Ellen. Carolin Schairer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carolin Schairer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783897419964
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angemeldet.«

      »Schon wieder am Wochenende?« Lukas runzelte unwillig die Stirn. »Wie kann denn das sein?«

      »Ich weiß es nicht«, gab Nina zu. »Anscheinend ist das Standard in der Branche. Brauer, der Personalchef, hat mich angemeldet. Aber Ellen McGill hat mir das eingebrockt. Brauer hat mir nämlich erzählt, sie hätte ihm von meinen Pharma-Wissenslücken berichtet. Reizend, nicht wahr?«

      »Die Frau spinnt voll«, stellte Lukas nüchtern fest. »Aber sieh es mal so: Wenigstens wirst du eingewiesen. Du hast ja wirklich keine Ahnung vom Gesundheitswesen und von dem ganzen Kram in Pharmaunternehmen. – Ich werde dann halt ohne dich mitfahren.«

      »Mitfahren?«, wiederholte Nina irritiert. Das Bild von Lukas und ihr, Arm in Arm am See, verlor schlagartig an Kontur.

      »Na ja, Marga, Duncan und Sonja fahren auch«, gab Lukas Auskunft. Er überlegte kurz. »Das wäre auch ziemlich eng geworden. Das Auto, das Sonja von ihrem Bruder leihen kann, ist ein alter Mini.«

      »Hast du die Pressemitteilung zur Innovationsinitiative schon verschickt?« Jasna lehnte sich über die Sichtbarriere zwischen den Schreibtischen.

      Nina, die gerade damit beschäftigt war, ein Mail von Ansgar Hüter über neue Konzern-Richtlinien bei der Produktkommunikation zu studieren, fuhr hoch. »Nein, sorry, noch nicht. Aber ich mache das jetzt gleich.«

      Jasna wirkte ungeduldig. »Na ja, Nina, es ist jetzt fast 17 Uhr. Morgen ist die 125-Jahre-Feier! Wir müssen noch gemeinsam die Präsentation für den Geschäftsführer fertigstellen. Wann sollen wir das tun? Heute Abend um acht? Weißt du, irgendwann möchte ich auch nach Hause gehen. Jonas wartet.«

      Das würde ich auch gerne, ging es Nina durch den Kopf. Auch wenn auf mich wahrscheinlich heute Abend niemand wartet, weil Lukas seinen speziellen Tanzworkshop macht.

      Laut sagte sie: »Tut mir leid, Jasna. Ich dachte, die Präsentation war schon fertig? – Wir haben doch gestern die Endfassung vom Geschäftsführer absegnen lassen.«

      Jasna seufzte. »Ja, aber dummerweise hat er jetzt doch noch einige Ergänzungen – und zwar im Pharma-Teil.« Sie presste ärgerlich die Lippen zusammen und fügte nach einer kleinen Pause sarkastisch hinzu: »Ich kann mir schon vorstellen, wie das gelaufen ist. Für ihn war es okay, aber dann hat er die Präsentation Ellen zur Kenntnisnahme geschickt, und sie hatte noch mindestens hundertdrei Anmerkungen.«

      Nina hob erstaunt den Kopf. Sie hatte noch nie erlebt, dass sich Jasna über Kollegen negativ äußerte. Besonders Ellen hatte sie bisher immer in Schutz genommen, wenn Nina zaghaft andeutete, dass die Zusammenarbeit für sie eine einzige Katastrophe war. In den Wochen, in denen sie nun hier arbeitete, hatte sich wenig an ihrem Verhältnis zu Ellen McGill geändert. Wenn sie von ihr zu Besprechungen bestellt wurde, hatte sie noch immer ein ungutes Gefühl im Magen, und wenn deren Name am Display ihres Telefons erschien, zuckte sie unweigerlich zusammen. Sie hatte noch nie erlebt, dass von Ellens Seite etwas Positives kam.

      »Willkommen in meiner Welt«, erwiderte Nina trocken. »Was glaubst du, warum ich noch immer an der Pressemitteilung zu ›Verhütung über dreißig‹ schreibe? – Ellen hat mir den Text seit gestern vier Mal umgeworfen.«

      Jetzt, da sich Nina derart äußerte, machte Jasna sofort einen Rückzieher. »Sie ist halt sehr perfektionistisch«, meinte sie beschwichtigend. »Schließlich geht es in diesem Präsentationsteil auch um ihren Bereich, das ist ja klar, dass sie da ein Wörtchen mitreden will.«

      »Perfektionistisch und aktionistisch«, sagte Nina frei heraus. »Am Montag will sie dies, am Dienstag jenes, am Mittwoch wieder etwas anderes … es hagelt Anordnungen. Das geht die ganze Woche in diesem Stil, und am Wochenende ruft sie dann spätestens am Sonntag an und zitiert mich ins Büro, weil irgendetwas dringend am Montagmorgen an die Medien gehen muss. So ist das!«

      Nina war erstaunt über sich selbst. Sie hatte bisher nie gewagt, so offen über Ellen McGill zu sprechen.

      »Wie, sie lässt dich am Sonntag hereinkommen?« Das Erstaunen lag nun auf Jasnas Seite. Ihre Augen wurden schmal. In ihrem Kopf schien es zu arbeiten.

      »Nicht immer«, sagte Nina. »Aber oft.«

      »Na ja … manchmal ist Wochenendarbeit nötig, besonders in der Pharma-PR«, meinte Jasna. »Ich habe es da mit meinen Aufgabengebieten freilich leichter. Aber, Nina: Du musst Ellen auch Grenzen setzen, wirklich. Ellen ist ein Workaholic. Sie hat kein Gefühl dafür, dass andere ihre Freizeit zu schätzen wissen.«

      Grenzen setzen – wie stellte sich Jasna das denn vor? Nina fühlte sich Ellen McGill stets komplett ausgeliefert. Sie sah sich nicht in der Lage, ihr stichhaltig darzulegen, weshalb diese oder jene Presseinformation auch getrost bis Dienstag oder Mittwoch warten konnte. Bei Ellen gab es nur ein Wort, und das lautete: Sofort.

      »Als du noch meinen Job gemacht hast, konntest du ihr da Grenzen setzen? Was hast du gesagt, wenn sie dich am Sonntag hereingebeten hat?«

      Insgeheim hoffte Nina, Jasna könne ihr ein Patentrezept liefern. Sie wusste, dass mangelnde Durchsetzungskraft eine ihrer Schwächen war.

      Seltsamerweise wurde die selbstbewusste Jasna nun etwas verlegen. »Also … wir hatten nie größere Probleme miteinander, Ellen und ich. Natürlich war ich mal am Sonntag im Büro, aber das kam wirklich nicht oft vor.« Sie nahm ihren Arbeitsstuhl und schob ihn um die Schreibtische herum zu Nina. »Aber wir sollten nicht so lange über andere reden. Machen wir nun lieber die Präsentation fertig. Es wäre ja peinlich, wenn unser Geschäftsführer ausgerechnet morgen ohne perfekte Charts auftreten müsste.«

      Während Nina gemeinsam mit Jasna die erforderlichen Änderungen in die Power-Point-Folien einpflegte, fragte sie sich zum wiederholten Male seit ihrer ersten Begegnung mit Ellen McGill, was diese Frau denn nur gegen sie hatte.

      Der Veranstaltungssaal füllte sich mit Leuten. Ärzte, Apotheker, Geschäftspartner und Größen aus Politik und Wirtschaft strömten in die festlich geschmückte Räumlichkeit.

      Im Eingangsbereich teilten die Hostessen Namenskärtchen aus, die Nina gemeinsam mit Jasna angefertigt hatte. Jetzt dirigierte Jasna die Leute vom Catering, und Nina versuchte Hans von der EDV-Abteilung zu erklären, wann genau er während der Präsentation des Geschäftsführers die musikalischen Einlagen einzuspielen hatte. Das war nicht einfach, denn Hans hatte diese Aufgabe erst sehr kurzfristig von einem erkrankten Kollegen übernommen. Nina fühlte sich zunehmend verzweifelt. Bis zum offiziellen Beginn der Veranstaltung blieben nur noch vierzig Minuten.

      Sie fragte sich in diesem Moment wieder einmal, was eigentlich alles an Kuriositäten in ihren Aufgabenbereich als PR-Verantwortliche für die Pharma-Sparte fiel. Gestern noch hatte sie Jasna dieselbe Frage gestellt, doch die hatte nur sarkastisch gelacht: »Ach, Nina, das frage ich mich schon lange nicht mehr. Bei uns in der PR-Stelle landen seit Jahren alle Aufgaben, von denen niemand weiß, wem er sie sonst zuordnen soll – auch die Organisation von externen Veranstaltungen. Und du weißt ja: Andere Unternehmen übergeben so eine Großveranstaltung an eine Agentur. Aber bei LENOPHARM wird ständig gespart.«

      Ein Blick auf das Buffet, das vom Catering-Service am Ende des Saals angerichtet worden war, schien das Gegenteil zu bestätigen: Nina hatte Platten mit Sushi, Sashimi und sogar mit Hummer entdeckt; auch die mit Kaviar gefüllten Eier und die marinierten Trüffelspießchen im Vorspeisen-Bereich sahen nicht nach einem Sparmenü aus. Nina lief das Wasser buchstäblich im Munde zusammen. Wenigstens etwas Gutes brachte dieser Abend mit sich. Es war ewig her, dass sie sich Meeresfrüchte oder Sushi gegönnt hatte.

      »Na, Nina und Hans, alles klar?« Jasna beugte sich geschäftig über das Mischpult. »Weiß Hans jetzt, wo die Musik eingespielt werden soll?«

      »Ich kenn mich nicht aus«, bestätigte Hans lakonisch, was Nina vermutet hatte.

      Jasna seufzte. »Das gibt’s doch nicht! Das kann ja nicht so schwer sein!« Dann fiel ihr etwas ein. »Nina – auf meinem Schreibtisch liegt noch eine Version der Rede, in der ich die Musikeinspielungen mit kleinen Kreuzen vermerkt habe! Am besten, du machst davon bitte eine Kopie und bringst sie nach unten. Damit dürfte sich Hans dann