Die Wolfssymphonie. Marius Daniel Popescu. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marius Daniel Popescu
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783906050171
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hat den Deckel abschrauben wollen, sie hat die Tube in der linken Hand gehalten und mit der anderen den Deckel abschrauben wollen.

      Die Kette des Ankers kannst du aus Büroklammern machen. Die Segel werden Papiertaschentücher sein. Auf einem der Decks werden die Matrosen in den Kabinen von ihrem Leben erzählen. Du kannst ihnen eine große Schiffskantine machen. Mit einem langen Tisch, auf dem Kerzen stehen. Du kannst für den Kapitän eine Mütze machen. Er wird einen Bart haben und ein bisschen dick sein. Er wird zwei Pistolen am Gürtel tragen. Die Leutnants werden ihm treu ergeben sein, und du kannst deiner Tochter zeigen, wie sie über ihre Landkarten gebeugt diskutieren.

      Die, die du da hast, ist eine große Konservenbüchse. Es gibt kleinere. Es gibt solche mit Tomaten im Saft. Es gibt Büchsen mit Spargeln und solche mit Champignons drin. Es sollten noch ein paar Thonkonserven da sein. Und Büchsen mit Ananas und ganzen Birnen. Irgendwo haben wir auch noch ein paar Büchsen Sardellen hingestellt. Aus ihnen kannst du Rettungsboote machen, gleich mehrere. Das Mädchen wird den Deckel der Zahnpastatube abschrauben und ihn auf diesem Blechschiff mitreisen lassen; zusammen werden sie alle Meere und alle Ozeane befahren.

      * * *

      Deine Großmutter hat aufgehört, kaltes Wasser in deine Handflächen zu gießen. Sie ist neben dir gestanden, auf der anderen Seite des Beckens, das mit Schmutzwasser gefüllt war, sie hat den Eimer mit dem kalten Wasser in der Hand gehalten und sich nicht gerührt. Du hast einen Moment lang geweint. Du hast deine Tränen ins Becken fallen sehen, hast deine Tränen ins Wasser tropfen und sich mit dem Schmutzwasser vermischen sehen. Du hast zu deiner Großmutter gesagt, «gieß!», und sie hat den Eimer mit dem kalten Wasser über deinen Kopf gehoben und hat kaltes Wasser auf den unteren Teil deines Rückens geleert. Bevor er der Mann deiner Mutter geworden ist, war dein Vater der Mann einer Tochter eines orthodoxen Priesters. Das war seine erste Ehe. Sie waren ein Jahr lang verheiratet, dann haben sie sich scheiden lassen. Dein Vater liebte die Frauen. Er war kein Schürzenjäger. Er liebte die Frauen einfach. Deine Mutter liebte er so, als würde sie alle Frauen verkörpern. Er polierte deiner Mutter die Schuhe, er bekochte sie oft mit gutem Essen, er machte ihr jeden Tag Geschenke und führte sie häufig auf Feste zum Tanzen aus. Deine Mutter liebte deinen Vater sehr. Sie liebte es nicht, dass dein Vater die Schönheit anderer Frauen sah, und sie liebte es nicht, dass dein Vater die Leute liebte. Dein Vater liebte die Leute. Er liebte die Leute, und er liebte auch die Leute, die der Einheitspartei angehörten. Dein Vater war unbezähmbar, und er liebte die Leute. Da bist du ihm ähnlich. Ansonsten bist du ein Original. Du bist eigen und niemandem ähnlich. Deine Großmutter ist in die Küche zurückgegangen und ist mit einem sauberen Tuch in den Händen wiedergekommen. Du hast das Tuch genommen und hast deinen Körper abgetrocknet, bis zum Gürtel deiner kurzen Hosen. Sie hat das Becken genommen und ist das Schmutzwasser in den Vorhof ausschütten gegangen. Sie ist wieder zu dir zurückgekommen und hat das Becken auf den Boden gestellt, neben den Schemel. Sie hat gesagt, dass du dich hinsetzen sollst, und hat kaltes Wasser ins Becken geleert. Sie hat den Besen aus der Küche geholt, ihn vor dir auf den Boden gelegt und gesagt, «jetzt putz deine Füße». Du hast deine Füße ins Wasser des Beckens getaucht und hast angefangen, sie einzuseifen. Du hast deine Füße gewaschen, deine Waden, deine Knie, deine Beine, bis auf die Höhe deiner Shorts. Du hast deine Füße auf den Besen am Boden gestellt und hast mit dem Tuch die Tropfen weggewischt, die noch auf deinen Beinen waren, auf deinen Fersen, auf deinen Knien, auf deinen Fußsohlen. Deine Großmutter hat dir deine besten Schuhe gebracht. Sie hat dir ein sauberes und gebügeltes Hemd gebracht. Sie hat dir eine frische Unterhose und eine Hose gebracht. Sie hat gefragt: «Hast du heute etwas gefangen?» Du hast ja gesagt, und sie hat gesagt, dass sie diesen Fisch für dich zubereiten werde, wenn du vom Begräbnis deines Vater zurück sein würdest, und sie hat gesagt, dass sie diesen Fisch im Kühlschrank deiner Tante aufbewahren werde. Sie hat gesagt: «Zieh deine Shorts aus, zieh deine Unterhose aus, leg sie auf den Boden, putz deinen Po und deinen Piepmatz!»

      Mitten im Hof hast du dich ausgezogen und hast, im Becken stehend, den Rest deines Körpers gewaschen, du bist aus dem Becken gestiegen, du hast dich ein letztes Mal abgetrocknet, und du bist mit den sauberen Kleidern in der Hand zurück in die Sommerküche gegangen, du bist hineingegangen, um dich anzuziehen. Der Postbote hat an der Tür nach deiner Großmutter gerufen. Er hat gesagt, es sei noch ein Eiltelegramm gekommen. Es war das zweite Telegramm. Es war das erste Telegramm. Die Großmutter hat den Postboten gebeten, ihr dieses Eiltelegramm an Ort und Stelle vorzulesen. Sie hatte ihre Brille nicht dabei. Sie hat den Postboten lesen hören: «Dein Vater ist bei einem Autounfall schwer verletzt worden», da hat sie sich gesagt, dass er gar nicht tot sei, dein Vater. Sie hat sich gesagt, dass er vielleicht nur schwer verletzt sei. Sie hat sich vom Postboten verabschiedet und ist zu dir in die Sommerküche gegangen. Du hast ein bisschen Quark und ein Stück Brot gegessen. Sie hat die Tür zur Sommerküche aufgemacht, hat ein Huhn verscheucht, das sich auf einen Stuhl setzen wollte, und hat gesagt, «lies dieses Telegramm, da steht, dass er nicht tot ist, dein Vater!» Du hast das Telegramm gelesen, du hast die Augen deiner Großmutter angeschaut, sie waren voller Tränen, sie weinte, du hast sie einen Moment lang so angeschaut, ihr seid einen Moment lang dagestanden und habt euch angeschaut, ohne etwas zu sagen, dann hast du gesagt, «er ist tot, du weißt genau, dass er tot ist, voilà!»

      Sie hat dich in die Arme genommen. Du warst damals gleich groß wie sie. Sie hat dich an sich gedrückt, sie hat dir einen Kuss gegeben und hat von irgendwo drei Geldscheine hervorgeholt, sie hat diese Geldscheine in deine Hand gelegt und hat gesagt: «Ab zur Beerdigung!»

      Wenn er dich besuchen kam, kam er oft mit dem Taxi. Er mietete das Taxi für den ganzen Tag. Das Taxi hielt vor dem Haus, er stieg aus, er sagte zum Fahrer, er solle ein paar Minuten warten. Er betrat den Hof, er rief nach dir, und wenn du aus dem Haus kamst, sagte er, du sollst dich anziehen und mit ihm mitkommen. Er hatte immer ein Geschenk für die Großmutter dabei. Er wechselte draußen im Hof ein paar Worte mit ihr, dann sagte er, «bist du bereit?», und du kamst heraus, gabst deiner Großmutter einen Kuss und gingst mit ihm mit, hinein ins Taxi. Sobald ihr drin wart, beide auf der Rückbank, gab er dem Fahrer die Richtung bekannt: «In die Hauptstadt!», und der Wagen ist losgefahren.

      Du hast an diese Reisen mit deinem Vater gedacht, und du wolltest Autostopp machen bis zur Stadt, in der seine Frau sein Begräbnis vorbereitete. Du bist zu Fuß die Straße entlanggegangen, und deine Kameraden aus der Schule und aus dem Viertel haben wie immer, wenn man sich auf der Straße begegnete, gefragt, «wohin gehst du?», und du hast geantwortet, «ich gehe an die Beerdigung meines Vaters!» Sie haben dich angeschaut, ohne etwas zu sagen, sie haben diese Worte gehört und haben sich verabschiedet, und du hast dich verabschiedet und bist weiter die Straße entlanggegangen, du hast den Leuten guten Tag gesagt, und sie haben dir guten Tag gesagt, und von Zeit zu Zeit, wenn du auf ihre Fragen geantwortet hast, hast du gesagt, «ich gehe an die Beerdigung meines Vaters!», «ich gehe an die Beerdigung meines Vaters!» Es gab eine bestimmte Stelle, an der die Leute Autostopp machten, um in die Stadt zu kommen, in der dein Vater lebte. Du bist dorthin gegangen und hast dich hingestellt, wie alle anderen, am Straßenrand. Du hast nicht lange warten müssen. Du bist in ein Auto gestiegen, du und noch zwei andere Personen, zwei Frauen, die wie du Autostopp gemacht haben. Ihr habt im Auto miteinander zu reden begonnen. Du hast ihnen gesagt, dass du an die Beerdigung deines Vaters gehst. Du hast dich an eine der Reisen erinnert, in die Hauptstadt, mit deinem Vater. Er hatte ein Zimmer in einem Grand Hotel reserviert. Ihr seid eine Woche lang in diesem Luxushotel geblieben. Jeden Morgen habt ihr das Frühstück aufs Zimmer bestellt. Nach dem Frühstück seid ihr in die Stadt aufgebrochen, und er hat dir Geschenke gekauft. Er hat dir einen Tennisschläger und einen Fotoapparat und mehrere Filme gekauft. Schwarzweißfilme, um Fotos zu machen. Er hat dir zwei Anzüge und mehrere Hemden gekauft, und ihr habt immer in verschiedenen Restaurants gegessen. Er wollte dir einige Orte auf dieser Welt zeigen. Er brachte dich an sehr unterschiedliche Orte. Du bist in diesem Auto gesessen, das dich in die Stadt brachte, in der dein Vater beerdigt werden würde, und du hast dich an eine der Reisen erinnert, die du mit ihm gemacht hattest. Wenn er dich abholte, hatte er viel Geld. Er gab mit dir alles Geld aus, das er dabei hatte. Wenn ihr wieder nach Hause kamt, hatte er kein Geld mehr. Wenn er dich mit dem Taxi abholte, gab er dem Taxifahrer Geld, er bezahlte dem Taxifahrer das Hotel und das Essen. Er sagte dem Fahrer, «das ist für Sie, aber Sie kommen nicht mit uns mit!» Er machte mit dem Taxifahrer Treffpunkte aus, und er zeigte dir die Stadt