Die Fälle der Shifter Cops. Natalie Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natalie Winter
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall der Shifter Cops
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948483685
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Mal etwas gegessen hatte. Heute Morgen? Sie spürte, wie sie zu schwanken begann. Plötzlich packten Mr Blairs Hände sie an den Schultern. Offenbar hatte er sein Telefonat beendet. Sie hatte es gar nicht bemerkt.

      Es wäre so angenehm, sich endlich einmal fallen zu lassen – oder jemanden zu haben, dem sie alles er­­zählen konnte und der sie nicht für verrückt erklärte. Den Kopf nur ein einziges Mal an Mr Blairs muskulöse Brust legen, seinen Duft einatmen, die feurige Wärme spüren, die von seinem Körper ausging … Energisch verbannte sie diese Gedanken aus ihrem Kopf und schwor sich, in Zukunft weniger kitschige Liebes­romane zu lesen.

      »Wollen Sie sich setzen?«, fragte Mr Blair und sah ihr in die Augen.

      »Nein, nein, es geht schon«, erwiderte Julie. »Ich wür­de jetzt nur gern ins Bett gehen, es war ein langer Tag. Oder wollten Sie noch etwas von mir?«

      Mr Blair antwortete nicht darauf, sondern bückte sich und hob das Grimoire auf, das die ganze Zeit über auf der Stufe gelegen hatte. »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie sich damit ins Haus holen«, bemerkte er und hielt das Buch fest in beiden Händen.

      Julie blinzelte. Von den Fingerspitzen bis zu den Handgelenken lag eine Schicht aus Flammen auf seiner Haut. Doch im Unterschied zu einem normalen Feuer brannten sie golden und bewegten sich in regelmäßigen, winzigen Wellen. Wenn Magie so schön war, dann konnte sie daran glauben.

      Fasziniert vergaß sie all ihre Vorsicht und näherte ihren rechten Zeigefinger einer der tanzenden Flammen. Er durchbohrte das Feuer, das rötlich aufglühte und sich nun auch auf ihm ausbreitete. Ohne ein Wort hob Julie den Finger näher an ihr Gesicht. Die Flammen zuckten, dann erstarben sie und ließen eine prickelnde Wärme zurück.

      »Was sind Sie?«, fragte sie leise.

      Das Grimoire war mit einem Mal unwichtig geworden, ebenso die Übelkeit erregenden Puppen auf Tante Lauries Grab. Nichts außer ihr und dem Mann, der das Feuer zum Tanzen brachte, existierte.

      Mr Blair legte den Kopf schief und betrachtete sie. Wie hatte sie seine Augen jemals für kalt und distanziert ­halten können?

      »Vielleicht werde ich es Ihnen eines Tages erklären«, sagte er schließlich. »Bis dahin hüten Sie sich vor voreiligen Schlüssen. Es könnte Sie das Leben kosten.«

      »Wie meinen Sie das?«, fragte Julie verwirrt. »Was verbergen Sie vor mir, Mr Blair?«

      Er zog die Brauen zusammen. »Dieselbe Frage habe ich Ihnen schon mehrfach gestellt, Miss Mireau. Was halten Sie vor mir zurück?« Seine Stimme wurde weich. »Sie können mir vertrauen. Ich will Ihnen nichts Böses.«

      »Ich … Ich weiß einfach nicht, was mit mir geschieht«, brach es aus Julie heraus. »Seit dem Tod meiner Tante ist alles so eigenartig. Alles, woran ich geglaubt hatte, scheint auf einmal nicht mehr wahr zu sein.«

      »Und deshalb wollen Sie sich mit schwarzer Magie schützen?« Seine Missbilligung war unüberhörbar. »Dieses Grimoire ist gefährlich. Wo haben Sie es überhaupt her?« Jetzt klang er wieder wie ein Polizist, streng und unnachgiebig.

      »Soweit ich weiß, ist der Besitz von alten Büchern nicht strafbar«, entgegnete sie schnippisch und hoffte, dass er nicht nachforschen würde. »Kein Gericht der Welt würde mich verurteilen, weil ich ein Buch mit angeblichen Zaubersprüchen habe. Selbst wenn ich ei­­nen Kreidekreis um mich ziehe, Kerzen anzünde und den Teufel höchstpersönlich beschwöre – welcher Richter würde mich dafür verurteilen?«

      »Darum geht es nicht«, bemerkte Mr Blair ruhig, »sondern um Ihre Sicherheit.« Noch immer hielt er das Buch in den Händen. »Ich könnte Sie notfalls einweisen lassen.«

      »Nur wenn ich eine Gefahr für mich selbst oder andere darstelle«, konterte Julie selbstsicher, denn das war vertrautes Gebiet.

      »Ach ja, ich vergaß: Sie waren ja eine Zeit lang im Bridgewater beschäftigt.«

      Es wunderte Julie nicht, dass er in ihrer Vergangenheit herumgeschnüffelt hatte. »Dieses Gespräch ist beendet«, sagte sie so kalt wie möglich und streckte die Hand aus. »Geben Sie mir mein Buch!« Diesen Satz hatte sie heute schon einmal gesagt, in einem ähnlichen Ton. Sie rief sich das Gefühl von Macht in Erinnerung, das sie vom Scheitel bis zu den Zehen erfüllt hatte. Gänsehaut bedeckte ihren Körper und die Luft um sie herum begann zu knistern. »Geben Sie mir mein Buch, sofort!«, befahl sie noch einmal und legte all ihre Willenskraft in diese Silben.

      »Ich denke nicht, Miss Mireau«, entgegnete Mr Blair und lächelte sie an. Er senkte den Kopf. Seine Finger zuckten und Flammen schossen aus ihren Spitzen, aber diesmal waren sie blau, nicht golden.

      Ein Wimmern ertönte, das sich zu einem schmerzerfüllten Kreischen wandelte. Julie stockte der Atem. Das Feuer – es griff auf das Buch über! Der verdammte Kerl verbrannte ihr Grimoire, ihr Erbe!

      Nach nur wenigen Sekunden verstummte das quälende Geräusch. Von dem Buch war nichts als ein Häufchen Asche geblieben. Entsetzt starrte Julie darauf, dann schaute sie zu Mr Blair. Er wischte sich die unversehrten Finger an seiner Lederhose ab und sah sie ebenfalls an. Immerhin war sein Blick weniger triumphierend als mitfühlend.

      »Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Miss Mireau: Fangen Sie noch einmal bei null an! Packen Sie Ihre Koffer, setzen Sie sich in Ihren Wagen und fahren Sie so weit, wie Sie können, Hauptsache fort von Yarnville! Und es wäre besser für Sie, nie wieder zurückzukehren.« Er drehte sich um und war nach wenigen Schritten in der Dunkelheit verschwunden.

      KAPITEL 11

      König der Schwerter

      Julie schlug die Augen auf. Die Nacht war viel zu kurz gewesen, aber wenigstens hatte sie nicht von lebendig gewordenen Tarotkarten oder von Feuer geträumt. Sie war in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen, sobald ihr Kopf das Kissen berührt hatte.

      Schnell stand sie auf, lief nach unten und riss die Haus­­tür auf. Sie musste sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass der gestrige Abend keine Illusion gewesen war. Tatsächlich fand sie Spuren von Asche auf der Veranda. Sie kniete sich auf die glatten Holzbohlen, die noch kühl von der Nacht waren, und fuhr mit dem Zeigefinger durch die Überreste des Grimoires. Nein, das alles war kein Produkt ihrer überhitzten Fantasie gewesen. Das Buch war verbrannt, und damit auch ihre Hoffnung auf Wissen.

      Wie gewonnen, so zerronnen, dachte sie wehmütig und sah sich um.

      Der Zeitungsbote machte gerade seine Runde. Er grüßte sie und sie winkte ihm zu. Dann bemerkte sie, dass sie immer noch im Nachthemd war. Hastig stand sie auf und lief ins Haus zurück.

      Neuer Tag, neues Glück, dachte Julie, als sie im Itchy Witchy eintraf. Wow, ich bin ja heute ein wahrer Quell an Lebensweisheiten!

      Zur Begrüßung küsste sie Cassandra auf die Wange und machte sich wieder einmal bewusst, was für ein Glück es war, dass die Studentin für sie arbeitete. Sie konnte sich nicht nur ihre Zeit relativ frei einteilen, sondern war auch eine ausgesprochen angenehme Gesellschaft. Mit den Kunden wusste sie gut umzugehen und schien überhaupt gern im Itchy Witchy zu sein.

      Lächelnd ging Julie ins Hinterzimmer, setzte sich an ihren Tisch und schlug den Terminkalender auf. Oh, schon in zehn Minuten hatte sie die erste Tarotsitzung! In Cassandras rundlicher Handschrift waren der Name der Kundin, die Zeit und der vereinbarte Preis vermerkt.

      Wenn Julie ehrlich war, erfüllten die Karten sie inzwischen mit einem Gefühl von Zufriedenheit. Es bereitete ihr ein beinahe schon sinnliches Vergnügen, sie in den Händen zu halten und sich in die Bilder zu versenken. Erst am Morgen hatte sie spontan eine Tageskarte gezogen, den Mond. Er verkörperte verborgene Gefühle und Ängste, vor allem aber die Träume, die man im Tageslicht so oft als albern abtat. Das beschrieb ihre Situation haargenau. Sie musste an die merkwürdigen Bilder denken, die sie nun schon in mehreren Nächten gequält hatten. Und tagsüber? Statt eine Lösung für ihre Probleme zu finden, schien jeder Schritt, den sie tat, sie weiter ins Ungewisse zu führen. Mr Blair und seine seltsamen