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anders überlegt hast und nun doch den Zirkel leiten möchtest. Du«, zischte sie und deutete mit dem Zeigefinger auf Julie, »glaubst wie alle Mireau-Hexen, dass du dir einfach nehmen kannst, was du willst. Aber so ist es nicht. Alastair magst du den Kopf verdreht haben, ebenso wie Red, und nun versuchst du, diesen Grünschnabel hier«, sie sah kurz zu Cassandra, »auf deine Seite zu ziehen. Aber eines sage ich dir – die Leitung des Zirkels bekommst du nur über meine Leiche.«

      »Du bist verrückt, Myrtle«, entgegnete Julie. »Ich will keine Hexe sein. Und euer Zirkel interessiert mich nicht.«

      »Ich glaube ihr«, mischte sich Cassandra ein und stellte sich neben Julie.

      Myrtle warf ihnen beiden einen bösen Blick zu, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verließ den Laden.

      In der folgenden Nacht hatte Julie wieder einen dieser eigenartigen Träume. Die lebendigen Tarotkarten verschonten sie zwar, dafür stand sie zwischen Laurie und Alastair, die jeweils an einem ihrer Arme zerrten.

      »Komm hier entlang!«, befahl ihre Tante, während Alastair sie in die entgegengesetzte Richtung zog.

      Julie glaubte, dass sie jeden Moment in der Mitte auseinanderbrechen würde.

      Als sie aufwachte, fühlte sie sich wie gerädert. Nach einem Kaffee und einer heißen Dusche ging es ihr schon etwas besser. Aus einem Impuls heraus wählte sie Alastairs Nummer. Er war kein Frühaufsteher, das wusste sie, aber sie konnte ihm zumindest eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen.

      Sie wollte gerade sprechen, als er ranging. »Alastair, ich bin’s, Julie«, erklärte sie.

      »Wie schön, dass du anrufst! Gibt es einen besonderen Grund dafür?« Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme.

      »Nein, eigentlich nicht«, behauptete sie. »Es war eine spontane Idee. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.«

      »Aber nein«, sagte Alastair. »Ist alles in Ordnung mit dir? Du klingst etwas besorgt. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, ich bin da.«

      Julie dachte an die Puppen, die sie auf dem Friedhof gefunden hatte. Sie hatte sie verbrennen wollen, zögerte die Entscheidung aber immer wieder hinaus. Sicher wollte Alastair sie sich erst einmal anschauen, bevor er ihr helfen konnte.

      »Es gibt da tatsächlich etwas, über das ich gerne mit dir sprechen würde«, gab sie zu. »Aber nicht jetzt. Es ist nicht weiter wichtig.« Das war zwar nicht wahr, aber sie hatte das Gefühl, Alastair bereits genug aufgebürdet zu haben.

      »Für dich nehme ich mir immer gern die Zeit, meine Liebe, das weißt du doch. Vielleicht schaue ich nachher mal bei dir vorbei und wir können reden. Was meinst du?«

      »Das klingt gut. Aber nun muss ich los, sonst fangen die Leute an zu randalieren, wenn ich den Laden nicht rechtzeitig aufschließe.«

      Er lachte, wie sie es beabsichtigt hatte, und legte auf. Jetzt, im hellen Licht des Tages, kamen ihre Befürchtungen ihr albern vor.

      Am Nachmittag betrat eine ältere Dame das Itchy Witchy und fragte, ob Julie ihr die Karten legen könne. Sie stellte sich als Mrs Saintclair vor, und zwar so, als hätte dieser Name eine gewisse Bedeutung. Julie, die gerade mit dem Gedanken an ein Sandwich und einen Kaffee geliebäugelt hatte, zögerte.

      »Wissen Sie, ich kannte Ihre Tante Laurie recht gut«, erklärte Mrs Saintclair. »Sie hat mir früher auch immer die Karten gelegt und mich öfter mal besucht. Ich arbeite in der Bibliothek des Hexenmuseums in Salem. Als ich gehört habe, dass Sie nun ihre Nachfolge angetreten haben, musste ich gleich herkommen.«

      Julie runzelte die Stirn. Ein paar Tage Kartenlegen hatten also genügt, um sie zu Tante Lauries Nachfolgerin zu machen.

      »Und Sie sehen ihr so unglaublich ähnlich«, fuhr Mrs Saintclair in schmeichelndem Ton fort.

      »Vielen Dank, Mrs Saintclair«, sagte Julie. »Es tut mir leid, aber eigentlich wollte ich gerade eine Pause …«

      »Ich wäre auch bereit, Ihnen mehr zu zahlen als Ihrer Tante«, unterbrach Mrs Saintclair sie schnell.

      Bevor Julie darauf antworten konnte, mischte Cassandra sich ein: »Gut. Das macht dann fünfundsiebzig Dollar für eine halbe Stunde.« Sie tippte den Betrag in die Kasse ein.

      Mrs Saintclair zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie holte ihr Portemonnaie aus der Tasche und legte das Geld auf den Tresen. Dann ging sie zielsicher auf das Hinterzimmer zu.

      »Bist du verrückt geworden?«, zischte Julie. »Fünfundsiebzig Dollar?«

      Cassandra grinste. »Du musst lernen, dich nicht un­­ter Wert zu verkaufen, Julie. Und außerdem – wenn du mehr Geld für deine Arbeit verlangst, wirkst du seriöser.«

      »Und ich dachte, du glaubst an das alles hier«, gab Julie zurück. Sie konnte Cassandra nicht lange böse sein, aber in dieser Sache war das letzte Wort noch nicht gesprochen.

      »Das tue ich«, entgegnete Cassandra. »Aber auch wir modernen Hexen müssen essen. Je mehr du verdienst, desto besser kannst du mich bezahlen. Ist doch irgendwie logisch, oder?«

      »Miss Mireau? Ich wäre dann so weit«, rief Mrs Saintclair aus dem Hinterzimmer.

      »Darüber reden wir noch«, sagte Julie zu Cassandra und ging zu ihrer Kundin.

      Nach der Sitzung war Mrs Saintclair nicht nur von Julies Fähigkeiten überzeugt, sondern auch hochzufrieden mit ihren Zukunftsaussichten. Dabei hatte Julie ihr nicht einmal etwas Schlimmes verschweigen müssen, denn die Karten sagten der verwitweten Dame nicht nur ein langes Leben, sondern auch eine baldige neue Liebes­beziehung voraus.

      Mit einem herzlichen Händedruck verabschiedete sich Mrs Saintclair von Julie. »Ich wusste, dass Sie irgendwann zur Vernunft kommen und in die Fußstapfen Ihrer Tante treten würden, auch wenn sie versucht hat, das zu ver­hindern«, sagte sie und wandte sich zum Gehen.

      Julie packte sie am Arm. »Wie meinen Sie das?«

      Entsetzt starrte Mrs Saintclair sie an.

      Sofort ließ Julie sie los und hob beschwichtigend die Hände. »Bitte entschuldigen Sie, ich wollte Ihnen keine Angst machen«, versicherte sie. »Ich frage mich nur, wie Sie darauf kommen, dass meine Tante nicht wollte, dass ich ihrem Beispiel folge. Immerhin hat sie mir doch den Laden vermacht.«

      »Meine Liebe, Ihre Tante war froh, als Sie endlich in Sicherheit waren. Das hat sie mir selbst erzählt, als sie das letzte Mal bei mir war.«

      »In Sicherheit? Vor wem?«

      Mrs Saintclair schaute Julie forschend ins Gesicht. »Kommen Sie in den nächsten Tagen zu mir in die ­Bibliothek, dann zeige ich Ihnen etwas«, sagte sie geheimnisvoll. »So schnell wie möglich, am besten gleich heute Abend. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät.« Damit verließ sie das Hinterzimmer.

      Zu spät wofür, fragte Julie sich. Doch sie hatte nicht viel Zeit, darüber nachzudenken.

      »Hier ist jemand, der dich sprechen möchte, Julie«, rief Cassandra aus dem Verkaufsraum.

      Es war Mr Blair.

      »Was kann ich für Sie tun?«, fragte Julie und versuchte nicht einmal, ihre Ungeduld zu verbergen.

      »Ich wollte mich nur in Ihrem Geschäft umsehen«, bemerkte er leichthin.

      »Bitte sehr!« Mit dem rechten Arm beschrieb sie einen Halbkreis. »Dazu brauchen Sie mich ja nicht.«

      »Und wenn ich Sie bitten würde, mir die Karten zu legen? Ich habe gehört, dass Sie sehr gut sind.«

      »Sie sollten nicht alles glauben, was man Ihnen er­zählt«, entgegnete Julie und sah zu Cassandra hinüber.

      Deren errötende Wangen ließen keinen Zweifel daran, wer ihm von Julies neuen Fähigkeiten berichtet hatte.

      Julie seufzte und wandte sich wieder Mr Blair zu: »Sagen Sie mir lieber, ob Sie Fortschritte bei Ihren Er­mittlungen gemacht haben!«

      Mr