DU GEHÖRST IHNEN.. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: 666 - Perfektion des Bösen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969020050
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bieten. Genau das bezweckte Lincoln Lee, als er den Treffpunkt wählte und jetzt in den ersten Stock fährt, eben zu d e m Italiener der Stadt, bei dem man zwischen Geldtouristen, die sich das Dinieren hier leisten können, recht unauffällig sitzen kann. Seine beiden Gesprächspartner erwarten ihn schon am schönsten, von Lee reservierten, Tisch des Restaurants, der durch seine überdimensionale Größe ein wenig zu wuchtig wirkt: Eine runde, mit gestärktem Leinentuch gedeckte Tafel, an der zwölf Gäste bequem Platz haben. Der Tisch steht etwas abseits im Restaurant und ist Gästen vorbehalten, die es ruhiger wünschen. Von diesem Tisch hat man einen vorzüglichen Blick auf den Kowloon Park Drive, zum Hongkong Culture Center und sieht über die Meerenge hinüber zur imposanten Wolkenkratzer-Silhouette von Hongkong Island.

      »Willkommen in Hongkong, Sam! Hatten Sie einen angenehmen Flug von Dallas?«, begrüßt Sir Lincoln Lee seine Gäste und zu dem anderen: »Wie ist das Wetter in Moskau? Ihr Präsident lässt ja keinen Tag vergehen, ohne zu erklären, dass in Ihrem Land die Sonne bald dauerhaft scheinen wird ... Aber was machen wir mit den vielen, rostenden Atomwaffen? Wohin damit? Bitte erinnern Sie mich daran. Wenn wir mit unserem eigentlichen Gesprächsthema zu Ende sind, sollten wir beide noch ein wenig darüber plaudern. Ich habe Interesse an etlichen hundert Raketen, vor allem an deren atomaren Material.«

      »Danke der freundlichen Nachfrage, Sir Lee«, antwortete Nicolai Below. »Auch wenn Ihre Ironie zu Russlands Situation mich nicht trifft, weiß ich sie doch richtig einzuschätzen. Im Übrigen sollten Sie mal wieder nach Moskau kommen – Sie erkennen die Innenstadt nicht wieder! Die russische Gesamtmafia, bestehend aus den Spitzen der ehemaligen Nomenklatura, den Bossen des früheren KGB, angesehenen Bürgern jüdischen Glaubens und den weitläufigen Mafiosi-Familien wie Tschetschenen, Armeniern, Usbeken, Aserbaidschanern usw., hat es geschafft, dass unsere City inzwischen blüht und gedeiht; das Abzocken der Ressourcen Russlands und von über vierzigtausend Industriebetrieben zahlt sich aus! Diese Herren sagen nun – mit unterschiedlichen Interessen – Putin, Medwedew & Co. sehr deutlich, wie sie zu regieren haben! Das kann Vorteile mit sich bringen und ich beginne gerade, die Vorzüge auch für mich zu nutzen. Sie wissen ja: Volk ist Pöbel, den man zur Herstellung, dem Vertrieb und Kauf von Waren braucht, die man eigentlich zum Leben nicht braucht, von denen wir sagen, dass man die unbedingt braucht um glücklich zu werden – und die der Pöbel und die Neureichen dank guten Marketings tatsächlich kaufen, damit unsereiner reich werden kann. So einfach ist doch das Gesetz des Marktes oder irre ich mich? Auf die Raketen können wir nachher gerne zu sprechen kommen.«

      Grinst, zupft dabei sein elegantes, dunkelrotes Seidentüchlein zurecht, das so gar nicht zu der ausladenden, imposanten, durchtrainiert wirkenden Statur des sehr europäisch, eher französisch ausschauenden Russen passt.

      »Bitte lassen Sie uns gleich zur Sache kommen«, meldete sich Sam Sunrise in breitestem texanischen Slang, die Hand des Chinesen schüttelnd.

      Fürchterlich, allein der Händedruck, dachte Lincoln Lee. Dass ich mir das antun muss. Ein Kretin, der ungepflegte, kulturlose Ami in seinen billigen Kaufhausklamotten! Der immer in Eile ist, damit er schnellstens an seinen Schreibtisch zurückkommt. Der sich bei jeder unpassenden Gelegenheit an das Geschlecht greifende Broker, der er letztlich ist und immer bleiben wird. Auch wenn ...

      Mit freundlichstem Lächeln, seinem Gegenüber offen in die wasserblauen Augen schauend, entgegnete er jedoch in ausgesuchter Höflichkeit:

      »Bitte, lieber Sam, das Essen in diesem Restaurant ist eine Zeremonie. Zerstören Sie die bitte nicht durch Business-Talk. Die Zeit müssen Sie sich einfach nehmen. Darauf bestehe ich. Ich darf Ihnen, meine Herren, ganz besonders den Fisch im schwarzen Mantel aus Trüffelpastete empfehlen. Sie können ihn nirgends auf der Welt in besserer Qualität bekommen.«

      Wer am Tisch Nummer 8 sitzt und speist, muss in der Tat Zeit mitbringen. Viel Zeit, denn der Chefkoch bereitet jedes Detail des lukullischen Genusses für seine exquisiten Gäste höchstpersönlich zu. Und das von Lee bestellte Menü war erlesen. Ausgesucht von einem Feinschmecker, superb komponiert. Was keiner seiner beiden Gäste wusste, war, dass er die Gänge bereits am Vortag mit dem Sternekoch abgesprochen hatte und ihm das Hotel gehörte, auch wenn es den Namen einer US-Kette trägt, die es für ihn managt.

      Für Sunrise war die überflüssige Prozedur indes eine unglaubliche Zumutung, war er doch immer in Eile. Burger sind halt schneller runtergeschlungen. Er war ein Gehetzter. Sein Job nahm ihn total gefangen, zu viele Dinge musste er ´speichern´, verwalten, dirigieren. Wo er auftauchte, entstand Nervosität, Unruhe, Hektik. Durch ihn fühlte sich jeder unter zeitlichen Druck gesetzt.

      Below hingegen, der Russe mit den französischen Manieren, war da aus anderem Holz. Ein Genussmensch. Obwohl er schlank war und man es ihm nicht gleich anzusehen vermochte. Er genoss wirklich jeden einzelnen Gang des scheinbar ewig währenden Acht-Gänge-Menüs und freute sich schon jetzt auf den abschließenden Besuch der Grappa-Bar, die direkt rechts an der Seite des Sternelokals ihren Platz hat. Die Grappa-Bar im Langham sollte absolut exquisit sein. Das hatten ihm Geschäftsfreunde in Europa erzählt, denn er war das erste Mal in dem Hotel zu Gast. Wenn ein einziger Schnaps – die Bar hatte über zweihundert Grappasorten – bis zu achthundert Dollar kostet, dann würde das etwas ganz Besonderes sein. Die Reise stand schon jetzt unter einem guten Stern, entschied er beim Dessert.

      Nicolai Below musste auf seinen Grappa lange warten, denn nach dem Dessert eröffnete Sir Lincoln Lee ohne Einleitung das Gespräch, für das die Herren zusammengekommen waren. Eine der Stärken des Hongkong- Chinesen, dessen Vater amerikanisches und mexikanisches Blut in den Adern hatte. Lees Mutter war eine gebürtige Festland-Chinesin, die sich in den fünfziger Jahren nach Hongkong abgesetzt hatte. Keiner konnte damals ahnen, dass der Lauf der Geschichte anders verlief als gedacht, sie unfreiwillig von ihrem Schicksal eingeholt worden war und nun wieder Rotchinesin ´mit Sonderstatus´ sein musste ...

      »Wie weit sind Sie gekommen, Sunrise?«

      Lincoln Lee, der Geldaristrokat par excellence, mit flinkem, intelligentem Blick, breitflächigem, ein wenig indianisch anmutendem Gesicht und hohen Wangenknochen, einer randlosen, schmalen Brille auf der für einen reinrassigen Chinesen zu großen Nase, konnte sich nicht überwinden, „Mister“ Sunrise zu sagen. Eine seiner wenigen kleinen Schwächen im Business. Er musste die Menschen – auch wenn Sam Sunrise zu den reichsten Amerikanern gehörte, die er kannte – spüren lassen, dass er, Sir Lincoln Lee, der Tai-Pan war, der uneingeschränkte Boss. Nicht nur an diesem Tisch. Die britische Königin hatte ihn vor vierzehn Jahren, kurz bevor Ihre Majestät den Stadtstaat geräumt hatte, gewiss nicht aus Versehen in den Adelsstand erhoben. Schließlich beschäftigte Sir Lee allein in seinen Niederlassungen in Großbritannien mehr als hunderttausend Menschen. Ob die Queen das wusste ...?

      Sam Sunrise, der gemütlich ausschauende, übergewichtige und grobschlächtig wirkende Texaner mit den buschigen Augenbrauen über seinen für den massigen Kopf zu klein wirkenden braunen Wieselaugen, blickte Lincoln Lee herausfordernd an. Er schnalzte noch einmal mit der Zunge, denn das Essen hatte ihm gar nicht so übel geschmeckt, wenngleich ihm zum Fisch eine fette Marinade gefehlt hatte und fast alle Gerichte zu wenig gesalzen waren, wie er meinte.

      »Weit, sehr weit, Mr. Lee. Ich habe über meinen Verbindungsmann in Rom unser Objekt eingekreist. Ein hartes, Zeit raubendes Stück Arbeit. Aber wir haben ihn. Kennen alle seine Verbindungen, dazu seine menschlichen Schwachpunkte, die erst einen gewissen vertraulichen Zugang zu ihm ermöglichten, wenn Sie wissen, was ich meine. Wenn Sie wollen, kann ich gerne ins Detail gehen. Den Rest hat Nicolai für uns erledigt.«

      »Danke. Nicht nötig. Sehr gut. Wann?«, Lincoln Lee wandte sich im gleichen Atemzug an den Russen, »wann können wir mit den ersten Plänen rechnen?«

      »Unser direkter Partner, über den das Geschäft laufen wird, möchte, was verständlich ist, völlig im Hintergrund bleiben. Der Mann steht in ziemlich exponierter Position und hat zu Recht Angst, man könnte ihn, durch welchen dummen Zufall auch immer, in einen Zusammenhang mit unserem Geschäft bringen. Dann wäre nicht nur seine exzellente politische Karriere vorbei. Und gerade auf die bauen wir in Zukunft, wie Sie wissen. Von ihm erwarten wir uns noch eine ganze Menge, deshalb sollten wir ihn mit unserer – wichtigen – Aktion nicht verbrennen. Ansonsten wäre es kein Verlust, menschlich, meine ich. Leider