Schuld- und Schamgefühle
Alpträume und u. U. Lebensmüdigkeit
innere Antriebslosigkeit, zu keiner großen Entscheidung mehr fähig
…
In Wahrnehmungen und Gefühle übersetzt heißt dies, wie zum Beispiel bei mir: Warum habe ich immer wieder diesen Traum, in ein tiefes, schwarzes Loch zu fallen? – Was ist dieses Undefinierbare, dieses Schwarze, Düstere, Schwere in meinem Leben? – Was ist das für ein zähes Erbe, mit dem ich da angetreten bin? – Warum ist es mir nicht möglich von Grund auf glücklich zu sein? – Wo kommt sie her, meine tiefsitzende Angst vor dem Leben? – Was haftet ihr an? – Lebe ich denn überhaupt oder bin ich mehr ein Schatten meiner selbst? – Warum scheint mir Lebensfreude und Glück nicht einfach ebenso in die Wiege gelegt zu sein wie den anderen? – Warum habe ich das Gefühl mir alles so hart „erkämpfen“ zu müssen? – Ich bin so müde vom Kämpfen. – Ich mag nicht mehr. – Kämpfen, kämpfen, kämpfen! – Warum empfinde ich mein Leben als einen solchen Kampf? – ???
Ich trage in mir einen Schmerz, der meiner ist und doch nicht meiner. Er begleitet mich schon seit meiner Kindheit. Genau wie die Gefühle von tiefer Traurigkeit, Ohnmacht und ein starkes innerliches Aufgewühlt-Sein. – Bloß nicht schwach sein. Bloß keine Gefühle zeigen. Das kommt nicht gut. Gefühle müssen kontrolliert werden. Mein Weinen, meine Schwäche. – Bloß nicht auffallen, nicht laut sein, sich am besten gar nicht zeigen. Funktionieren ist wichtig. – Schon als Kind und Jugendliche fühlte ich mich oft sehr einsam und allein. Die Einsamkeit zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Ich kann mitten unter Menschen sein und fühle mich dennoch so allein. Manchmal ist meine Ohnmacht so groß, dass ich nicht sprechen kann. So konnte ich zum Beispiel meinen Eltern, aber auch meinem Ex-Mann, nie wirklich sagen, was mich beschäftigte. Ihre Welt war nicht wirklich meine Welt. Und ihnen erging es mit mir wohl ebenso. So war ich stets viel mit meinen Gedanken allein. Auch heute noch. …
„Die Seele ist nicht grenzenlos belastbar.“
Bettina Alberti
Die Seele ist nicht grenzenlos belastbar. – Dass dem so ist, das habe ich leider zu spät gemerkt. Solange ich denken kann, war eine gewisse Härte mir selbst gegenüber an der Tagesordnung. Bloß nicht zu weich und nachsichtig mit sich selbst sein. Möglichst keinen Stress machen. Angesagt sind Funktionieren und Disziplin! Das hatte ich gelernt. Das war mir vertraut. Was ich jedoch meiner Seele damit antat, das war mir nicht bewusst. Für mich war es ein ganz normaler Wahnsinn, so unsanft mit mir selbst zu sein. Ich war der Überzeugung, das gehört so zum Erwachsensein dazu. Doch das Leben wollte mich anderes lehren. Irgendwann – genau genommen mit dem Tod meines Bruders – kam ich mit allem nicht mehr zurecht. Schließlich kam meine Seele gemeinsam mit ihm in dieses Leben und gemeinsam mit ihm wollte sie auch wieder zurück. Für begrenzte Zeit konnte ich noch ganz gut funktionieren, dann aber kollabierte meine Seele. Ich fühlte mich nur noch leer. Eine leere menschliche Hülle. Ein Körper ohne Leben. Sich bloß im Außen nichts anmerken lassen. Stärke zeigen …
Oft haben wir die Traumata unserer Eltern und Großeltern schon so früh in unserer Kindheit aufgenommen, dass wir uns ihrer gar nicht bewusstwerden, weil sie schon von Anfang an in unserem System heimisch geworden sind. Mitunter versuchen wir vielleicht schon seit Jahren/Jahrzehnten ihrer habhaft zu werden, sie irgendwie auszugleichen und zu kompensieren, nur gelingt uns dies nicht. Stattdessen nehmen wir sie als Energieräuber, als Angst auslösend oder gar depressiv machend wahr und haben immer wieder ein Gefühl, als würden wir über einem dunklen Abgrund hängen. Die unverarbeitete übernommene Trauer kann sich uns zum Beispiel auch dadurch zeigen, dass wir zwar viel weinen, aber nicht wie üblich nach dem Weinen eine Erleichterung verspüren, sondern eher noch das Gefühl haben, noch tiefer in eine nicht enden wollende Traurigkeit abzurutschen. – So sehr uns diese Gefühle belasten und in die Knie zwingen, sind sie dennoch kaum greifbar für uns. Gelingt es uns nicht, ihrer trotz innerer Arbeit und Reflexion habhaft zu werden und sie aufzulösen, dann ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass es die Energien und Traumata unserer Eltern und Ahnen sind, denn wären es unsere eigenen Belastungen und die daraus resultierenden Energien, dann könnten wir sie uns bewusst machen und lösen.
Sind wir uns der eigenen Probleme und der damit verbundenen Gefühle, die der Klärung bedürfen, bewusst geworden, können wir diese ausreichend betrauern und somit auch lösen. Tragen diese dann nicht länger als unnötigen Ballast mit uns herum, sondern empfinden Frieden und Liebe. – Die Traumata unserer Eltern und Ahnen können wir jedoch nicht lösen. Sie sind zäh, haften uns an und bestimmen so lange unsere Gefühle, unser Denken und Handeln, bis wir sie an die Menschen zurückgeben, von denen sie gekommen sind. Und das sind in aller Regel genau die Personen, die uns wiederum unbewusst auf Abstand halten, um sich selbst vor ihren eigenen unbewussten Gefühlen zu schützen.
Für uns Betroffene ist es wichtig, diesen ganzen Ballast „fremder“ Energien zurückzugeben, denn erst wenn wir wirklich frei davon sind, können wir in unsere eigene Lebenskraft und Lebensfreude finden. Erst dann kommen wir bei uns selbst an und erfahren nun neben der körperlichen auch die seelische Geburt. Fühlen uns gehimmelt und geerdet, stehen mit beiden Füßen im Leben und können nun endlich erleben wie schön es ist, aus einem freien Herzen heraus zu leben.
Mehr Verständnis für mich und meine Situation bekam ich erst so richtig, als ich 2018 begann an Systemischen Aufstellungen teilzunehmen. Sie brachten Licht ins Dunkel und halfen mir vieles besser zu verstehen. Bei einer Systemischen Aufstellung werden die für ein bestimmtes Thema wichtigen Mitglieder eines Systems (z. B. Familie) aufgestellt und innerhalb eines Raumes zueinander in Beziehung gestellt. Auf diese Art kann im Hinblick auf das Thema bewusst gemacht werden, wie es um die Interaktion zwischen den Mitgliedern der Familie steht. Sind sie sich zu- oder abgewandt? – Blockieren sie sich? – Welche unbewussten Energien (positiv/negativ) zeigen sich zwischen Person A, B, C …? – Da wir Menschen uns gegenseitig Spiegel sind, hat jeder von uns innerhalb dieser Systeme einen ganz bestimmten Platz, der letztendlich wiederum mit ganz bestimmten Lernaufgaben sowohl für den Einzelnen als auch für das gesamte System verbunden ist. Das Wertvolle an den Systemischen Aufstellungen ist, dass sie Klarheit und Bewegung in festgefahrene Systeme bringen. Der Sinn solcher Aufstellungen ist es, immer wieder auftretende Schwierigkeiten oder Konflikte in einem größeren Zusammenhang zu sehen. So können zum Beispiel biografische Muster und generationsübergreifende Problemstellungen sichtbar gemacht und integriert werden. Dabei führt ein geschulter Therapeut oder Coach die beteiligten Systemvertreter/Stellvertreter durch den Prozess. Den Grundstein für diese Methode, unbewusste Strukturen, Beziehungen und Dynamiken von Systemen sichtbar zu machen, legte die amerikanische Familientherapeutin Virginia Satir.
Über mehrere solcher Systemischen Aufstellungen hinweg wurden wir als Stellvertreter immer wieder konfrontiert mit der Thematik von Krieg, Tod und unverarbeiteter Trauer und konnten uns so darüber bewusstwerden, wie sich die ungelösten Energien, deren Ursache meist in dem unverarbeiteten Schmerz von damals lag, auch heute noch als Blockade innerhalb der Beziehung zwischen Eltern und Kind zeigen. So erlebten wir immer wieder einmal Situationen, wo wir erkennen konnten, dass uns die Eltern als Kinder mit unseren Bedürfnissen nach Wertschätzung und Liebe gar nicht wirklich wahrnehmen und fühlen konnten. – Ganz im Gegenteil. – Wir überforderten sie zusätzlich, indem wir jetzt auch noch bedürftig nach ihrer Liebe und Zuwendung waren. Zum Teil waren sie mit ihrem Schmerz wie zu einer Salzsäule erstarrt, da in ihnen so viel an Angst, Traurigkeit und anderen Emotionen war, die ein Fühlen und Wahrnehmen des eigenen Kindes gar nicht möglich machten. Wie ein Schatten lebten diese Energien in ihnen fort und blockierten unbewusst die Beziehung zu ihrem eigenen Kind. – Und über allem konnten wir immer und immer wieder sehen, dass es in aller Regel an der Kommunikation zwischen den beteiligten Personen fehlte. Man hatte schon viel zu lange das Tuch des Schweigens über alles gelegt und wollte mit dem eigenen Seelenschmerz, sowie der Angst und Ohnmacht, die sich dadurch zeigen können, nicht konfrontiert werden. … Wie sollten uns die Eltern also das geben, wonach sie selbst bereits in ihrem Leben suchten, ganz egal wie bewusst oder unbewusst sie dies taten?
Erst mit der Lektüre der Bücher von Frau Bettina Alberti und