheiden Sie! Darf ich anfangen?“ wandte er sich an die junge Frau.

      „Ich bitte darum, Hoheit!“

      Der Prinz blickte verstohlen lächelnd zu Blücher hin, wandte sich dann an sie.

      „Hier in Vulkans Schmiede kann man ja nur von Mars und Venus singen“, sagte er und fing an:

      „Mars, von Siegen übersättigt,

      kehrt in Venus’ Liebesgarten

      ein, der Göttin aufzuwarten.

      Auf die Frage: Was berechtigt

      Ihn, hier einzudringen? gibt

      er die Antwort: weil er liebt

      – nach dem blutigen Entsetzen

      andrer Kämpfe – das Ergötzen!

      Liebt zu sehn, wie kleine Füße

      kunstvoll sich im Tanze winden,

      Netze knüpfend, die ihn binden, –

      Fessel, die mit ganzer Süße

      den Gefangenen bedrückt,

      wonneschauernd ihn beglückt,

      läßt in Liebesbanden schmachten

      ihn, den großen Herrn der Schlachten!

      [pg 80]

      Amorinen, schnell geschäftig,

      mühn sich um des Gottes Waffen,

      salben seine Glieder, schaffen

      Labung, deren er bedürftig,

      schnell herbei mit vielem Fleiß,

      bringen ihm den Siegespreis,

      winden um sein Haupt die Myrten,

      helfen alles loser gürten.

      So gerüstet tritt der Heros

      an der Göttin Lager, – findet

      sie in Tränen. Klagend windet

      sich der zarte Leib, und Eros,

      sonst ihr Helfer, abseits steht,

      blind