Die Fälle der Shifter Cops. Natalie Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natalie Winter
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall der Shifter Cops
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948483685
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vertraut, dass er ihr helfen würde.

      »Miss Mireau«, sagte Mr Blair noch einmal eindringlich, »ich weiß, dass das alles für Sie im Augenblick nicht leicht ist. Sie haben klargemacht, dass Sie nicht an Hexerei glauben. Aber ganz offensichtlich geschieht hier gerade etwas, das Sie an Ihrer Weltsicht zweifeln lässt. Ich vermute, dass Sie in den letzten Tagen ein paar Erfahrungen gemacht haben, die …« Er zögerte kurz. »Die schwierig für Sie waren.« Als sie nicht antwortete, seufzte er demonstrativ. »Miss Mireau, würden Sie mich bitte anschauen?«

      Etwas in seiner Stimme zwang Julie, den Kopf zu heben. Unfähig, ihren Blick abzuwenden, sah sie ihn an. Sein markantes Gesicht mit den hohen Wangenknochen und dem energischen Kinn war überaus attraktiv, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinne. Was Julie jedoch am meisten faszinierte, waren seine Augen. Sie hätte schwören können, dass sie sonst blau waren. Nun aber schimmerten sie in einem goldenen Bernsteinton.

      »Nun machen Sie schon!«, forderte Cassandra ungeduldig. »Sie sehen doch, dass Julie einen kleinen Schubs in die richtige Richtung braucht.«

      Verwirrt wandte Julie sich ihr zu. »Wovon redest du?«

      »Sie erinnern sich noch an die Karte, die ich Ihnen gegeben habe?«, fragte Mr Blair, bevor Cassandra etwas erwidern konnte.

      »Die mit der New Yorker Telefonnummer? Ja, sicher«, bestätigte Julie.

      Cassandra und Mr Blair warfen sich einen seltsamen Blick zu. Was hatte das zu bedeuten? Julie kam sich allmählich vor wie eine Patientin zwischen zwei Ärzten, die sich nicht entscheiden konnten, wer von ihnen ihr die fatale Nachricht übermitteln sollte.

      Nun mischte sich auch Red ein. »Leute, ich habe nicht den ganzen Abend Zeit. Julie ist eine erwachsene Frau, auch wenn sie sich nicht immer wie eine be­­nimmt.«

      Empört öffnete Julie den Mund, schloss ihn aber wieder. Red hatte recht. Seit sie in Yarnville angekommen war, hatte sie sich wie ein Trotzkopf verhalten. Es war an der Zeit, der Wahrheit ins Auge zu sehen – und ihren Irrtum zuzugeben, war ein geringer Preis dafür.

      »Es ist weniger die Telefonnummer als vielmehr meine Berufsbezeichnung, die ich meinte«, erklärte Mr Blair.

      »Ach das«, sagte Julie. »Okay, Sie sind ein Shifter Cop, was auch immer das sein soll. Vermutlich bedeutet es, dass Sie sich in irgendetwas verwandeln können – zumindest glauben Sie das.« Als er sie unterbrechen wollte, hob sie die Hand. »Wenn mich die Ereignisse der letzten Tage eines gelehrt haben, dann dies: Es gibt so viel mehr zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Schulweisheit träumen lässt. Ja, ja, das ist ein abgewandeltes Zitat, ich weiß. Vielleicht bekomme ich ja jetzt die Gelegenheit, auf die ich mein Leben lang gewartet habe, und sehe mit eigenen Augen den Beweis für die Existenz übernatürlicher Kräfte. Also los, verwandeln Sie sich! Oder können Sie das nur bei Vollmond?«

      Cassandra legte ihre kühle Hand auf Julies, sagte aber nichts.

      »Miss Mireau«, setzte Mr Blair nun an.

      »Ach, nennen Sie mich doch Julie!«, fiel sie ihm ins Wort. »In einer verrückten Situation wie dieser können wir getrost auf Förmlichkeiten verzichten, finden Sie nicht?«

      »Also gut, Julie – ich bin Madoc.« Er lächelte kurz. »Es ist völlig in Ordnung, wenn du nervös bist. Aber jetzt sei bitte mal still, nur für eine Minute! Ich muss mich konzentrieren.«

      Julie hielt den Atem an. Wollte sie das wirklich sehen? Was, wenn er sich in ein gefährliches Tier verwandelte und in ihrem Laden Amok lief? Aber sie hatte ja sowieso keine Wahl.

      Madocs Gesicht veränderte sich plötzlich. Es wurde länger, die Nase verbreiterte sich, und auf einmal waren da sehr viele spitze Zähne in seinem … Maul. Es musste ein schmerzhafter Prozess sein, sie sah es ihm an. Doch er war noch lange nicht abgeschlossen. Madocs Haut wurde nun überzogen von etwas, das wie grüngoldene Schuppen aussah. Seine Finger wurden spitzer. Als er vorsichtig eine Hand auf den Tresen legte, bemerkte Julie, dass sich Krallen statt der Nägel gebildet hatten.

      Fassungslos starrte sie das Wesen an. Dann erlebte sie, wie es sich in Madoc zurückverwandelte. Seine Augen waren nun wieder von einem ganz gewöhnlichen Blau – wobei, »ganz gewöhnlich« war vielleicht nicht die richtige Bezeichnung … Madoc lächelte sie entschuldigend an, doch sie konnte zunächst nicht reagieren. Ihr Gehirn hatte Schwierigkeiten, das Gesehene zu verarbeiten.

      »Was bist du?«, fragte sie schließlich mit krächzender Stimme, während sie versuchte, ihr viel zu schnell pochendes Herz unter Kontrolle zu bringen. »Was bist du?«, wiederholte sie. Ihr wurde schwindelig.

      Mit einem Satz war er bei ihr und hielt sie fest. Sie ließ es geschehen. Ihre vernünftige Weltsicht hatte sich gerade verabschiedet, und Julie war am Ende ihrer Kräfte. Tschüss, Logik. Tschüss, Vernunft. Willkommen, Wahnsinn. Aber wenn sie verrückt war, dann waren es auch Madoc, Cassandra, Red und Myrtle, ja sogar Mr Sargent. Wobei Letzteres nur ein geringer Trost war.

      Erschöpft legte Julie den Kopf an Madocs Brust. Sein Herz schlug langsam und gleichmäßig, was irgendwie beruhigend war. Für einen Moment schloss sie die Augen und genoss die Geborgenheit. Ausgerechnet Madoc bot ihr nun das, was sie am meisten brauchte. Sie hob den Kopf und sah ihm ins Gesicht. Erneut begann ihr Herz zu rasen, aber diesmal nicht aus Angst.

      »Er ist ein Drachenwandler«, erklärte Cassandra schließlich und der Zauber war vorbei. »Du solltest ihn mal sehen, wenn er sich komplett verwandelt. Da kann man beinahe schon Angst vor ihm bekommen.«

      Verlegen löste sich Julie von Madoc und wandte sich Cassandra zu: »Du wusstest, dass er nicht normal ist? Und du hast ihn als Drachen gesehen, ich meine als richtigen, echten Drachen?«

      Sie verspürte einen Stich in der Herzgegend, über den sie lieber nicht nachdenken wollte. Die Tatsache, dass Cassandra Madoc besser kannte als sie, schockierte sie beinahe mehr als die unglaubliche Verwandlung, deren Zeugin sie gerade geworden war. Sie hatte immer gedacht, dass Cassandra einfach nur zu viel Fantasie und eine Vorliebe für dramatische Auftritte hatte. Und nun stellte sich heraus, dass sie recht gehabt hatte: Es gab tatsächlich Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich mit dem Verstand allein nicht erklären ließen.

      »Wieso hast du mir nichts gesagt?«, fragte Julie.

      Cassandra zuckte mit den Schultern und schaute Hilfe suchend zu Madoc.

      »Hättest du ihr denn geglaubt, Julie?«, wollte er wissen. »Und außerdem – ich bin so normal wie du.« Seine Stimme klang grollend, so als ob die Verwandlung auf geheimnisvolle Weise seine Stimmbänder verändert hätte. War das ein Echo des Drachen, den er in sich trug?

      »Bitte entschuldige meine Wortwahl!«, gab Julie zu­­rück. »Das war dumm von mir. Aber meine Welt wird gerade komplett auf den Kopf gestellt. Ich bin nur ein Mensch, während du … Was bist du überhaupt? Ist dein Vater ein Drache und deine Mutter ein Mensch, oder wie muss ich mir das vorstellen?«

      »Ich bin ein Gestaltwandler«, erklärte Madoc. »Das heißt, ich kann zwischen meiner menschlichen Gestalt und der meines Tieres wählen. Meine Eltern sind im Übrigen ebenfalls ein Drachenwandler und eine Hexe.«

      »Und warum bist du dann kein Hexer geworden, sondern ein Gestaltwandler?« Julie konnte nicht anders, sie musste diese Frage stellen. Wann bekam sie schon einmal die Gelegenheit, mit einem Mann zu sprechen, der sich in einen Drachen verwandeln konnte?

      Madoc seufzte. »Ganz offensichtlich sind die Gene meines Vaters die dominanten und haben sich durchgesetzt. Und was dich angeht – nun ja, als völlig ›normal‹, wie du es nennst, würde ich dich auch nicht bezeichnen. Du bist eine Hexe.«

      Julies erster Impuls war, seine Behauptung kategorisch zu verneinen. Schließlich hatte sie diesen Aspekt ihrer Persönlichkeit jahrelang verleugnet. Doch als er sie gelassen ansah, ohne sie zu verurteilen oder sie als verrückt abzutun, begann sich ein gewaltiger Knoten in ihr zu lösen.

      Er lächelte. »Glaub mir, ich kann sehen, dass du anders bist. Wir paranormalen Wesen haben die Fähigkeit, einander zu erkennen. Und wenn wir jetzt mal zum Ausgangspunkt zurückkehren könnten – was ist passiert, das