DU GEHÖRST IHNEN.. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: 666 - Perfektion des Bösen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969020050
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      Jetzt steht sie an der Bühnenkante, immer noch überwältigt vom anhaltenden Toben der Fünfzehntausend. Stella Henderson genießt ihren Triumph und durch die Bluse zeichnen sich die steil aufgerichteten Knospen ihres wundervollen Busens ab. Intensiver Beifall ist Erotik pur für Stella und einer der Gründe, wenn nicht der wichtigste, Rocksängerin zu sein und nicht Managerin einer Kosmetikfirma, Rechtsanwältin, Kongressabgeordnete oder Hausfrau. Sie zieht das Mikrofon noch einmal in eindeutiger Bewegung zu sich heran. Die Geste kannte man über Jahrzehnte hinweg schon von T.T. Nur dass sie bei Stella weniger vulgär, vielmehr natürlich-erotisch aussieht:

      »Thank’s, thank’s a lot! Thank you Germany, thank you Frankfurt, thank you very much, my friends!«

      Die Masse jubelt ihr noch ein letztes Mal frenetisch zu. Eine Verbeugung. Jetzt kommt sie direkt auf Meerbold zu. Geht in die Knie um ein paar der Hände zu berühren, die sich ihr gierig entgegenstrecken, die Beine weit gegrätscht.

      Ihre Jeans wird eng, sehr eng und Meerbold starrt gebannt nur auf eine einzige Stelle.

      III

      WIR LEBEN IN PARALLELWELTEN.

      ZEIT GIBT ES NICHT.

      SIE IST EIN MECHANISCHES HILFSMITTEL,

      UM NICHT DEN ÜBERBLICK ÜBER DAS LEBEN ZU VERLIEREN.

      DOCH WIR KÖNNEN DEN RAUM KRÜMMEN,

      VORWÄRTS UND RÜCKWÄRTS,

      AUFWÄRTS UND ABWÄRTS

      SEITWÄRTS UND SEITWÄRTS SCHAUEN

      NUR MÜSSEN WIR ES ERST NOCH LERNEN. UND DANN VERSTEHEN ...

      Danis

      Frankfurt a.M.,

      in der Nacht nach dem Konzert.

      Franco Mignello saß schon weit über eine Stunde am Telefon. Telefonierte in seiner einmaligen Art mit Gott und der Welt. Das heißt, weniger mit Gott als mit der Welt. Und es waren, genau genommen, nur drei Personen, mit denen er parallel korrespondierte. Sie standen ihm menschlich nahe, auch wenn sie sich weit voneinander entfernt in verschiedenen Zeitzonen aufhielten.

      In seiner Suite im Steigenberger Hof, die direkt neben der Suite von Stella Henderson lag, lief der Fernseher auf voller Lautstärke. Natürlich MTV, denn im Leben des Dr. rer. nat. Dr. jur. Franco Mignello gab es nur zwei echte Prioritäten:

      Musik ... und Stella.

      Und für den Augenblick das Telefon. Sein wichtigstes Kommunikationsmittel, durch das ihm gerade Informationen übermittelt wurden, auf die er schon mehrere Tage gewartet hatte und die er in Sekundenschnelle koordinieren musste. Zwei weitere Handys lagen neben dem Fernseher; Choe Chur in Tokio musste die neue Ballade der längst zahm gewordenen, aber noch immer Millionen Fans bedienenden Mutter Madonna ebenso über sich ergehen lassen wie James Waltham in Toronto. Für beide ein absolut widerwärtiger, ihrem Geschmack diametral entgegengesetzter ´Genuss´. Ein Affront. Die Herren respektierten das Übel. Denn Dr. Franco Mignello hatte darauf bestanden, dass sie in der Konferenzschaltung gefälligst »am Rohr« blieben, wie sich der Youngster auszudrücken beliebte.

      »Kannst du mir wirklich bestätigen«, brüllte Franco dem dritten Partner, Zamko Wendrowu, den er in Bukarest aus dem Bett gerissen hatte, in den Hörer, denn die Qualität der Verbindung nach Rumänien war zumindest heute über die Hotelleitung mehr als dürftig, »dass Stella davon gewusst haben kann? Ist jeder Irrtum ausgeschlossen?«

      »Natürlich, Franco. Der Botschafter hat mir bestätigt, dass sie in Dallas mit S. zusammen war, die ganze Nacht. Die haben einen Mitschnitt des Gesprächs. Du willst gar nicht wissen, was da ablief. Die ganzen Sauereien wurden anschließend wieder rausgeschnitten. Vergessen wir das, oh Pardon. Ich weiß, wie du zu ihr stehst, aber ... nun gut: Das Ergebnis war eindeutig. Der Para-Konzern erhält über Joe Wood seine Informationen. Es geht verdammt verschlungene Wege und wie die Araber da mit drinhängen, kann ich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Nur so viel: Bagdad scheint involviert zu sein. Wir wissen in diesem Augenblick noch nicht genau, um welche Thematik es geht, denn mit Rauschgift, wie wir anfangs vermuteten, hat die ganze Sache absolut gar nichts zu tun. Eher mit Elektronik. Denn du weißt, womit sich der Para- Konzern beschäftigt. Elektronik, Militärtechnik, Prozessorentechnologie. Die Rolle von S. gilt es noch zu analysieren. In Zusammenhang mit Wood und dem Para Konzern. Auch das weißt du, mein guter Freund.«

      »Mr. Waltham, haben Sie gehört? Ach nein, entschuldigen Sie bitte. Sie haben mit großer Freude, glaube ich, Madonna in ihre Lauscher eindringen lassen müssen. Tut mir leid.«

      Waltham antwortete mit einem tiefen Atemzug.

      »Also«, fuhr Franco fort, zwischenzeitlich den Hörer von seinem Gesprächspartner in Bukarest auflegend, ohne mit Wendrowu noch ein Wort gewechselt zu haben. »Wood scheint unser Mann zu sein. Er und Sunrise kennen sich. Das ist nach den soeben erhaltenen Informationen eindeutig. Bitte lassen Sie ihn auf meine Kosten rund um die Uhr von Ihren besten Leuten überwachen. Ich muss wissen, ob er auch mit den Russen in Verhandlungen steht, nicht nur mit den Bossen des Para- Konzerns in Rio. Wir müssen schnellstens erfahren, worum es überhaupt geht, denn noch tappe ich im Dunkeln. Ebenfalls scheint Bagdad involviert zu sein. Was das soll, kann ich gar nicht einordnen. Es ist zwar ganz schön zu wissen, wer die Mitspieler in dem Abenteuergame sind, aber noch besser wäre es zu erfahren, womit die sich eigentlich beschäftigen. Uns fehlt noch immer der richtige Ansatz ...«

      »Okay, Doc. Ich halte Sie auf dem Laufenden.«

      »Ich danke Ihnen, Doktor Waltham. Und denken Sie bitte daran, dass meine Liebe stets Priorität hat!«

      »Wie könnte ich das vergessen!«

      Dr. James Waltham, ein begehrter international agierender Wirtschaftsanwalt in Toronto, war von seinem Madonna-Alptraum erlöst. Mit ihm arbeitete Mignello seit geraumer Zeit zusammen. Da es sich bei dem Para-Konzern mit seinen Headquarters in Rio de Janeiro um einen der größten Konzerne für Militärtechnik handelte, von dem man nicht wusste, wer die Eigentümer sind, da alles unglaublich geschickt verschachtelt aufgebaut war, hatte Franco sich mit der Bitte um Hilfe an Dr. Waltham gewandt.

      Der Tag des kanadischen Vivaldi-Fans endete durch die soeben erhaltene Nachricht seines Klienten gut. Sie würde ihn in seinen Recherchen ein ordentliches Stück voranbringen. Jetzt mussten nur noch seine Mitarbeiter gute Arbeit leisten. Waltham war froh, dass sie sich allesamt doch nicht getäuscht hatten, dass es eine konkrete Verbindung zu Wood gab. Und zu Sunrise.

      »Können Sie mir sagen, warum Sie die schreckliche Musik so laut in meinen Hörer donnern lassen müssen?!«, meldete sich zum dritten Mal vergeblich Choe Chur mit rauer, bellender Stimme. Der Japaner hörte am liebsten Mahler und Bruckner auf seiner 100.000-Dollar-Hifi-Anlage und war genervt. Franco hatte das Handy auf dem Fernseher abgelegt. Aus dem dröhnte in entsetzlich verzerrtem Sound Aerosmith, die nach wie vor erfolgreichen US-Uralt-Rocker, die längst ihre hauseigenen Face-Lifter und Haarfärbe-Spezialisten beschäftigten, um für die Kids noch einigermaßen cool auszusehen. Älter werden ist halt für manch ein gestandenes Mannsbild, wie Steven Tyler zum Beispiel, nicht ganz einfach ...

      In Wahrheit hatte Mignello jr. den Japaner nicht vergessen. Doch er interessierte sich für den neuen Song von Aerosmith, den er zum ersten Mal hörte. Was sich darin äußerte, dass er mit der Fernbedienung dem Fernseher das Letzte an Lautstärke abverlangte. Außerdem kombinierte er bei Rockmusik am allerbesten. Auch wenn ihm der Schlagzeuger von Aerosmith noch nie richtig gefallen hatte und er der Meinung war, dass der doch recht simpel spielte und schleppte, was den groove einer Nummer anging. Franco freute sich jedoch darüber, dass die Band, trotz dessen Mittelmäßigkeit, seit nunmehr über vierzig Jahren an ihm festhielt. So wie die Stones an olle Charlie. Treue hat was für sich. Und der Song kam trotzdem gut. Hat halt ne geile Stimme, der Tyler, sinnierte Franco Mignello. Noch konnte er das kompliziert erscheinende Puzzle trotz neuer Informationen nicht zusammensetzen. Nach einigem Zögern griff er zum letzten Telefon und sagte nur knapp: »Ich melde mich morgen früh wieder bei Ihnen. Vielen Dank für Ihr Verständnis, Choe Chur!« und trennte die Verbindung, ohne dass der Japaner die Möglichkeit hatte, zu