DU GEHÖRST IHNEN.. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: 666 - Perfektion des Bösen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969020050
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hinein gerast und sie ahnte nicht im Entferntesten, dass ein gewisser Dr. Franco Mignello, den sie nicht einmal kannte, schon mehrfach ihr Lebensretter gewesen war.

      Franco Mignello hatte während der letzten rund acht Monate der laufenden Welttournee fünf Mordanschläge auf den Superstar vereiteln können. In vier der fünf Fälle akuter Lebensbedrohung hatten das seine Leute für ihn erledigt. Profis, die er ganz im Stillen zur Sicherheit der Rockdiva engagiert hatte. Dem Weltstar war nichts passiert; wie immer sie das ´arrangiert´ hatten – es war gut ausgegangen.

      Nur einmal gab es für ihn selbst eine sehr unerfreuliche, anstrengende und nervenaufreibende Begegnung der unheimlichen Art in Miami Beach. Das Ereignis in Miami hatte ihn zu dem unumkehrbaren Entschluss gebracht, sich nie mehr direkt einzuschalten. Dem war er nicht gewachsen, das hielten seine Nerven nicht aus und er fragte sich seit dem Tag immer und immer wieder: Bin ich vielleicht ein Mörder oder nur ein Mordverhinderer? Oder wie ging das ‚Treffen‘ mit der Person eigentlich aus ...?

      Seine Intuition, die einmalige Begabung sich in Situationen hineinzuversetzen, wie ein weltmeisterlicher Schachspieler die richtigen Züge weit im Voraus zu denken hatten sein persönliches Eingreifen erforderlich gemacht. Denn jede Hilfe der von ihm engagierten Profis, die die Sache auf ihre Weise geregelt hätten, wäre zu spät gekommen. Das lag an Stellas überraschendem day-off-timing während der Tournee. Aus welchen Gründen auch immer flog sie urplötzlich nach New York und dann, wenige Stunden später, von dort weiter nach Hause, nach Miami.

      Franco Mignello war nicht nur ihr Lebensretter. Das wäre zu einfach. Die fünf Anschläge auf Stella im laufenden Jahr hatten ihre Ursachen in Stellas Bemühen, ihren Bruder Aaron zu rehabilitieren. Und dabei verstrickte sie sich mit ihrer geradlinigen, offenen und fast schmerzhaft direkten Art immer mehr in komplexe Machenschaften äußerst mächtiger Menschen. Anfangs war sie denen nur lästig. Dann störte sie offensichtlich deren Kreise. Und damit begannen sie, sich der lästigen Sängerin entledigen zu wollen, nachdem sie endgültig begriffen hatten, dass sie Stella nicht für ihre Zwecke benutzen konnten und sie zu einer ernsthaften Gefahr werden würde.

      Das ´Entledigen´ konnte Franco bislang verhindern.

      Neben den Ausnahmesituationen, die es für ihn zu bewältigen galt, griff Franco auch in anderen Situationen indirekt viel öfter in ihr Leben ein als Stella es ahnen konnte. Organisierte vieles zu ihrem Schutz, ebenfalls intuitiv. Der Schachspieler, der acht Züge im Voraus plant. Franco nahm Stella auf diese Weise etliche Lasten von ihren Schultern. Lasten, von denen sie nicht einmal ahnte, dass es sie überhaupt gab. Weder ihr Team noch sie selbst waren sich bewusst, dass sie während der letzten Monate in ständiger Lebensgefahr schwebte. Dass sie durch die feinen vibrations eines unscheinbaren und für sie unsichtbaren Typen aus Italy, der um die Gefahren wusste und die richtigen Maßnahmen ergriff, in lebensentscheidenden Momenten quasi ferngelenkt wurde. Mignello war zum guten Geist der Stella Henderson geworden. Völlig unreflektiert. Franco gab Liebe, altruistisch.

      SCHACH WIRD VON ZWEI SPIELERN GESPIELT, DIE ABWECHSELND ZIEHEN. MAN SPIELT AUF EINEM SCHACHBRETT MIT 64 FELDERN, DAS HEISST, MIT 8 X 8 FELDERN. DIESE FELDER SIND ABWECHSELND SCHWARZ UND WEISS. DAS BRETT SOLLTE SO AUFGESTELLT SEIN, DASS JEDER SPIELER AN DER RECHTEN UNTEREN ECKE EIN WEISSES FELD VOR SICH HAT.

      (Schachlehrbuch, Bobby Fisher, 1966)

      Das klingt sehr einfach. Zwei Gegner, vierundsechzig Felder. Doch wie viele Möglichkeiten die sechzehn Figuren einer Partei, schwarz oder weiß, ins Spiel zu bringen! Die Bauern, Läufer, Türme, den König und die Königin zu dirigieren! Unzählige.

      In dem besonderen Spiel der Henderson gab es nicht nur zwei Gegner. Es war ein Spiel der Ungleichgewichte und mit vielen Königen, Läufern, Springern. Auf der einen Seite Franco Mignello, der kauzige Einzelgänger und platonische Liebhaber der Rockdiva Stella Henderson. Auf der anderen Seite unzählige Gegner, gegen die Franco simultan anzutreten hatte. Zwanzig Partien gleichzeitig. Mit dem zusätzlichen Handicap, dass er immer nur die schwarzen Figuren hatte. ´Die´ waren nicht nur einen Zug voraus, sie schienen auch ständig die Spielregeln zu ändern, sie zu missachten. Und die traten irgendwie mit jeweils sechzehn mal sechzehn Figuren an. Pro Spiel. Gab es einen Überkönig, ein Dutzend weiterer Könige, wer waren die vierhundert Läufer im Spiel? Wer die zweitausend Bauern? Wie viele Bauernopfer? Wen musste es noch treffen, um das Spiel der Spiele zu entscheiden?

      Schach.

      Er, Franco, der schwarze König an seinem einsamen Brett, musste siegen. Spielte simultan gegen ein Dutzend und mehr unsichtbarer Gegner. Es galt, seine Königin, Stella, zu schützen. Schachmatt durfte es nur für die Gegner geben, die sich mehr als bedeckt hielten und von denen Franco nicht genug wusste. Bisher hatte er kontinuierlich gesiegt, in einem Spiel, dass für ihn mit vielen Unbekannten gespielt wurde, in dem schon seine Bauerngegner hochkarätige Vier-Sterne-Generale zu sein schienen. Bisher war er unbemerkt und unerkannt geblieben. Seine Königin blieb so unendlich fern von ihm und für ihn. Und dennoch mittendrin im Spiel um jeden einzelnen Sieg, der Leben bedeutete. Nacktes Leben, Überleben; für den Moment. Aber hatte er auf Dauer die Kraft gegen mehrere Gegner gleichzeitig an verschiedenen Fronten und auf unterschiedlichen Ebenen des königlichen Spiels anzutreten? Und stets gewinnen zu müssen, da sonst seine Geliebte, die weiße Königin, zerstört werden würde?

      V

      MUSIK.

      WAS WÄRE UNSER LEBEN

      OHNE DIE ZWÖLF TÖNE EINER OKTAVE,

      DIE AUS DEN ZWÖLF UNTERSCHIEDLICHEN

      GRUNDSCHWINGUNGEN

      DER ZWÖLF PLANETEN UNSERES SONNENSYSTEMS

      ENTSTANDEN SIND.

      MUSIK.

      Danis

      Noch immer Frankfurt a.M.,

      Marek offeriert Stella einen Liebhaber.

      Stella Henderson saß abgespannt und doch glücklich in ihrer Garderobe. Es gab, Gott sei es gedankt, noch immer aufmerksame, altmodische Fans. Durch sie war ihre nicht gerade freundlich wirkende, in grau und orange gehaltene Garderobe von Blumen übersät. Ungewöhnlich für ein Rockkonzert. Die Deutschen scheinen Blumen zu mögen, ging es ihr durch den Kopf, als es zaghaft an der Tür zu ihrer Garderobe klopfte.

      »Who?«, fragte Stella in Richtung Tür.

      »Marek.«

      »Please, come in, Marek!«

      Stellas Manager schob seinen Kopf durch die kaum geöffnete Tür, denn er wusste, dass sich Stella nach jedem Konzert sofort ihre durchgeschwitzten Klamotten vom Körper riss und einige – lange – Minuten völlig nackt vor dem Spiegel verharrte. Die Sängerin genoss es, ihren ausgelaugten, zugleich aufgeputschten und vibrierenden Körper, wie nach Stunden herrlich wilder Liebkosungen durch einen Mann, intensiv zu betrachten. Aufrecht, die Hände in die Taille gestützt, leicht breitbeinig, wie eine Siegerin nach einem Wagenkampf bei der Schlacht um Troja, liebte sie die Momente der Einsamkeit und der Möglichkeit der inneren Einkehr nach dem Konzert. Millimeter für Millimeter scannte sie mit ihren wachsamen, so unglaublich intensiv blickenden, goldgrünen Augen ihren schönen Körper ab. Genoss den Triumph noch einmal. Nur durch das eigenwillige Ritual konnte sie sich von der Bühne, den Anstrengungen des Konzertes und den vielen kleinen und großen Multi-Orgasmen, die sie während eines guten Gigs durchpeitschten, erholen.

      In solchen Momenten wollte und durfte Marek nicht stören. Sein Verhältnis zu Stella war, selten genug in dieser Branche, ausschließlich nur auf das Business fokussiert. Ohne Wenn und Aber. Es war ein Geben und Nehmen. Sie profitierten beide von den Qualitäten des anderen. Sie wussten das Privileg zu schätzen und vertrauten sich ohne Limit.

      Als Marek anklopfte, hatte Stella sich schon den dunkelgrünen Seidenbademantel, passend zu ihren überwältigenden Augen, übergeworfen. Als Marek in ihre Garderobe eintrat, schien er ihre Sinnlichkeit, die sie in übergroßem Maße ausstrahlte, nicht wahrzunehmen.

      Profi.

      »Ich möchte dich nicht weiter stören, meine Liebe. Nur dieses Kärtchen wollte