DU GEHÖRST IHNEN.. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: 666 - Perfektion des Bösen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969020050
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und die schnellen Schnitte, so wie sie heute in der Clip-Culture leider in waren, in seinem Sinne zu verlangsamen. Meerbold war auf die Macher sauer, weil sie von dem Star immer weniger zeigten. Dafür multiple Storys inszenierten und einen immensen technischen Aufwand betrieben, um sich von der Konkurrenz ein wenig abzuheben. Da die Henderson ein weltweiter Superstar war, wurden ihre Clips besonders aufwändig gedreht und wahnsinnig schnell geschnitten. Damit ließen sie Raum für unendlich viele – erotische – Fantasie. Und die hatte Meerbold. Auch das konnte man ihm attestieren.

      Meerbold, der stets nackt schlief, streifte sich, wenn er das Ehebett verließ um mit Stella per DVD oder Festplatte fremd zu gehen, seinen dunkelgrünen Seidenkimono über, den er, eitel wie er war, mit dem Schwarzen Gürtel aus seiner aktiven Zeit als Judoka schloss. Das machte ihn noch männlicher, unwiderstehlicher. Meinte er. In seinen Gedanken versetzte er sich oft in die herrliche Zeit zurück, die er durch den Kampfsport genießen konnte. Bereits im zarten Knabenalter räumte er auf Turnieren Preise ab und so ergab es sich von selbst, dass die Mädchen auf ihn standen. Zu gerne prahlte er mit den verschieden farbigen Gürteln, die er sich im Laufe der Jahre erkämpft hatte und nicht selten erschien er in der Schule mit dem Grünen, Blauen, später dann, in seiner Blütezeit als Judoka, mit dem Schwarzen Gürtel. Er spürte schon damals die Macht, die von ihm ausging, wenn er den Gürtel trug, und ärgerte sich in seinem jetzigen Leben, dass der Putin ihm das nachmachte, wenn er besonders auf den Putz hauen wollte. Dabei galt sein – Meerbolds – Imponiergehabe damals ausschließlich den Mädchen. Auf die war er scharf. Bei ihnen kam der Gürtel, auf nackter Haut vorgeführt, am besten an. Das Ritual behielt er bei und deshalb musste seine geliebte Stella den großen Meerbold auch mit dem Schwarzen Gürtel ertragen.

      Wenn er Kimono und Gürtel angelegt hatte, setzte er sich genüsslich auf seine schwarze, italienische Designer-Ledercouch, die in der Mitte des großen Arbeitszimmers stand. In einem überdimensionalen Safe, der durch eine schwarz gelackte Bücherwand verdeckt war, lagerten seine Schätze. Darunter alles von Stella Henderson. Denn bei aller Skrupellosigkeit des Herrn Staatssekretärs wäre es ihm unangenehm gewesen, wenn Gattin Arianne, sein gesellschaftliches Aushängeschild aus erstklassigem teutschen Adelsstall, seine perverse Neigung zu dieser Rockschlampe – Ariannes Worte – entdeckt hätte. Arianne ließ nur eine einzige TV-Begegnung mit der Henderson über sich ergehen. Das war vor zwei Jahren, als ein Konzert der Rockdiva auf MTV übertragen wurde und ihr verehrter Gatte darauf bestand, sich das Ereignis gemeinsam mit ihr anzusehen. Danach war Arianne gar nicht amused, denn auf schöne Frauen war sie immer eifersüchtig. Wusste sie doch, mit was für einem Kerl sie verheiratet war. Meerbold hatte es verstanden, seine Abhängigkeit vom Kokain – und er war mit seiner Vorliebe für das weiße Pülverchen wahrlich nicht allein im deutschen Bundestag – vor Arianne zu vertuschen. Das besondere Vergnügen gönnte er sich auch zu Hause nur heimlich und immer dann, wenn er besonders scharf auf Stella war. Und er war täglich auf Stella scharf ... Dass er eine Schampus-Nase war, dass er öfter einen Schluck zu viel Dom Perignon in sich hineingoss, schrieb Frau Gräfin Staatssekretär dem Stress in der Bundesregierung zu, denn Meerbold war auch da in guter Gesellschaft. Außerdem: Sie nippte selbst nur zu gern an den edelsten Tropfen. Es war für sie völlig normal, dass Rudolf der Große öfter einen oder auch zwei Schluck über den Durst trank und dann sehr ordinär wurde, wenn er über sie herfiel.

      Genau das mochte sie an ihm.

      Meerbolds Mehrzweck-Fernbedienung war ein kleines technisches Meisterstück. Von der Couch aus konnte er die Tür zu seinem – akustisch versiegelten – Arbeitszimmer verschließen, die Bücherwand zur Seite fahren, die Rollos der Fenster schließen, den Safe öffnen, den Fernseher einschalten, den Hard-Disc-Recorder bedienen, das Bose-Soundsystem in Gang setzen.

      Nur die angemessene Dosis Koks musste er sich selbst legen und den richtigen Song programmieren. Dann war Genießen angesagt. Geiles Genießen. Das Erleben eines der Clips von Stella Henderson war für ihn gerade in den Wochen vor der Tournee jedes Mal ein herrliches Vorspiel auf den großen Tag der ersten Begegnung mit dem Star. Dass es diese Begegnung geben würde, dessen war er sich stets sicher gewesen. Darauf konzentrierte er sich, seit er wusste, dass ihre World-Tour sie diesmal auch durch Deutschland führen würde. Meist sah er sich den sorgfältig ausgesuchten Clip zehn-, fünfzehnmal an. Nonstop. Vor, zurück. Vor, zurück. Slowmotion. Das dauerte, je nach Grad der Erregung, bis zu einer Stunde.

      Slowmotion.

      Er war ihr verfallen, mit Haut und Haar. Und besonders sein Schwanz. Im Laufe der Jahre hatte er es gelernt, während der Minuten seiner sich aufbauenden geistigen Ekstase, die ihn regelmäßig an den Rand des Wahnsinns brachte, ihn völlig ausflippen ließ, einen wundervollen Orgasmus zu bekommen, ohne auch nur eine einzige Sekunde Hand an sich legen zu müssen.

      Das jahrelange Genießen und Warten auf den heutigen Abend ging ihm in Sekundenbruchteilen durch den Kopf, als er jetzt vor der Bühne stand und auf sie starrte. Das Konzert in der Frankfurter Festhalle war für ihn der Höhepunkt seiner krankhaften Zuneigung zu der Sängerin. Stellas sinnliche, zum Bersten erotische Ausstrahlung war für ihn einfach unvergleichlich stärker als jedes noch so heiß gedrehte Filmchen. Jetzt stand sie dreidimensional, live, lebendig und in ganzer Schönheit und Größe vor ihm, ihre Hits in genialer Qualität aus sich heraus schreiend. Jeder Zentimeter der Frau purer Sex. Zumindest empfand das Meerbold so. Dabei war Stella Henderson auf der Bühne eher unauffällig gekleidet: eine schlabberige Bluejeans 501, die durch einen breiten schwarzen Gürtel über ihrer wundervoll schmalen Taille allerdings sehr körperbetont festgehalten wurde. Die schwarze Bluse aus Waschseide dezent geschlossen. Nur die zwei obersten Knöpfe standen offen und ließen ihren lieblichen, mittelgroßen Busen erahnen, nicht sehen. Das war es schon fast. Denn Schuhe trug Stella bei ihren Konzerten nie, der Tradition Janis Joplins folgend. Stella trug Silberschmuck. Alte Indianerarbeit; zwei acht Zentimeter breite Armreifen mit blutroten Steinen und dazu passende – blutrote – Ohrringe in der Form eines für Meerbold eindeutigen Phallus-Symbols. Die Armreifen hatte sie im Laufe der Show abgestreift und mit vielsagendem Blick ihrem athletischen Keyboarder – mit wachsblondem, langem, wehenden Haar, der an Rick Wakeman aus den Siebzigern des letzten Jahrhunderts erinnerte – zugeworfen. Am makellosen Hals der Rockdiva lag eine breite, silberne Kette. Vier-, fünf Mal umschlang diese ihren zarten, langen, wunderschönen Hals, verschönerte das Dekolleté.

      Stellas Körpersprache stand während des gesamten Konzertes total konträr zu ihrem ruhigen, eher langweilig zu nennenden, aber praktischen Bühnen-Outfit. Sagte man von Tina Turner, sie wäre einst in den frühen Siebzigern und sogar noch in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts ein Vulkan auf der Bühne gewesen, der nur so vor Erotik strotzte und mit sichtbaren, sinnlichen Reizen nicht geizte, war die Turner gegen Stella Henderson wirklich nur noch eine überreife Frucht. Eine Frau – Hochachtung vor ihr! –, die lange Zeit mit großem Erfolg versucht hatte, die Blüte ihres Lebens festzuhalten.

      Warum auch nicht! Das Leben ist brutal, Tina, ging es Meerbold durch den Kopf. Stella hat deinen Platz längst übernommen. Und richtig abfahren konnte ich auf dich nie, Tina, was deinen body angeht ... Wenn du verstehst, was ich meine ...

      Meerbolds enge Jeans ließ es nicht zu, dass man von seiner Dauererektion zu viel mitbekam. Doch jede noch so sparsame Bewegung von Stella ließ ihn zusammenzucken. Die weiche, überaus harmonische Symphonie von rhythmischen Bewegungen ihres Körpers über zweieinhalb Stunden – das war einfach gigantisch! Jeder Zentimeter ihres leider für ihn mit viel zu viel Stoff umhüllten Körpers strahlte sensationelle, geballte, erotische Energie aus.

      Stella war eins mit ihrer Band, regelrecht verschmolzen. Sie spielten und sangen wie aus einem Guss. Stella war eins mit ihren Hits, jeder einzelne aufreizend und stark. Voll Sinnlichkeit. Power und harte Rhythmen, die die Fans von einer Ekstase in die nächste trieben. Selten streute Stella neue und weniger bekannte Songs in ihr Programm. Sie konnte es sich leisten nur Hits zu spielen, so groß war ihr Repertoire inzwischen. Für fast jeden Titel holte sie sich einen ihrer Musiker mit nach vorne auf die Bühnenmitte. Sie wurden von dutzenden computergesteuerten Laser-Spots eingefangen und agierten nicht selten in einer derart intensiven, eindeutigen Körpersprache, dass Meerbold sich fragte, ob die Musiker bei dem explosiven Schauspiel darunter leiden würden von Stella ständig so angemacht zu werden, oder die Situation einfach nur genossen. Vielleicht hatten ihre Musiker ihm, Meerbold,