Meine Seele will endlich fliegen. Hermine Merkl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermine Merkl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991076704
Скачать книгу

      Zeiten der Unruhe und des Umbruchs bieten Gelegenheit zu wachsen und zu lernen.

      In der Zeit meiner Genesung lernte ich, dass ein Mensch, der seine Gefühle ständig unterdrückt, oft in tiefe Depression verfällt, weil er sich letztlich seinen Problemen und den Gefühlen daraus nicht stellt, weil er sie nur unterdrückt und versteckt. Mit Hilfe der Depression drücken wir dann aus, dass es uns sicherer erscheint, bestimmte Dinge auf sich beruhen zu lassen. Doch „aufgeschoben“ ist nicht „aufgehoben“. Nur weil die Probleme nicht mehr zu sehen sind, heißt das nicht, dass sie nicht mehr da sind.

      Unsere Probleme – zum Beispiel die unterdrückten Gefühle des Verletzt-Seins, der Aggression, der Wut – lösen sich nur dadurch auf, dass wir sie anschauen und offen darüber kommunizieren. Ob wir es wollen oder nicht, aber im Laufe unseres Lebens erhalten wir vom Leben immer wieder Gelegenheit, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und zu erkennen, was wir bis dahin in unser Unterbewusstsein verdrängt haben, denn die Probleme führen im Unterbewusstsein so lange ein Schattendasein, bis wir sie uns bewusst anschauen und in unser Leben integrieren. – Und sobald wir das Problem einmal gelöst haben, ist es für immer verschwunden.

      Werden also Emotionen und die mit ihnen einhergehenden Energien nicht gelebt, so bauscht sich all das Unterdrückte in uns auf. Es raubt uns alle Energie. Saugt uns förmlich aus und führt uns auf direktem Weg in ein schon sehr früh erlerntes Opfer-Bewusstsein. In Folge davon leben wir leider nicht ausbalanciert. Soll heißen: Die weiblichen und männlichen Aspekte in uns sind nicht im Gleichgewicht. Wir leben vielleicht zu viel die linke Seite, unsere weibliche Seite (die angepasste, liebe, brave Eva). Es kann aber sein, dass bestimmte Lebenssituationen von uns verlangen, dass wir mehr die Kraft des starken Mannes bzw. der starken Frau (die Kriegerin, die Lilith, die Amazonin) in uns aktivieren sollten, um so besser aus dem Opfer-Modus auszusteigen und uns kraftvoll für unsere eigenen Bedürfnisse und Interessen einzusetzen. Erst wenn kein Teil (weiblich wie männlich) unterdrückt wird, lenken wir unser Leben auf eine autonome Weise. Dann können wir uns in allem, was da ist, selbst erleben und können unser Leben und unsere Liebe mit anderen teilen. Es bedarf einer stabilen Basis in uns selbst. Es bedarf des Glaubens an uns selbst. Erst dann können wir unsere innere Sonne für uns selbst und andere strahlen lassen.

      Wenn wir so leben, dann lassen wir uns nicht länger von Gefühlen, Emotionen und Einflüssen von außen umwerfen. Wir erkennen frühzeitig, ob andere unsere Gefühle manipulieren. Und wir leben kraftvoller und machtvoller, denn wir investieren in unseren Glauben anstatt in unsere Ängste! – Doch wie finde ich nun von der Dysbalance, der Depression wieder zurück zu einem Mehr an Lebensfreude, Harmonie, innerem Frieden, Gleichgewicht und Balance? – Was gilt es hier zu begreifen, zu verstehen?

      Reduziere ich die Phase der Depression auf eine kurze Formel, dann verstehe ich heute darunter eine Zeit des Umbruchs, des Aufbruchs. Was ich gelernt habe, ist, dass die Depression ein deutliches Signal dafür ist, dass es notwendig ist, im Leben etwas grundlegend zu verändern, auch wenn wir uns zunächst noch so sehr dagegen wehren. Mit der Depression gilt es zu erkennen: Jetzt ist die Zeit, all das Alte loszulassen, was nicht mehr dem persönlichen Wachstum dient, und sich stattdessen für die persönliche Weiterentwicklung zu entscheiden. Und es ist Zeit, um in mehr Vertrauen und Liebe in sich selbst zu investieren und für sein Leben voll und ganz die Verantwortung zu übernehmen.

      Außerdem gilt es zu erkennen, dass nichts im Leben einfach nur so geschieht. Alles – und damit auch unsere Vergangenheit ganz genau so wie sie war – hat seine Bedeutung und unterliegt einem höheren Sinn. Selbst die unangenehmsten Situationen und Erfahrungen, all die „dunklen“ Dinge, die eventuell geschehen sind, ziehen wir unbewusst an, damit wir aus ihnen lernen können. Ob es uns gefällt oder nicht: Jeder Mensch, jede Krankheit, jede Situation, die in unser Leben kommt, hat immer mit uns zu tun und dient letztlich unserem persönlichen Wachstum, auch wenn uns das nicht bewusst ist. Die Schule des Lebens will uns stets zu Diensten sein. Will uns in welcher Person und Gestalt auch immer „Lehrer/Lehrerin“ sein. Das Leben funktioniert auf diese sonderbare und gleichzeitig doch auch „wunderbare“ Weise. Es verhilft uns so zu unserer persönlichen Weiterentwicklung. Und dient letztlich damit unserer persönlichen Evolution. Unsere Seele lernt sehr viel durch den Schmerz der Erkenntnis. Ohne Schmerz keine Auseinandersetzung mit einem Problem. Ohne Auseinandersetzung mit dem Problem keine Phase der Reflexion. Ohne Reflexion keine Phase der Bewusstmachung. Ohne Bewusstmachung keine Phase der Erkenntnis. Ohne Erkenntnis keine Phase der Annahme des vermeintlichen Problems, das im Grunde genommen eine „Lernaufgabe“ ist. Ohne Annahme dieser Aufgabe keine Möglichkeit zur Transformation. Ohne Transformation keine weitere Phase in unserer Selbstentwicklung und Evolution.

      Es gilt daher, uns der Aufgabe, die in einer bestimmten Herausforderung begründet ist, bewusst zu werden, uns unsere Probleme, Sorgen, Ängste, Krankheiten und Traumata anzuschauen, sie zu verarbeiten und sie loszulassen. Somit auch ein tradiertes und uraltes Opfer-Bewusstsein loszulassen. Sich mit unterdrückter Trauer und Wut bewusst auseinanderzusetzen. Sich mit der eigenen Sterblichkeit zu beschäftigen. Die Reise in die eigene Unterwelt zu wagen und bewusst in die Angst hineinzugehen. Sich vom Alltagsdruck zurückzuziehen, um Zeit für sich selbst zu haben. Viel gesünder, achtsamer und bewusster zu leben. Nicht mehr bloß zu funktionieren, sondern den eigenen wahren Kern zu leben.

      Das ungeheure Potential unseres eigenen Schöpfergeistes zu erkennen. Zu begreifen, dass wir mit unserem Denken, unseren Worten und unserem Fühlen im Innen wie im Außen genau die Realität erschaffen, in der wir letztlich leben. Zu erkennen, dass wir mit der Art und Weise wie wir gelernt haben zu denken, zu fühlen und etwas zu bewerten, uns den Zustand von Disharmonie, Frust, Zerrissenheit und Krieg genauso selbst erschaffen wie ein Leben in Harmonie, Frieden, Wertschätzung, Respekt und Liebe.

      Es gilt, an sich selbst zu glauben und mit der Liebe in Resonanz zu treten. In Harmonie und Frieden mit sich selbst zu sein. Mit jeder Faser des Seins anzuerkennen, dass es gut ist, dass ich bin wie ICH BIN, weil mich Gott genau so gemeint hat wie ich bin. Nicht länger irgendeine Kopie von „…“ zu sein, sondern sich auf die ureigene Individualität, auf das „Göttliche“ in uns selbst zu besinnen und so den Weg der Individuation zu gehen. Es gilt sich selbst Farbe und Struktur zu geben und damit dem Leben wieder mehr an Leuchtkraft und Leichtigkeit zu verleihen. Seinen eigenen individuellen Lebenssinn und Lebensinhalt zu finden und dabei den Weg der Seele zu gehen. Nicht mehr länger an sich selbst zu zweifeln, sondern ganz und gar aus dem Bewusstsein und Gefühl heraus zu leben: Ich kann das, denn ich bin ich selbst!

      Es liegt allein an uns, Herr/Herrin, Gebieter/Gebieterin über unser Leben zu sein.

      Werden wir dergestalt zum Meister/zur Meisterin über unser Denken, Fühlen, Sprechen, Handeln, so können wir bewusst jegliche Art von Veränderungen in unserem Leben, unserem Wirken und Sein herbeiführen. Können letztlich dann auch die entscheidenden Wandlungs- und Prozessabläufe ganz tief in unserem Selbst-Kern „aufrufen“, so dass bis in unser Zell-Bewusstsein und genetisches System hinein positive Veränderungen stattfinden können. Nur so können eine wirklich tiefe Heilung und Transformation geschehen.

      Was hat mich die Depression noch gelehrt? Bei all der Literatur, die es zur Depression gibt, kommen die Ausführungen von Dr. Ruediger Dahlke am Treffendsten an die Beschreibung der Symptomatik heran, wie ich sie erlebt habe. Dr. Ruediger Dahlke schreibt in seinem Buch Krankheit als Symbol (S. 246 ff), dass bei einer Depression alle Körperebenen betroffen sein können. „Speziell das Gehirn im Sinne einer überzogenen Schutzreaktion in scheinbar aussichtsloser (Stress-)Situation.“ Auf der Symptomebene nennt er unter anderem das Thema der unterdrückten Aggression; Lebens-Energie, die gegen sich selbst gerichtet als Selbstmordtendenz, in Schuldgefühlen oder maskiert in Form verschiedener Symptombilder (larvierte Depression) zutage tritt; ein Mangel an Sinn und Inhalt im Leben bzw. ein fehlender Gefühlsbezug zum Leben; unterdrückte Trauer, ein Blockiert-Sein zwischen Wut und Trauer; Unterdrückung der Lebens-Energie an einem Wendepunkt des Lebens; Flucht vor dem Druck (De-pression im Sinne von De-kompression); die Unfähigkeit zu leben und zu sterben; eine unerlöste Form der Beschäftigung mit dem Sterben (Selbstmordgedanken) und mit dem „dunklen“ weiblichen Archetyp.

      „Das Ja zu den eigenen Schwächen

      ist der Königsweg zum Glück.“

      Raphael