Das Auto deines Onkels steht hinter dem weißen Kastenwagen, und ihr steigt aus und nähert euch dem Sarg, und du berührst ihn mit deinen Fingern, und du siehst auf einer Seite des Sarges den Namen und den Vornamen deines Vaters in silbernen Buchstaben auf das Holz geschrieben. Dein Onkel hat dich an der Schulter genommen und gemeint, du sollst in den Hof gehen. Du bist ihm gefolgt und hast dich unter die Schar der Menschen gemischt, die zum Begräbnis deines Vaters gekommen waren. Sie haben dich angeschaut wie man einen vierzehnjährigen Jungen anschaut. Sie wollten dich trösten, und du hast auf ihren Gesichtern die zarte Spitze des Mitleids gesehen. Du hattest kein Mitleid mit ihnen, du hast zu mir geschaut, und ich bin zu dir hinübergekommen mit einer Schachtel Kerzen in der Hand, und ich habe dir diese Kerzen gegeben, damit du sie anzündest und in den improvisierten Kerzenständer im Eingang des Hauses stellst. Es gab da diesen Kerzenständer, einen mit Sand gefüllten Behälter aus Weißblech, und die Leute zündeten Kerzen an und steckten sie in den Sand, es waren Hunderte von Kerzen, die für das Licht deines Vaters und für seine Vergebung brannten. Die Leute hielten dich einfach für ein Kind. Nur deine Mutter, du und ich wussten, dass du ein Kind Gottes warst. Aber das kümmert dich nicht. Du verschlingst alle Definitionen. Bei dir hört es weder bei den Worten noch bei ihrer Bedeutung auf. Bei dir hört es weder bei der Wahrnehmung der fünf Sinne noch bei den gängigen Analysemethoden auf. Du suchst die Wahrheit auf deine Weise, und du bist insofern einzigartig, als all das, was die anderen in den Begriff «Wahrheit» packen, für dich nur eine Geringfügigkeit ist. Du hast die Kerzen genommen und hast sie in den Sand gesteckt, in eine Ecke des Behälters, dann bist du in die Küche eine Schachtel Streichhölzer holen gegangen, bist wieder zurückgekommen und hast alle Kerzen angezündet. Während du die Kerzen angezündet hast, haben sie deinen Vater in das Haus gebracht, und du hast sie den Sarg tragen sehen, und sie sind ganz nahe an dir vorbeigekommen, da du gleich neben der Tür standest, und du hast den Sarg von unten gesehen, hast die Holzleiste am Boden des Sarges gesehen und hast sie sagen hören: «Achtung Schwelle, Achtung Schwelle!» Die Frau deines Vaters ist auf dich zugekommen und hat dich bei der Hand genommen, und ihr seid zusammen in einen Raum neben dem Totenzimmer gegangen. Es war niemand sonst in diesem Zimmer, und die Frau deines Vaters hat auf der Bettkante Platz genommen, und du hast dich auf ein Kissen gesetzt, und sie hat angefangen, dir die Geschichte des Unfalls zu erzählen. Dein Vater hatte seit langem vorgehabt, vor Gericht das Sorgerecht für dich zu erlangen. Er wünschte sich von ganzem Herzen, dich in seiner Nähe zu haben, in seinem neuen Haus. Er wollte dich auf seine Weise erziehen. Er wollte dir vorschlagen, auf ein Sportinstitut zu gehen. Er hatte vor, aus dir einen Leistungssportler zu machen. Er glaubte, alle seine Absichten seien gut. Während er darauf wartete, dich in seiner Nähe zu haben, wollte er zwei Räume bauen, ganz für dich allein, in diesem Hof, angebaut an die alte Mauer. Er wollte schnell machen, da du schon vierzehn warst und dich für eine Fachoberschule entschieden hattest und diese Wahl nicht in seinem Sinne war. Er konnte zu einem günstigen Preis Backsteine beschaffen, die für den Bau deiner zwei Zimmer notwendig waren, und er ist, am Tag seines Todes, auf den Laster gestiegen, der beladen war mit diesen Tausenden von Backsteinen, und er hat dem Fahrer gesagt, dass der Laster aussehe wie ein rollender Sarg, und sie haben gelacht, der Fahrer, ein Arbeiter deines Vater, sie haben gelacht, und so sind sie losgefahren, mit fünf anderen Arbeitern auf der Wagenladung, ganz hinten im Laster, in einer Nische aus Backsteinen, die sie abzuladen hatten. Es waren etwas mehr als hundert Kilometer zu fahren, sie dachten schon an das Feiern nach der Arbeit. An einem Abhang, der als gefährlich galt, hat der Fahrer in den Leerlauf geschaltet und hat den Lastwagen einfach rollen lassen, und der Lastwagen hat immer mehr an Geschwindigkeit gewonnen, und der Fahrer hat mehrmals gebremst, aber die Bremsen des Lastwagens haben versagt, und dem Fahrer ist es nicht gelungen, wieder einen Gang einzulegen, und in einer Kurve konnte er der Straße nicht mehr folgen, und der Lastwagen ist umgekippt und von der Straße abgekommen und hat sich mehrmals überschlagen, bis er unten zum Stillstand gekommen ist, hundert Meter weiter unten. Die fünf Bauarbeiter, die sich auf der Ladebrücke befanden, und derjenige in der Kabine, waren auf der Stelle tot. Dein Vater ist zwei Tage später im Spital gestorben. Der Fahrer blieb unverletzt, da er klein war und sich unter die Armatur des Lastwagens hat retten können. Er hat nicht einen Kratzer davongetragen. Falls du ihn sehen willst, um mit ihm zu sprechen, er ist hier, im Hof, er ist hier und weint die ganze Zeit. Dein Vater ist tot und liegt in seinem Sarg, der auf einem Tisch in einem der Zimmer des Hauses seiner Frau steht. Sie haben den Deckel des Sarges abgenommen. Er ist in einen schwarzen Anzug gekleidet und trägt eine schwarze Krawatte um den Hals, seine Arme sind auf dem Bauch gekreuzt und die Finger seiner Hände sind gefaltet, sein Hemd ist weiß, und er hat neue Schuhe an, die er nie getragen hat. Der Kopf deines Vaters ruht auf einem bestickten Kissen. Der Körper deines Vaters liegt auf einem weißen Laken. Dein Vater hat einen weißen Schnauzbart. Du hast deinen Vater noch nie mit einem Schnauzbart gesehen. Dein Vater hat nie einen Schnauzbart getragen. Dein Vater hat sich jeden Tag rasiert und hat nie einen Bart oder einen Schnauzbart getragen. Seit ein paar Tagen trägt dein Vater einen Schnauzbart. Dein Onkel hat denen, die in der Leichenhalle arbeiten, die die Leichname waschen, sie einkleiden und rasieren, kein großzügiges Trinkgeld gegeben. Dein Onkel kannte die Gepflogenheiten der Leute, die in der Leichenhalle arbeiten, nicht. Er hat sie nicht bezahlt, und sie haben sich gerächt, sie haben deinem Vater einen Schnauzbart stehen lassen, und dieser Schnauzbart ist weiß. Du stehst am Kopf des Sarges und schaust deinen Vater an, der ausgestreckt in der Holzkiste liegt, du hebst deinen Blick und schaust zu den anderen Anwesenden im Totenzimmer und siehst sie ratlos oder unwissend. Sie wissen nicht, wer du bist, dass du sie so musterst, ihre Kleider anschaust und ihre Hände. Du hast den Ausdruck eines Burschen, der mit seinem Körper da ist und mit seiner Seele bei seinem Vater, der tot ist.
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Ich werde ihr jetzt die Windeln wechseln. Ich nehme sie hoch und setze sie auf das Bett. Ich gebe ihr einen Plastikwürfel, öffne die drei Knöpfe ihres Bodys, ziehe den unteren Teil des Kleidungsstücks bis zum Bauch hoch, löse die Laschen der Pampers, nehme mit der linken Hand die Füße des Kindes, hebe sie hoch, ziehe die schmutzige Windel hervor und reinige mit mehreren Feuchttüchern die Haut des Kindes, die Schamlippen ihres Geschlechts, von oben nach unten, ihre Hautfalten, ihre Schenkel, ihren Po. Sie dreht und wendet mit ihren Fingern den grünen Plastikwürfel. Ich lasse ihre Füße los, und sie dreht sich im Bett auf die Seite. Ich lasse sie so, nackt, ohne Pampers, ungefähr zehn Minuten liegen. Sie liebt es, die Schiffe auf dem See anzuschauen. Sie winkt ihnen zum Abschied zu, mit der rechten Hand wedelt sie in der Luft zwischen ihr und dem Schiff, das sich vom Ufer entfernt. Mit beiden Händen berührt sie ihren Mund und streckt sie dann aus, seewärts. Sie lächelt und sagt etwas. Sie schaut mich an, sie schaut dich an.
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Du hasst es, das Wort «Seele», und du sezierst es fortwährend und wiegst jedes Stückchen davon auf der Waage eines anderen Wortes ab. Deine Liebe für die Menschen rührt nicht von der Seele her. Die Seelen der Lebenden und die Seelen der Toten bestehen aus sanftmütigen Marionetten. Am außergewöhnlichsten ist, dass du verstanden hast, dass die Marionetten sich gegenseitig zum Tanzen bringen. Jede Marionette lässt andere Marionetten tanzen und so weiter. Es gibt keine Marionette, die nicht wichtig wäre für andere Marionetten. Du hast verstanden, dass auch du eine Marionette bist, und du versuchst nicht, dich vom Zustand einer Marionette zu befreien, was unmöglich ist, sondern du versuchst, diese Tatsache nicht zu nutzen und sie so, durch mangelnden Gebrauch, verkümmern zu lassen. Jedes Mal, wenn sich diese Marionette in dir bemerkbar machen will, enthältst du dich einer Meinung, machst du dich davon, ziehst du dich zurück, greifst du nicht ein, und die Marionette geht in ihrem ungestillten Durst ein. Es sind Stühle an der Wand des Totenzimmers aufgestellt, und mehrere Personen sitzen darauf und reden und nehmen das Wort «Tragödie» in den Mund. Du sagst, dass es Wörter gibt, die es nicht geben dürfte. Du sagst, dass es das Wort «Tragödie» nicht geben dürfte. Auch das Wort «Unfall» nicht. Dir wird bewusst, dass viele Wörter aus dem Bereich der Marionetten stammen, und du sagst, dass es das Wort «Marionette» nicht geben dürfte. Zwischen den Leuten, die sitzen, und dem Tisch, auf dem der Tote liegt, scharen sich einige Personen mit Kerzen und Blumen in der Hand um den Sarg. Einer verscheucht die Fliegen, die sich auf das Gesicht und auf die Hände deines Vaters setzen wollen. Er verscheucht sie mit Handbewegungen seiner rechten Hand, in der er ein Stofftaschentuch hält. Dein Vater ist tot, und seine Augen sind halb offen. Dicht neben seinem Kopf