Ich hielt den Atem an und lauschte. Die beiden Vermummten waren zweifellos nur wenige Schritte von mir entfernt. Zwar konnte ich sie nicht sehen, doch hörte ich ihren Atem, roch ihren Schweiß, spürte ihre Angst.
Mit einem lauten, klirrenden Klang steckte ich das Breitschwert zurück in die Scheide – um Verwirrung zu erzeugen. Tatsächlich konnte ich förmlich spüren, wie sie angewurzelt stehen geblieben waren und angestrengt lauschten.
Ich nahm das Messer in die rechte Hand und umschloss mit der Linken die Klinge. Für einen winzigen Moment hielt ich den Atem an, um die beiden Gestalten auszumachen, ehe ich mit einem entschlossenen Zug das Messer auf einen der beiden Männer schleuderte. Ich fühlte schmerzhaft, wie dabei meine Handinnenfläche aufgeschlitzt wurde und warmes Blut herausspritzte.
Die Messerklinge fand ihr Ziel und ein lauter Schrei entfuhr meinem Gegner. Im selben Moment ließ ich der Magie, welche ich nun so mächtig in mir fühlte, freien Lauf.
Das Blut, das aus meiner Hand floss, und jenes, das durch die Luft gespritzt oder am Messer haften geblieben war, verwandelte sich mit einem leisen Knistern in Flammenzungen.
Das Feuer sprang sofort auf das Stroh am Boden und auf die Kleidung des verletzten Mörders über.
Der Schrei, der zu meiner Überraschung aus dem Mund einer Frau kam, wurde immer lauter, die Flammen stiegen immer höher und der Qualm wurde zunehmend dichter.
Nun konnte ich den Mann sehen, der neben seiner Komplizin stand und vergeblich versuchte, die Flammen mit seinem Mantel zu ersticken. Panische Angst verzerrte sein Gesicht.
Mit langsamen Schritten trat ich auf ihn zu und stieß ihn von der Frau weg, die mittlerweile zu Boden gefallen war und sich schreiend im Feuer wälzte.
Ich bückte mich und holte das Messer aus den Flammen, die mir nichts anhaben konnten, dann wandte ich mich dem Mann voller Wut und Hass zu. »Wer bist du?«
Zweifellos hatte der Mörder erkannt, dass es kein Entkommen mehr gab. Hatte er kurz zuvor noch gegen einen geschwächten Mann gekämpft, so stand er nun einem Magier gegenüber, der sich auch auf die Schwertkunst verstand. Magier waren inzwischen selten geworden, die meisten standen in Diensten des Kaisers und wichen den hohen Offizieren oder den Mitgliedern der Blutigen Schneiden – einer Eliteeinheit – kaum von der Seite. Doch ich war sichtlich kein Anhänger des Kaisers – und somit umso gefährlicher.
»Wir sind Ausgestoßene«, stieß der Mann mit zittriger Stimme hervor. Seine Blicke huschten immer wieder zu dem brennenden Körper hinüber, der inzwischen völlig verstummt war.
»Warum habt ihr das Hexenweib getötet?« Ich bückte mich und drückte dem Mann die heiße Klinge meines Messers an den Hals, um dort sogleich eine Brandzeichnung zu hinterlassen.
»Es war ein Auftrag, wir brauchten das Geld!«
»Wer hat euch den Auftrag erteilt?«, donnerte ich mit bebender Stimme.
»Ein Wirt, ich kenne seinen Namen nicht. Die Bezahlung war gut und er stellte keine Fragen.«
Mit einem Mal erinnerte ich mich, dass Tom mich bei meiner Ankunft gefragt hatte, ob ich den Auftragsmord an einer Hure übernehmen wolle. Ich hatte nicht wissen können, dass es ausgerechnet diese Hure war, die man zum Schweigen bringen wollte. Und auch Tom hatte von meinen Absichten nichts gewusst. Somit war mir auch klar, dass der Mann nichts weiter über den wahren Auftraggeber wusste – Tom war nur der Mittelsmann.
»Es war ein Fehler, dass ihr diesen Auftrag angenommen habt!« Ich erhob mich und steckte das Messer zurück in die Gürteltasche.
Hinter mir ging krachend das Scheunentor auf und Soldaten stürmten herein, um sofort wieder vor den Flammen, die inzwischen auf das gesamte Heu und Holz übergesprungen waren, zurückzuweichen.
Mit einem letzten Blick auf den Mörder, welchen ich nun seinem Schicksal überließ, stürmte ich zum hinteren Ausgang der Scheune und hämmerte so lange gegen die Bretter, bis diese nachgaben und ich ins Freie stolperte.
Es war inzwischen Nacht geworden, allmählich wurden auch die letzten Lichter in den Häusern ausgemacht und auf den Straßen waren einzig die Nachtwächter mit ihren Fackeln anzutreffen.
Die brennende Scheune war weithin zu sehen, auch hörte man noch die Rufe der Soldaten, die das Feuer zu bekämpfen versuchten.
Der in der Folge entstehende Tumult kam mir sehr gelegen. Kaum eine der Wachen hatte noch Interesse, Ausgestoßene oder Gesetzeslose, die zu so später Stunde noch auf den Straßen waren, aufzuhalten und nach ihren Ausweisen zu fragen. Dennoch hielt ich mich vorwiegend in den kleinen dunklen Gassen verborgen und kreuzte eine Hauptstraße nur dann, wenn es unvermeidbar war.
Endlich gelangte ich über viele Umwege zum Wirtshaus zurück, in dem noch recht viel Betrieb herrschte. Die Stube war vom Schein etlicher Kerzen erhellt, das Bier schwappte von den Tischen und dem Tresen, Weinfässer waren geleert worden und die Stimmung wurde durch das Johlen von Trinkliedern zusätzlich angeheizt. Kaum einer war nüchtern genug, um sich über den Fremden zu wundern, der eben mit rußbeschmutztem Gesicht und stinkender Kleidung hereingekommen war.
Mit schnellen Schritten querte ich den Raum und eilte zur Treppe. Als ich am Tresen vorbeikam, warf ich dem Wirt einen vielsagenden Blick zu. Tom kannte seine Kundschaft und verstand ihre Gesten inzwischen gut genug, um zu wissen, wann etwas Unvorhergesehenes geschehen war. Zugleich verstand sich der Wirt darauf, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und so ging er erst dann in den Keller hinunter, wo ich auf ihn wartete, als eines der kleinen Bierfässer leer geworden war.
Er stellte das leere Fass ab und sah sich im trüben Schein seiner kleinen Lampe um, bis er mich schließlich neben einem Weinregal stehen sah. Er blickte mich eine Weile stumme an, runzelte die Stirn, fragte jedoch nichts.
»Von wem hast du den Auftrag bekommen?«
»Welchen Auftrag?«
»Die Hure, die ich hätte töten sollen. Du hast den Auftrag an zwei Gesetzlose weitergeleitet.«
Tom nickte langsam. Er konnte mich gut genug einschätzen, um meinen Zorn zu erahnen, und er wusste, dass es nicht ratsam war, mir etwas vorzulügen. »Ja, was weißt du darüber?«
»Sie sind beide tot, ihren Auftrag konnten sie noch ausführen.«
»Hast du es getan?« Tom ließ sich auf eines der Fässer nieder und tupfte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn.
»Wer hat dir den Auftrag erteilt?«, sprach ich mit leiser, drohender Stimme.
»Sind dir die Stadtwachen gefolgt?« Der Wirt hatte sichtlich Mühe, Ruhe zu bewahren.
»Ich konnte sie abhängen, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie mich finden.«
»Du musst von hier verschwinden!«, zischte Tom und machte eine flehende Geste. Noch nie hatte ich ihn so nervös erlebt.
»Wer war der Auftraggeber?«
»Flieh über die Dächer, beeile dich, bevor es zu spät ist!«
»Das Hexenweib war eine Bekannte von mir! Ich werde nicht gehen, bevor ich weiß, wer für ihren Tod verantwortlich ist«, gab ich entschlossen zurück.
Tom erbleichte. Er öffnete den Mund einen Spalt, ehe er den Kopf schüttelte und mutlos seufzte. »Es waren sehr einflussreiche Männer. Wenn sie dich fangen, dann wird das dein Ende sein – und glaub mir, der Tod kann sehr grausam und schleichend kommen!«
»Ich kann auch sehr grausam sein! Das Hexenweib hat mir alles bedeutet, ich werde nicht gehen, ohne ihren Tod zu rächen!«
»Dann bist du bereits erledigt.« Tom wandte sich ab und lud eines der kleinen Fässer auf seine Schulter. Er war schon bei der Treppe, als er sich ein letztes Mal umdrehte. »Es war ein einfacher Bote, doch er trug den Siegelring der Rejèss.«
»Wenn die Rejèss das Hexenweib tot sehen wollten, warum haben