Klangvolle Stille. Julian Schwarze. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julian Schwarze
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902901354
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       3. KAPITEL

      Ich erwachte auf einem Bett aus Stroh, und der Raum, in dem ich mich befand, war in gedämpftes Tageslicht getaucht. Ganz in meiner Nähe waren Stimmen zu hören, und als ich die Augen einen Spalt zu öffnen wagte, sah ich Gestalten mit spitzen Ohren, die von den Haaren halb verdeckt waren. Elfen!

      Erschrocken richtete ich mich auf. Aber die Bilder verschwammen vor meinen Augen, mir wurde schwindlig und ich spürte einen quälenden Kopfschmerz.

      »Ruhig, langsam!«, sprach eine sanfte Männerstimme. Hände packten mich an den Schultern und drückten mich behutsam in das Bett zurück.

      Nach einer Weile öffnete ich erneut die Augen und blickte mich genauer um. Ich befand mich offensichtlich in einem Zelt, draußen waren typische Stadtgeräusche zu vernehmen: lautes Reden, das Klappern der Holzräder und Pferdehufe über gepflasterte Straßen, die gleichmäßigen Schritte vorbeischreitender Soldaten.

      Neben meinem Bett standen die Elfen, die mich erwartungsvoll und misstrauisch anblickten.

      »Wo bin ich? Was ist geschehen?«, fragte ich verwirrt und tastete nach meinem Hinterkopf, wo ich die Wunde des Schlages spürte, der mich meiner Sinne beraubt hatte.

      »Ihr seid in Sicherheit.« Einer der Elfen trat vor und warf mir einen feindseligen Blick zu. Kleine Falten umzogen seine Augen- und Mundwinkel, das kastanienbraune Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Aus der goldenen Uniform und all den Abzeichen auf der Brust schloss ich, dass es sich um einen höheren Offizier handeln musste. »Was passiert ist, wollen vielmehr wir von Euch erfahren!« Seine Stimme klang streng und fordernd.

      »In Sicherheit, hm?« Langsam richtete ich mich auf und starrte dem Offizier in die Augen. »Ich sehe Hass in Euren Augen. Wie soll ich mich in Sicherheit fühlen können?«

      Der Elf verzog gereizt den Mund. »Ihr seid nicht in der Position, Forderungen zu stellen!« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. »Wir haben Euch vor den Arasien gerettet, vor ihnen seid Ihr hier in Sicherheit. Nun sagt, wie seid Ihr in diese Lage geraten?« Er musterte mich und meine Kleidung, die noch immer unangenehme Gerüche verströmte.

      »Ich war auf der Flucht vor den kaiserlichen Truppen. Im Wald war ich auf die Arasien gestoßen, gegen die ich mich zur Wehr setzen musste.«

      »Zur Wehr setzen?«, spottete der Elfe. »Nur ein Narr würde sich auf einen Kampf gegen eine Horde von Arasienkriegern einlassen. Oder jemand, der auf der Flucht vor einer noch größeren Gefahr ist.«

      Ich zuckte mit den Schultern. »Des Kaisers Soldaten halten nicht viel von Fremden, erst recht nicht, wenn man ein Ausgestoßener ist.«

      Der Elf nickte langsam und ging zu einem kleinen Tisch, auf dem auf einem weißen Tuch all meine Schwerter und Messer ausgebreitet lagen. »Ich frage mich – wenn es stimmt, was Ihr sagt –, wie kann ein Ausgestoßener, ein Einsiedler im Besitz eines so kostbaren Schwertes sein?« Der Offizier griff nach dem magischen Breitschwert, hielt jedoch inne, noch bevor seine Fingerspitzen den Griff berührten. Er lächelte, nahm ein Tuch und umfasste mit diesem das Schwert. Verblüfft zog ich die Augenbrauen hoch, was dem Elf ein triumphierendes Lächeln auf die Lippen zauberte. Er musste um den Zauber der Klinge wissen, denn jeder, der dieses Schwert mit der bloßen Hand anfasste, würde qualvolle Verbrennungen erleiden.

      »Ein Ausgestoßener im Besitz einer so kostbaren Waffe – und er versteht sich auf Magie! Sagt mir, wer Ihr wirklich seid!«

      Ich atmete tief durch, während ich mir eine Antwort überlegte, doch da entstand vor dem Zelt plötzlich Unruhe. Ein Stimmengewirr in einer fremden Sprache war zu vernehmen, ehe die Zeltwand aufgeschoben wurde und eine wunderschöne Elfe eintrat.

      Das Schwarz ihrer Augen war von einem leuchtenden blauen Ring umrahmt. Ihre Haut war so hell wie der weiße Sand an den Nordmeeren, ihre schmalen Lippen schön geschwungen, das Haar war schwarz wie die Nacht und fiel bis über ihre Schultern. Unsere Blicke trafen sich und blieben aneinander hängen. Sie sprach ein paar Worte, verfiel jedoch plötzlich in Schweigen und schien in eine andere Welt entrückt, so wie ich auch. All der Schmerz war von mir gewichen, die Sorgen vergessen, das Einzige, was zählte, war die zauberhafte Erscheinung der Elfe.

      »Ihr wolltet etwas sagen, Sprecherin des Offizierstisches?«, sprach der Offizier die Frau mit leicht spöttischem Unterton an.

      »Ja, ich…« Ihre Stimme war von solch schönem Klang, dass ich an jene engelsgleichen Erscheinungen denken musste, denen man nachsagt, sie würden die Seelen der Sterbenden bis zur Aufnahme ins Himmelsreich begleiten. »Wer ist der Fremde?«, fragte sie. »Wer seid Ihr?«

      »Preston, ein vaterloser Sohn.«

      Die Elfen wechselten beunruhigt einige Blicke, ehe die schöne Engelserscheinung fortfuhr. »Woher kommt Ihr?«

      »Ich hatte in Hesana eine… Bekannte aufgesucht, ich wollte ihren Rat einholen, doch sie wurde in meinem Beisein ermordet. Daraufhin haben mich kaiserliche Soldaten verfolgt und ich musste aus der Stadt flüchten.«

      Der Elfenoffizier hob verwirrt die Hand. »Euch haben die kaiserlichen Soldaten verfolgt – weil Eure Bekannte ermordet wurde? Hesana ist berüchtigt für die vielen Morde und Verbrechen, die auf offener Straße begangen werden – warum sollten die Soldaten an diesem einen Mord solch Interesse zeigen? Wer war Eure Bekannte?«

      Nachdenklich zuckte ich mit den Schultern. »Ich weiß nicht, warum sich der Kaiser für sie interessiert hat, doch es waren die Rejèss, die den Mord in Auftrag gaben.«

      »Die Rejèss?«, fragten der Offizier und die schöne Elfe wie aus einem Munde. »Wie hieß die Frau?«

      »Ich kannte sie nur als das Hexenweib.« Dass sie eine Prostituierte war, behielt ich für mich.

      Die beiden Elfenanführer zogen hörbar die Luft ein und hielten den Atem an.

      »Dann ist es also wahr«, flüsterte die Elfe mit besorgter Stimme und legte ihre Hand auf die verschränkten Arme des Offiziers. »Haren, ruft die Hohen Offiziere zusammen, wir müssen den Offizierstisch einberufen.«

      Der Angesprochene hob abwehrend die Hände. »Ich glaube nicht, dass wir einer Hure solche Bedeutung beimessen sollten.«

      »Wagt es nicht, sie so zu bezeichnen!«, schrie ich den Elf wütend an und sprang vom Bett auf. Unbewusst hatte ich die rechte Hand ausgestreckt und fühlte nun in der Faust das vertraute Gewicht meines Breitschwertes, das durch die magische Bindung vom Tisch, wo Haren es abgelegt hatte, zu mir gelangt war.

      Sogleich zogen auch die Elfenkrieger ihre Schwerter. Furcht und Fassungslosigkeit standen ihnen ins Gesicht geschrieben.

      »Haltet ein!«, forderte die Elfe die Krieger auf und warf mir einen strengen Blick zu. »Auch Ihr!«

      Widerwillig ließ ich die Klinge sinken und steckte sie in die Scheide, die nun an meinem Gürtel hing.

      »Das magische Schwert, die Ermordung des Hexenweibes, die Tatsache, dass der Krieger allein unterwegs ist… wohl kaum handelt es sich dabei um Zufälle. Als Sprecherin des Offizierstisches fordere ich eine Zusammenkunft der Hohen Offiziere!«

      Haren warf der Elfe einen zornigen Blick zu, ehe er mit schnellen Schritten vor das Zelt hinaustrat.

      »Kommt.« Die Elfe nickte den verbliebenen Kriegern zu, welche die Waffen vom Tisch nahmen und hinaustrugen. »Wir müssen Euch die Waffen abnehmen, bis die Hohen Offiziere zu einem Entschluss gekommen sind. Da wir Euch Euer Breitschwert nicht nehmen können, bitte ich Euch, es verborgen zu tragen.« Ihre Stimme war ruhiger geworden und ihr Mund deutete ein leises Lächeln an.

      Als wir das Zelt verließen, musste ich mich erst einmal an das grelle Licht im Freien gewöhnen. Es war ein für diese Jahreszeit ungewöhnlich warmer Tag. Auf den Straßen war viel los: Bewohner der Stadt eilten geschäftig umher, Kutschen wurden von Pferden gezogen, Krieger liefen von Haus zu Haus. Viele waren stehen geblieben, um mich zu begaffen, doch sobald ich sie ansah, wandten sie den Blick ab oder steckten die