Das heilige Donnerwetter. Adolf Paul. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Paul
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066116316
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alt und verknöchert ist, sitzt oben und gebietet, nur weil es von alters her Tradition war. Und Jugend und Wagemut müssen die Zähne zusammenbeißen und tatenlos beiseitestehen. Herrgottsakrament!“ platzte er mit einem Soldateneid heraus, ohne an die Anwesenheit der jungen Frau zu denken. „Ich liebe die Franzosen nicht. Aber auf die Kerls bin ich doch neidisch! Es war ja scheußlich, wie sie in den acht Jahren der Revolution das Oberste zu unterst kehrten, wieviel Wertvolles und Unersetzliches sie in Trümmer schlugen und im Sumpf und Blut erstickten. Aber das hat manche tüchtige Kraft zum Wohl der Gesamtheit auf den rechten Platz im Staate gestellt! Denken Sie nur an den Advokatensohn von Korsika, der heute als Erster Konsul gebietet. Was hat er nicht in den paar Jahren geleistet, seit wir zum erstenmal den Namen Bonaparte hörten! Glauben Sie aber nicht, wir, Blücher, Sie und ich, hätten das Zeug zu gleich Großem, hätten wir nur die Gelegenheit?“

      „Die Gelegenheit ist da, zum Greifen nahe! Sie war immer da! Nur wagt man nicht, sie auszunützen! Man verwehrt uns das Losschlagen! Hier stehe ich schon, Gott weiß wie lange, auf demselben Fleck in Emmerich auf Vorposten und fluche und schmöke meinen Knaster und blicke über den Rhein, ob nicht der Franzmann mir bald den Gefallen tun wird, in Schußweite zu kommen! Statt übers Wasser zu setzen, in Frankreich hineinzumarschieren, den Parisern bon jour zu sagen und dem Herrn Bonaparte zu zeigen, daß Preußen noch auf der Welt ist! Der hätte dann anderes zu tun gehabt, als über die Alpen zu kraxeln und sich bei Marengo billige österreichische Lorbeeren zu kaufen! Dafür hätte ich gesorgt! Das kommt aber noch, und das ist meine feste Überzeugung!“

      Der Prinz antwortete nicht. Sie waren jetzt vor dem in [pg 73]einem Garten gelegenen Wohnhause des Generals angekommen.

      Der hohe Gast wurde durchs Haus geführt, alle Räume wurden ihm gezeigt – auch die Wohnräume der jungen Frau. Denn in einer Zeit, wo das schöne Geschlecht noch im Bett zu empfangen pflegte, weil es die Sitte so gebot, war ihr Allerheiligstes ein Raum, auf den jeder Gast, der nicht unwillkommen erscheinen wollte, ein Anrecht hatte. Und der Prinz ließ es sich auch nicht nehmen, ihrem wohlverhängten Bett seine Huldigung darzubringen.

      Die junge Frau am Arm, wanderte er so, von dem vorangehenden Hausherrn geleitet, leicht plaudernd, von Raum zu Raum. Im Zimmer des Generals bewunderte er mit Kennerblicken dessen reichhaltige Waffensammlung, ließ es zu, daß Blücher, bei Vorzeigung seiner Schätze, seine unvermeidliche kurze Pfeife ansteckte, scherzte nur über den Qualm, den er produzierte, und meinte, es käme ihm vor, als ob er in Vulkans Schmiede zu Gast wäre, um im Rauch und Qualm der unterirdischen Gewölbe Waffen, Rüstungen und andere kostbare Erzeugnisse seiner kunstfertigen Hand zu bewundern!

      „Um so eher,“ sagte er, galant der jungen Frau die Hand küssend, „da es mir wie dem Kriegsgotte Mars ergeht, als er in der gleichen Lage war.“

      „Wie denn?“ fragte die Generalin lächelnd.

      „Ihm schwanden auf einmal die soeben angestaunten Schätze. Das Gold verlor seinen Glanz, die Edelsteine erloschen, die Blitze der blanken Waffen trafen nicht mehr, sondern verpufften ihre Funken umsonst!– Alles verblaßte, denn aus dem innersten Gewölbe trat ihm Vulkans hehrster Schatz entgegen: die Göttin Venus selbst, lebendigen Leibes – und er war geblendet.“

      „Aber – wie’s scheint – doch nicht stumm!“ lachte Blücher und ließ sich’s gefallen, daß sein Malchen, ihre Verlegenheit durch einen plötzlichen Hustenanfall verbergend, ihm die Pfeife aus dem Munde riß.

      „Pfui, du verqualmst uns ja das ganze Haus! Kommen [pg 74]Sie, Hoheit – gehen wir aus diesem Raum hinaus, wo er allein zu gebieten hat! – Ich führe Sie in mein Reich!“

      Und sie zog ihn mit. Blücher folgte. Und der Prinz, jetzt schon wie zu Hause, forderte sie, draußen im Salon, auf, gleich den Tanzboden mit ihm zu probieren.

      Freudig willigte sie ein und ließ sich von ihm die neueste Tour der Gavotte zeigen, die man jetzt am Hofe der Königin Luise so gern zu tanzen pflegte, damit sie nicht unwissend sei, wenn sie einmal zu Hofe käme!

      Die Tour wurde durchgenommen – der Prinz sang die Melodie dazu. Und Blücher, der auch ein gewaltiger Tänzer war, wurde gleich Feuer und Flamme, revanchierte sich sofort mit einem polnischen Tanz, den er beim letzten Feldzug in Polen gelernt hatte, komplimentierte den Prinzen ans Spinett, trällerte ihm selbst die Melodie vor, bis er sie spielen konnte, und tanzte ihm dann mit seiner Frau einen feurigen Krakowiak vor, daß die Dielen dröhnten und die junge Frau nur so durch die Luft schwirrte. Im Tanzen stand er noch seinen Mann.

      Als der Prinz aber in voller Begeisterung ein wahres Feuerwerk von Komplimenten über die junge Frau losließ, machte Blücher dem rasch ein Ende, schickte sie fort, um nach den Anordnungen für die Mahlzeit zu sehen, und führte seinen Gast solange durch den Garten.

      „Zur Abkühlung!“ wie er nicht ohne einen Nebengeschmack von Ironie sagte.

      Statt der schönen Frau mußte der gute Prinz also die Pferde des Generals bewundern, die aber auch erstklassig waren und es gleichfalls verdienten, vor einer Königlichen Hoheit Gnade zu finden. Blücher versäumte es nicht, dabei in den Sattel zu steigen, um ihre Vorzüge recht anschaulich zu machen, aber auch um zu zeigen, wie gut sie, trotz ihrer Wildheit, ihm doch parierten, wenn auch sie, wie er nicht ohne Ironie beifügte, bisweilen mannstolle Sprünge versuchten.

      Dann ging’s durch den Garten, an den Fernblick über den Rhein, und zuletzt um das Haus herum, wobei der Prinz [pg 75]sich genau nach allem erkundigte und besonders von dem Efeu entzückt schien, dessen armdicke Stämme sich an der Wand emporschlängelten, um mit dunklem Grün die Fenster zu umrahmen. Er zeigte hinauf nach dem Fenster der jungen Frau – denn wo das war, hatte er gleich heraus – und fragte leicht, den Efeu mit der Hand prüfend umfassend: „Daran klettern Sie wohl manchmal hinauf, Blücher, wenn Sie’s eilig haben?“

      „Das wohl nicht, Hoheit“, lachte der General. „Denn ich pflege nicht den Schlüssel zu vergessen, wenn ich abends aus bin. Aber – zu machen wäre es wohl!“

      Und gewandt wie ein Jüngling, packte der hohe Fünfziger den Stamm des Efeus und kletterte halbwegs hinauf.

      Da kam die junge Frau eben auf die Treppe heraus, um zu sagen, daß alles zum Essen bereit sei, sah die lange Gestalt ihres Herrn und Gebieters zwischen Himmel und Erde schweben und schrie leicht auf.

      „Hat keine Gefahr, Malchen,“ rief Blücher herunter, „mach’ man ja kein Geschrei!“

      „Ihr Herr Gemahl ist ein liebenswürdiger Hausherr!“ lachte der Prinz. „Er zeigt seinen Gästen den nächsten Weg ins Allerheiligste!“

      „Ich zeige höchstens – wie sie herunterkommen, wenn sie den Kletterversuch unternehmen!“ bekam er zur Antwort, und Blücher sauste herunter und zeigte dann lachend seinem Gast den Weg in den Speisesaal.

      Man nahm um den runden Tisch am offenen Fenster Platz, durch das man über den Rhein hinausblicken konnte, ließ sich die Gerichte der Frau Gemahlin gut schmecken, begoß sie mit goldigem Rebensaft aus den Kellern des Generals und war bald froh und guter Dinge.

      Der General trank seinem hohen Gast zu und vergaß auch nicht, ihm einen Trinkspruch zu widmen, da er ja gern und ausgiebig zu reden pflegte und man das also wohl von ihm erwarten mochte.

      „Hoheit gestatten?“ sagte er, seinen Römer ergreifend.

      [pg 76]

      „Ich erhebe mein Glas auf den alten, guten, preußischen Offensivgeist, dessen glanzvollster jugendlicher Vertreter uns die Ehre antut, heute unser Gast zu sein. Selten habe ich jenen Geist des Drauflosgehens mit solcher Lust walten sehen, wie eines schönen Julitages vor sechs Jahren – bei Edesheim war es –, Hoheit wissen noch! Und selten wurde ich trotzdem so enttäuscht wie nach jenem Vorfall!

      Meine braven Leute hatten sich den ganzen Tag wacker geschlagen und in den Weinbergen einem an Menschen und Artillerie vielfach überlegenen Feind standgehalten. Sie fingen schon an, müde und marode zu werden, und ich mußte schon zweifeln, ob sie bis zur Dunkelheit noch aushalten würden. Da kam soutien! Ein paar frische Bataillone Infanterie, an ihrer Spitze ein junger Offizier, mit dem ich sofort einig