DU GEHÖRST IHNEN.. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: 666 - Perfektion des Bösen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969020050
Скачать книгу
Firmen, die dem Texaner gehörten, konnte nur ein Mensch Auskunft geben: Sam Sunrise. Schriftliche Dokumentationen über seine Holding, die nur einen Aktionär hatte, Sunrise, existierten nicht. Denn dank seines eidetischen Gedächtnisses, über das nur 0,001 Prozent der Menschen verfügen, waren alle relevanten Details und Zusammenhänge seiner Firmen ausschließlich in seinem phänomenalen Gehirn gespeichert.

      Sunrise hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, die wichtigen Fakten zu seinen Firmen wöchentlich auf jeweils einem durchnummerierten DIN A 4-Blatt handschriftlich festzuhalten. Nach einem für ihn einfachen Zahlensystem waren dadurch alle wichtigen Vorgänge der Unternehmen in seinem genialen Gehirn perfekt abgespeichert, so dass er sich den jeweils aktuellen Stand in Sekundenbruchteilen abrufen und dabei Jahre zurückgehen konnte, ohne dass sich jemals ein Fehler einschlich. Hatte er sich die neu hinzugekommene, aktuelle Grafik eingeprägt, wurde das Blatt sofort verbrannt. Es fehlte jeder schriftliche Beweis, der Zusammenhänge seines riesigen Besitztums aufdecken konnte und wer hinter den unzähligen Einzelfirmen mit fingierten Eigentümern steckte. Kein Computer, in dem etwas zu finden war, kein Safe, in dem Unterlagen über die Verflechtungen zu finden sein könnten. Es gab nur Sunrise´ unbestechliches Gedächtnis. Seine eigene Cloud ...

      Gefährlich. Genial.

      »Meine Herren«, ließ sich die dröhnende Stimme von Sunrise nach einer kurzen, verschreckten Pause, die durch das Einbringen der Illuminati in das Gespräch eingetreten war, vernehmen, »lassen Sie mich einen kurzen Exkurs in die geheime Welt der Illuminati und die des Geldwesens geben. Und da meine ich nicht die bewusste Verblödung durch Dan Brown, der die Illuminaten darstellt, als seien sie eine kleine Sekte, die den Vatikan stürzen möchte, hahaha!! Das ist lächerlich! Vieles werden Sie über die wahren Hintergründe und Herrscher bereits seit langem vermuten und/oder wissen, schätze ich mal. Dennoch möchte ich meine jahrelangen Recherchen zusammenfassen, denn all das hat letzten Endes mit unserem geplanten Geschäft und unserer Vision zu tun. Je mehr Sie wissen – wir wissen! – umso sicherer können wir an unserem Plan arbeiten. Schütteln Sie nicht den Kopf, auch wenn Sie manches nicht für möglich halten wollen und das Kotzen kriegen. Und auf die Gefahr hin, dass ich Sie langweile, und dass Sie einen eigenen, vielleicht etwas anderen Wissensstand haben, halte ich es für unabdingbar, dass wir uns gegenseitig umfassend informieren. Für unsere gemeinsame Sache. Außerdem glaube ich, dass Sie ein Recht darauf haben, meine Haltung zu kennen.«

      Leichtes Räuspern, ungläubige Blicke und dennoch konnte man die augenblickliche Spannung in den Gesichtern der Herren erkennen.

      Sunrise nahm noch einen Schluck Wasser, ging sichtlich in sich. Die Sekunden der völligen Konzentration benötigte er, um aus seinem Gedächtnis die richtige Schublade zu öffnen, die er zum Thema Illuminaten vermutlich bis zum Rand voll gespeichert hatte. In dem Moment, wo er zu seinen Ausführungen ansetzte, kam der Fahrer von Sir Lee schnellen Schrittes an den Tisch, beugte sich über den Tai-Pan und flüsterte ihm in Mandarin aufgeregt etwas zu. Ungewohnt hektisch, bleich geworden, schnellte Sir Lee hoch:

      »Meine Herren, wenn Sie mich einen Augenblick entschuldigen wollen« – und verschwand ohne eine weitere Erklärung mit kleinen, wieselflinken Schritten.

      »Das kenne ich von dem Mann nicht«, brummelte Sunrise vor sich hin. Below schaute Lee überrascht hinterher. Der Tai-Pan war für seine ruhige, ja lässige Attitude bekannt. Dass ein Mann wie er sichtlich aus der Fassung gerät, bleich wird und fast fluchtartig das Treffen verlässt, war eine neue Erfahrung für die beiden Füchse. Der Exkurs zum Thema der Illuminaten war für den Moment geplatzt und die Herren wussten nicht, worüber sie jetzt reden sollten. Zu unterschiedlich waren ihre Charaktere.

      »Meinen Sie, Sunrise, dass es bei ihm Probleme gibt, unsere Sache betreffend?«, versuchte der Geheimdienstmann die Situation ein wenig aufzulockern.

      »Sie sind doch der Schnüffler vom Dienst, Below, hähäha,« überreagierte Sunrise lautstark, um seine eigene Nervosität zu übertünchen. Es musste etwas Außergewöhnliches, nichts Gutes verheißendes geschehen sein, dass Sir Lee sie allein sitzen ließ. Ihre Treffen liefen immer hoch professionell und ohne jegliche Unterbrechungen ab.

      Schweigen am großen, runden Tisch.

      Die Geräusche des Restaurants nervten plötzlich. Gabel auf Porzellan, Glas an Glas, Teller auf Teller, Schritte, Gesprächsfetzen ...

      »Entschuldigen Sie, meine Herren.«

      Noch immer blass und atemlos kam der Chinese nach wenigen Minuten zurück an den Tisch. Setzte sich mit fahrigen Bewegungen; zwei Augenpaare, die ihn neugierig musterten.

      »Es hat soeben eines meiner Hochhäuser erwischt. Ähnlich wie seinerzeit in New York die Twins. Der Lee-Tower in Seoul ist von einem echten Flugzeug getroffen worden. Vierundzwanzigtausend Menschen sind in höchster Lebensgefahr, wenn nicht zum Teil schon tot. Wir arbeiten dort rund um die Uhr mit vollem Personal. Eine Boeing 757 raste in Höhe des achtundzwanzigsten Stockwerks in den Turm, der mit über 600 Metern zu den höchsten Bauwerken der Erde zählt. Ein Flugzeug allein kann den Schaden nicht anrichten, von dem mir von meinem Management berichtet wurde. Dazu ist der Lee-Tower zu solide gebaut. Solider, als die Twins von New York und schon dort war es aus statischen Gründen unmöglich, mit Flugkörpern aus Aluminium diese Türme zum Einsturz zu bringen. Es müssen Bomben an Bord der Maschine gewesen sein oder so etwas Ähnliches. Und bei mir in Seoul? Keiner weiß, ob das ein Anschlag ist oder ein Unfall. Wir müssen abbrechen, meine Herren!«

      »Kann es sein, dass der Anschlag auf eines Ihrer Wahrzeichen Ihnen persönlich gilt?«, fragte der Texaner, selbst ganz steif und kerzengerade auf seinem Stuhl sitzend, während Below tief in Grübeleien versunken schien.

      »Oder hat es mit unserer Sache zu tun? Sind wir zu blauäugig an die feindliche Übernahme der Patente gegangen? Stehen Mächte dahinter, über die ich gerade dozieren wollte?«, ergänzte ein völlig anderer Sunrise, jetzt leise, plötzlich sensibel wirkend, mehr in sich hineinsprechend als zu seinen Tischpartnern.

      »Ich weiß es nicht! Ich weiß es beim besten Willen nicht. In den Minuten des Schreckens laufen Bilder in mir ab. Meine ganze Karriere geht mir durch den Kopf und die Frage: Gilt das mir, gilt es meinem Konzern, meiner politischen Haltung. War es ein Unfall, ist es eine Warnung für das, was wir vorhaben. Wer kann geplaudert haben, wer steckt dahinter. Haben Sie damit zu tun, meine Herren? Wer weiß noch von unserem Vorhaben? Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben extrem verunsichert. Es ist schrecklich. Und ich sitze hier und kann nichts machen. Rein gar nichts. Die Airline sagt, es gab keinen Hinweis auf eine Flugzeugentführung, aber das besagt gar nichts.«

      Below blickte auf, schaute Sir Lee lange in die Augen: »Ich denke, dass es Sie persönlich betrifft. Es ist das einzige Gebäude aus Ihrem Immobilienbesitz, das Ihren Namen trägt. Das ist ein Anschlag und ein Zeichen, glauben Sie mir. Ich bin soeben alle Verbindungspunkte zwischen uns, unseren Partnern und der Sache, an der wir arbeiten, durchgegangen. Wenn die Chip-Technologie das kann, was wir glauben, dann versuchen wir, mit der heißesten Ware auf der Erde zu dealen. Ich versuche, die Kräfte zu orten, die ebenfalls mit von der Partie sind. Vielleicht haben wir alles zu lax gesehen ...«

      Keiner der beiden Herren antwortete. Jeder ging seinen Gedanken nach, versuchte zu kombinieren und Sir Lee befand sich, so hatte es den Anschein, in einer leichten Apathie.

      »Ich habe«, ergriff Below erneut das Wort, um vom Geschehenen abzulenken und sich und seine Tischpartner zu beruhigen, »in unserer Behörde, dem FSB – den Namen KGB hört man ja nirgends mehr gern, obwohl er fälschlicherweise noch immer kursiert und sich in der Art unserer Arbeit nichts verändert hat – unser IBM-Kraftwerk >The Beast III< befragt und so manches über unseren deutschen Lieferanten herausgefunden, was von Wichtigkeit sein kann, falls er es sich doch noch anders überlegen sollte und nicht mit uns zusammenarbeiten will. Die ´Bestie´ hat alles über ihn gespeichert. Kein Fliegenschiss, der dem Großhirn entgehen würde. Alle Bewegungen, alle Finanztransaktionen, alle Flüge, alle Fahrten mit dem Auto, natürlich alle Telefonate, Faxe, E-Mails, SMS und so weiter. Wir haben, glauben wir, wirklich jedes Detail über ihn. Ob privat oder von seinem Ministerium. Mit Ausnahme der Dates, die wir in den letzen Tagen noch nicht dechiffrieren konnten, ist er für mich durchsichtig. Ein offenes Buch.«

      »Wenn